Netzneutralität

Gleiche Bits und gleichere Bytes

Die neue Tarifstruktur der Telekom bedroht die Netzneutralität und senden ein fatales Signal. Es ist absurd, im Jahre 2013 den Internetzugang beschränken zu wollen.

Katharina Große
 
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    Zur Person
    Katharina Große

    Katharina Große arbeitet und forscht am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Nach ihrem Bachelorstudium an der International Business School in Groningen (NL) absolvierte sie an der ZU einen Master in Politik- und Verwaltungswissenschaften. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Rolle des Bürgers in der digitalen Demokratie.

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    Factbox
    Wie Netz und Politik auf die Drossel reagieren

    Noch am Tag des Bekanntwerdens der Telekom-Pläne reagiert die Initiative Digitale Gesellschaft e.V. mit einer Pressemitteilung, gleichzeitig startet der 19-jährige Malte Götz bei change.org eine Petition gegen die geplanten Tarifänderungen, die mittlerweile rund 200.000 Menschen unterschrieben haben.


    Daraufhin mischt sich die Bundesregierung ein: Wirtschaftsminister Rösler und Verbraucherministerin Aigner kritisieren das Vorhaben der Telekom. Die schaltet zunächst auf stur – und dann eine Google-Anzeige für den Suchbegriff „Drosselkom“, um Aufklärung in eigener Sache zu betreiben. Schließlich lässt man sich aber doch erweichen und entschärft die umstrittene Reglung.


    Allerdings ohne den gewünschten Erfolg: Diese halbe Drossel schnüre dem freien Netz noch immer die Luft ab, meinen die Netzaktivisten und sprechen von einem Ablenkungsmanöver. Da helfe die angekündigte Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums nicht weiter, da sie den Plänen der Telekom keinen Riegel vorschiebe.


    Auch Verbraucherschützern sind die Drossel-Pläne der Telekom ein Dorn im Auge.  Die Telekom müsse sich verpflichten, die Geschwindigkeit der DSL-Verbindungen nicht derart drastisch zu reduzieren, fordert die Verbraucherzentrale NRW. Es gehe um "ein Grundsatzurteil, das dem Verbraucher Sicherheit verschafft".

    Ein Grundrecht auf Internet?

    Die CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär bezeichnet den „adäquaten Zugang zum Internet als Grundrecht“. Eine Meinung, die nicht alle ihrer Parteikollegen teilen dürften, mit der sie aber ganz auf Linie der Enquete-Kommission für Internet und Digitale Gesellschaft liegt. Die hat in ihrem Abschlussbericht gefordert, dass jedes Schulkind einen mobilen Computer bekommen soll, um Medienkompetenz zu fördern und den digitalen Graben zu schließen.

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Die Twitter-Trends sind so etwas wie das Fieberthermometer des Internets. Sie verraten, worüber sich das Netz gerade empört, worüber es lacht oder streitet. Vor kurzem sorgte ein Hashtag für heftige Ausschläge auf der digitalen Fieberkurve: #Drosselkom.

Wer sich informieren will, was es mit dem Begriff "Drosselkom" auf sich hat, findet als erstes Suchergebnis eine Google-Anzeige der Telekom.
Wer sich informieren will, was es mit dem Begriff "Drosselkom" auf sich hat, findet als erstes Suchergebnis eine Google-Anzeige der Telekom.

Der nächste tierische Hype nach Katzenvideos und Hundefotos? Keineswegs. Hier geht es um grundlegende Fragen des Internets: Existiert ein Recht auf unbeschränkten Zugang? Darf es ein Zwei-Klassen-Internet geben, in dem bestimmt Datenpakete bevorzugt weitergeleitet werden? Manche sagen gar: Jetzt steht die Zukunft des freien Netzes auf dem Spiel.

So sieht das zum Beispiel Katharina Große. Sie forscht an der Zeppelin Universität zur Rolle des Bürgers in der digitalen Demokratie und erklärt, wie der Begriff Drosselkom entstanden ist: „Hintergrund ist eine Ankündigung der Telekom. Wer dort einen neuen DSL-Anschluss bestellt, bekommt zukünftig keine echte Flatrate mehr. Ab einem bestimmten Volumen wird die Datenübertragung gedrosselt.“ Oder auch erdrosselt, wie etwa Sascha Lobo meint.

Wie Netz und Politik auf die Drossel reagieren


Ein Unternehmen ändert einen kleinen Passus in seiner Tarifstruktur, und plötzlich beschäftigen sich sogar deutsche Politiker mit diesem Internet. Woher kommt diese Aufregung? „Die neuen Verträge der Telekom bedrohen die Netzneutralität“, sagt Katharina Große und erklärt, was dahinter steckt: „In einem neutralen Netz werden alle Daten gleich behandelt. Es ist egal, ob ich eine private Mail verschicke, mit einem Freund skype oder ein Video auf YouTube anschaue. Provider, die sich an das Best-Effort-Prinzip halten, leiten jedes Datenpaket so schnell wie möglich weiter.“

Damit soll ab sofort Schluss sein. Wer etwa einen Film über das Telekom-Entertain-Paket herunterlädt, muss sich keine Gedanken um seine monatliche Volumengrenze machen. Managed Services, also Dienste, die exklusiv von der Telekom angeboten werden, sind von der Drosselung ausgenommen. Zwar würden in diesem speziellen Fall erstmal nur andere Video-Plattformen benachteiligt, so Große, doch damit werde einer viel weitergehenden Entwicklung Tür und Tor geöffnet: „Letztendlich könnte das dazu führen, dass der gesamte Datenverkehr im Internet in unterschiedliche Qualitätsklassen eingeteilt werden. Die Telekom bestreitet das, aber die Sorge bleibt trotzdem.“

Mit "Echtes Netz – Die Kampagne für Netzneutralität" kämpft die Digitale Gesellschaft e.V. gegen die Pläne der Telekom.
Mit "Echtes Netz – Die Kampagne für Netzneutralität" kämpft die Digitale Gesellschaft e.V. gegen die Pläne der Telekom.

Mit dieser Befürchtung ist Große nicht alleine. Auch der grüne Netzpolitiker Malte Spitz sieht in den Plänen der Telekom einen ersten, aber entscheidenden Schritt hin zu einem Zwei-Klassen-Internet. Großkonzerne wie Google oder Facebook könnten dann Exklusivverträge mit den Internet Service Providern abschließen, um ihre Inhalte immer auf der Überholspur der Datenautobahn zu halten. Kleinere Anbieter würden ausgebremst und hätten keine Chance mehr. Eine Vorstellung, die Katharina Große Angst macht: „Die Vielfalt würde massiv leiden. Wer hört sich noch private Podcasts an, wenn der Download zum Geduldsspiel wird? Wie viele Leser verirren sich noch auf einen selbst gehosteten Foto-Blog, wenn der Seitenaufbau dort an die Zeit analoger Modems erinnert? Was wird aus all den kleinen Überraschungen und großartigen Projekten, die nicht auf den Servern der Netzgiganten liegen?“

Während die öffentliche Debatte vor allem um den möglichen Anfang vom Ende der Netzneutralität kreist, hält Große den Vorstoß der Telekom noch aus einem weiteren Grund für besorgniserregend. „Wir leben im Jahr 2013. Millionen Menschen sind auf das Internet angewiesen. Sie brauchen es für ihre Arbeit und nutzen es in ihrer Freizeit. Gerade wird die erste Generation der Digital Natives erwachsen, die sich im Netz bewegen wie ein Fisch im Wasser. Und jetzt möchte die Telekom allen Ernstes den Internetzugang beschränken?“

Ein Grundrecht auf Internet?


René Obermann, der Chef des Unternehmens, verteidigt dessen Pläne mit dem Hinweis auf die enormen Kosten des Breitbandausbaus. Angesichts des rasant zunehmenden Datenverkehrs müsse man mit den beschränkten Kapazitäten haushalten – und das funktioniere in einer Marktwirtschaft nun mal über den Preis. Außerdem sei ja niemand gezwungen, ausgerechnet einen Vertrag mit der Telekom abzuschließen.

"Das volle Programm" verspricht die Telekom, und in der Tat klingen 75 GB nach jeder Menge Volumen. Doch in einem 4-Personen-Haushalt kann von unbegrenztem Surfvergnügen wohl kaum noch die Rede sein.
"Das volle Programm" verspricht die Telekom, und in der Tat klingen 75 GB nach jeder Menge Volumen. Doch in einem 4-Personen-Haushalt kann von unbegrenztem Surfvergnügen wohl kaum noch die Rede sein.

Einwände, die Katharina Große nicht gelten lässt: „Gerade auf dem Land habe ich eben nicht die freie Wahl zwischen mehreren Anbietern. Da heißt es dann: Friss oder stirb!“ Und angesichts der nötigen Milliardeninvestition in die Breitband-Infrastruktur sieht sie die Politik in der Pflicht. Im internationalen Vergleich hinke Deutschland hinterher – beschämend für ein Land, das sich selbst als Wirtschafts- und Innovationsmotor verstanden wissen will. „Die USA stecken Milliarden in ihre Netze und ermöglichen sozial schwachen Bevölkerungsschichten kostenlosen Zugriff. Estland hat den kostenfreien Internetzugang zum Grundrecht gemacht, im ganzen Land gibt es öffentliche WLAN-Zonen. Und wir? Stundenlange Zugreisen ohne mobiles Datennetz, ganze Landkreise ohne Breitbandanschluss. Irgendwas läuft da gewaltig schief!“

Das Internet sei kein nettes Spielzeug, das man sich leisten kann oder eben nicht. Die Digitalisierung eröffne neue, ungeahnte Möglichkeiten der Partizipation: Menschen könnten sich im Netz über Politik informieren und an demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Deshalb möchte Katharina Große den Zugang zum Internet nicht den Marktkräften überlassen wissen: „Digitale Vernetzung ist essentiell für unsere Gesellschaft. Ich glaube nicht, dass die Spielregeln von gewinnorientierten Konzernen geschrieben werden sollten.“

TitelbildEric Fischer (CC BY 2.0)

Text: eigener Screenshot | echtesnetz.de | Rene Walter (CC BY-NC-SA 2.0)

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Leserbrief
Erwiderung des Autors
Simon Hurtz | 17.07.2013

Hallo Herr Witt,

vielen Dank für Ihren Kommentar. Als Autor habe ich dazu einige Anmerkungen.

Mein Text sollte keine "Meinungsmache" sein. Ich habe lediglich die kritischen Positionen einer Wissenschaftlerin der ZU gegenüber den Plänen der Telekom wiedergegeben. Zwar teile ich die Überzeugung von Frau Große und sehe die geplante Drossel skeptisch; der Artikels baut aber nicht auf meiner persönlichen Meinung, sondern auf den Argumenten von Frau Große aus. Es tut mir leid, wenn Sie das anders empfunden haben.

Ihren zweiten Absatz verstehe ich nicht so recht. Soweit ich weiß, nutzen Telefon- und Datenpakete doch ohnehin nicht dasselbe Netz. Oder meinen Sie VoIP-Telefonie, die in der Tat über das Internet läuft? Aber Festnetz und WWW sind zwei voneinander unabhängige Netze, insofern kann ich Ihre Argumentation nicht nachvollziehen.

Sie unterstellen mir Voreingenommenheit gegenüber der Telekom. Ich kann Ihnen versichern, dass dem nicht so ist. Ich habe in meinem Leben noch nie Kontakt mit diesem Unternehmen gehabt und dementsprechend auch keine negativen Erfahrungen gemacht. Ganz im Gegenteil: Soweit ich das beurteilen kann, gehört die Telekom zu den zuverlässigeren und kundenfreundlicheren deutschen Anbietern - zumindest kenne ich einige zufriedene Kunden.

Dass sich über die Volumenbeschränkung des Anbieters Schmidt DSL aus Oberammergau kaum jemand aufregen würde, hat m.E. eines recht banalen Grund: Die strategischen Entscheidungen einer Firma mit 25 Millionen Kunden dürften eine geringfügig größere Signalwirkung haben, als der Beschluss eines oberbayerischen Familienunternehmens.

Sie haben Recht: Eine Volumenbeschränkung gab es bei der Telekom auch schon bei bestehenden VDSL-Verträgen. Allerdings scheint mir die Drossel in diesem Fall deutlich entschärft. Nach 100 GB/Monat den Downstream auf vergleichsweise erträgliche 6 MBit/s zu reduzieren, ist deutlich weniger drastisch, als die (ursprünglich geplante) Drosselung auf 384 kBit/s nach 75 GB.

Außerdem wurde die Telekom ja nicht nur wegen der Drosselung kritisiert, sondern vor allem für die Ankündigung, dass eigene Managed Services nicht davon betroffen seien. Das impliziert eine Deep Packet Inspection aller Datenpakete und wäre ein erster und vermutlich entscheidender Schritt auf dem Weg zum Zwei-Klassen-Internet. Und dass die Sorge um die Netzneutralität keine Spinnerei einiger weniger Nerds ist, zeigen die gerade bekannt gewordenen Pläne von EU-Kommissarin Neelie Kroes ganz deutlich:
http://www.golem.de/news/netzneutralitaet-eu-kommission-will-zwei-klassen-internet-erlauben-1307-100385.html
http://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-kommissionsvorschlag-wer-mehr-zahlt-surft-schneller/8506958.html

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Tiefenbohrung bis zur Oberfläche
Thomas Witt | 15.07.2013

... denn weiter kommt man mit solchen Artikeln nun einmal nicht. Mit Stimmungsthermometer und Nachgeplapper möchte der Autor hier Meinung machen? Leider nicht einmal das, eher die Meinung anderer zu verstärken. Wir haben hier also einen Lautsprecher, keinen Bohrapparat. Das Keyvisual des Autors passt.

Defakto scheitert die gesamte Diskussion schon am Beginn. Qualitätsklassen sind nun einmal Teil einer gesamtheitlichen Dienstgüte, dazu ein Beispiel. In paketvermittelten Netzen ist alles ein Paket. Niemand möchte, dass sich sein Telefoniepaket hinter einem Download mehrere Millisekunden anstellen muss. Das würde zu Kratzen auch Ausfällen der Audioverbindung führen. Den sich daraus ergebenden, sehr komplexen Faden darf man nun weiterspinnen.

Auch das Motiv des Aufgeregtseins über den von vielen Kunden nur noch gehassten Netzanbieter ist unverständlich. Ist man nicht allein schon deshalb voreingenommen, weil man hiervon eher empört ist, als von einer Volumeneinschränkung des Anbieters Schmidt DSL aus Oberammergau?

Zuletzt darf der Autor natürlich gern nochmal in den Büchern wälzen. Denn Volumenlimits hat die Telekom schon mit VDSL eingeführt. Seit 2008 waren und sind es 100 GB. Wen hat es interessiert?

Die Zeppelin Uni enttäuscht.

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