Berufsperspektiven

Business statt Beamtentum

Angehende Politik- und Verwaltungswissenschaftler sind eher altruistisch, haben ein politisches Bild von staatlichem Handeln wollen gleichzeitig aber gutes Geld verdienen.

Jörg Röber
 
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    Zur Person
    Jörg Röber

    Jörg Röber studierte Politik- und Verwaltungswissenschaft an den Universitäten Konstanz und Nottingham. Seit September 2007 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft der Zeppelin Universität in Friedrichshafen tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der politikwissenschaftlichen Stadt- und Regionalforschung sowie der Public Management Forschung.

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    Factbox
    Zum Kennenlernen: Politik- und Verwaltungswissenschaften an der ZU

    Der aktuelle politik- und verwaltungswissenschaftliche Studiengang "PAIR" der Zeppelin Universität richtet sich an eine breite Zielgruppe von Verwaltungsmodernisierern bis hin zu Sozialunternehmern. Dabei erklärt er die Funktionsweise politischer Systeme in der modernen Gesellschaft in nationaler, internationaler und europäischer Perspektive. Zugleich werden aus Perspektive der Organisationsforschung und der modernen Managementlehre öffentliche nationale und internationale Organisationen analysiert und grundlegendes Wissen über Steuerungsmodelle im modernen Staat vermittelt.

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„Klar hat es uns auch persönlich gereizt, die knapp 330 Studenten und Absolventen unserer Studiengänge genauer unter die Lupe zu nehmen, die man selbst mit aufgebaut hat“, erklärt Jörg Röber und grinst. Gerade hat der akademische Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaften erstmals seine neuesten Forschungsergebnisse präsentiert. Im persönlichen Gespräch gewährt er erste Einblicke in die Alpha-Version der Datenauswertung. Befragt wurden dazu alle Studierenden und Absolventen der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Studiengänge der Zeppelin Universität. Mit ihrer Erhebung wollten Röber und seine Kollegen herausfinden, wie die Studenten für die Arbeit in zukünftigen Führungspositionen im öffentlichen Sektor ausgebildet werden und welche Werte und Einstellungen sie dort an den Tag legen. Auf 139 ausgefüllte Online-Fragebögen innerhalb von drei Wochen konnten die Wissenschaftler für die Auswertung zugreifen. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend.

Zum Kennenlernen: Politik, Verwaltung und Internationale Beziehungen


Besonderes Augenmerk hat Röber auf die sozio-demografischen Faktoren gelegt: „Wir haben uns gefragt, ob sie zu dem werden, was sie sind, weil sie ihr Studium dazu qualifiziert oder weil sie vielleicht durch ihr Elternhaus eine bestimmte Prägung erhalten haben.“ Dabei sei besonders die Zahl der Eltern, die eine Tätigkeit im öffentlichen Sektor wahrnehmen - und ihre Kinder dementsprechend beeinflusst hätten - auffällig: „Immerhin 45 Prozent unserer jetzigen und ehemaligen Studenten haben eine starke familiäre Vorprägung für den öffentlichen Sektor mit auf den Weg bekommen“, beschreibt Röber.

Neben dem familiären Hintergrund untersuchte das Forscherteam auch, welche Werte den Studenten des PAIR-Studiengangs (Politics, Administration and International Relations) wichtig sind: „Angehende Politik- und Verwaltungswissenschaftler sind eher altruistisch und haben ein politisches Bild von staatlichem Handeln“, fasst Röber die Ergebnisse zusammen. „Gleichzeitig wollen sie aber selbst gutes Geld verdienen.“ So bevorzugt ein Großteil der Studenten eine Verwaltung, die im Sinne des Gemeinwohls handelt, auch wenn es den eigenen Interessen widerspricht. Dazu passe auch das überdurchschnittliche gesellschaftliche Engagement vieler Studierender. „Besonders auffällig ist das Interesse an Parteipolitik: Fast 40 Prozent der Friedrichshafener PAIR-Studenten sind parteipolitisch aktiv“, sagt Röber. Zum Vergleich: Quer über alle Studiengänge und Universitäten liegt dieser Anteil zwischen zwei und drei Prozent.

Extremen Veränderungen stehen die Studenten allerdings kritisch gegenüber: Egal ob es um staatliche Umverteilung oder zunehmende Privatisierung geht. „Solche Maßnahmen lehnen die Befragen größtenteils ab“, sagt Röber. „Hier kommt möglicherweise ihr persönlicher Hintergrund ins Spiel. Schließlich sind Studenten immer noch Teil der Mittel- oder Oberschicht.“ Gleichzeitig spricht Röber in diesem Zusammenhang aber auch die Ausweitung des eigenen Wissens durch das Studium an sich an. Über 60 Prozent der Befragten lehnen beispielsweise eine weitere Auslagerung von Staatsaufgaben ab: „Das muss nicht zwingend mit ihrer Vorprägung zu tun haben“, erklärt Röber: „Vielleicht haben sie im Studium auch einfach nur die Vor- und Nachteile solcher Reformideen kennengelernt“. Das Beispiel verdeutlicht, wie sowohl familiäre Faktoren als auch Studieninhalte die Studenten von Politik, Verwaltung und Internationalen Beziehungen beeinflussen.

Mehr 140 Erstsemester begannen zum September 2013 ihr Studium an der ZU: Über 35 von ihnen sind für Politik, Verwaltung und Internationale Beziehungen eingeschrieben.
Mehr 140 Erstsemester begannen zum September 2013 ihr Studium an der ZU: Über 35 von ihnen sind für Politik, Verwaltung und Internationale Beziehungen eingeschrieben.

Auch wenn der Name anderes vermuten lässt: Ein Studium, in dem auch Verwaltungswissenschaften gelehrt werden, bedeutet nicht unbedingt eine klassische Bürokraten-Karriere. Denn während die öffentliche Verwaltung gemeinhin als undurchsichtig und langsam wahrgenommen wird, möchten die Studenten etwas an diesem angestaubten Image ändern: „Gerade Transparenz und Partizipation spielen für die Studenten eine große Rolle“, sagt Röber. So sehen die Befragten den Bürger eher als Kunden, sind überzeugt, dass sich der Erfolg von Verwaltungshandeln messen lässt und befürworten eine solche Bewertung. „Die junge Generation bringt nach dem Studium eher reformerische Ideen mit in den Beruf und sieht Schnittmengen zwischen den Führungsaufgaben in der Verwaltung und dem Management eines Unternehmens“, fasst Röber zusammen.

Passend zu dieser modernen Werthaltung haben die Studenten auch andere Erwartungen an ihre berufliche Zukunft als noch ihre Eltern. „Die alten Anreizsystem der öffentlichen Verwaltung funktionieren nicht mehr“, sagt Röber. Zwar gefällt den Befragten ein politischen Umfeld, dies muss aber nicht zwangsweise eine Verwaltungstätigkeit nach sich ziehen: „Die meisten können sich durchaus einen Job im privatwirtschaftlichen Bereich vorstellen“, erklärt Röber. Wer also von einer institutionellen Ausbildung ausgeht, der täuscht sich: „Wer Politik, Verwaltung und Internationale Beziehungen studiert, wird vielmehr funktional für Aufgaben und Arbeitgeber ausgebildet, für die ein analytisches Verständnis politischer Prozesse wichtig ist.“


Fragt man die PAIR- Studenten und Absolventen, was ihnen bei ihrem zukünftigen Job besonders wichtig ist, dann spielen die klassischen Lockmittel der Verwaltung kaum eine Rolle: Statt beruflicher Sicherheit und garantiertem Aufstieg auf der Karriereleiter erwarten sie in erster Linie eine spannende Jobbeschreibung, berufliche Herausforderung und ein hohes Gehaltsniveau. „Sie sind vielleicht nicht richtig hedonistisch, aber Selbstverwirklichung spielt eine große Rolle für sie“, fasst Röber zusammen.

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Diese Präferenzen werden auch beim Blick auf die Wunscharbeitgeber der Befragten deutlich: Bundesministerien, der Diplomatische Dienst oder EU-Institutionen führen die Liste an. Sie können als Arbeitgeber ein spannendes Umfeld bieten und lassen gleichzeitig Platz, das im Studium Erlernte anzuwenden. „Und natürlich bedeutet es auch ein gewisses Prestige, das mitschwingt, wenn man für ein Ministerium arbeitet“, ergänzt Röber. Lobby-Arbeit, Wohlfahrtsverbände oder die kommunale Ebene reizen Absolventen von heute weniger. Röber ist überzeugt, dass seine Ergebnisse diese Arbeitgeber zum Nachdenken bringen sollten: „So muss sich etwa eine Gemeindeverwaltung fragen: Wie kann ich hochqualifizierte Absolventen anwerben, wenn mir Stellschrauben wie beispielsweise das Gehalt nicht zur Verfügung stehen?“


In den nächsten Wochen und Monaten wollen Röber und seine Kollegen die Daten nun „nach allen Regeln der quantitativen Methodik auseinandernehmen“. Und auch das nächste Ziel hat sich der Verwaltungswissenschaftler schon gesetzt: Bald könnten alle Studenten zum Forschungsobjekt einer solchen Datenerhebung werden. „Vielleicht unterscheiden sich die Werte von Wirtschafts- und Kulturwissenschaftlern der ZU doch gar nicht so stark“, mutmaßt Röber und denkt vermutlich bereits über die ersten möglichen Aussagen nach.


Titelbild: regulus56 (photocase.com)

Text: Rainer Böhme (Zeppelin Universität) | Florian Gehm (Zeppelin Universität)

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