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"Medien werden vielfach als technische Geräte oder digitale Anwendungen verstanden. Ich halte es für wichtig, Medien weiter zu verstehen und nach ihrem Gebrauch zu differenzieren. So nähert man sich einem pädagogischen oder auch geisteswissenschaftlichen Medienbegriff, der unterschiedliche Formen der Vermittlung kennt und beispielsweise auch eine gemeinsame Medienproduktion oder den Diskurs mit und über Medien im Sinne einer kritischen Reflexion fördert und erlaubt."
Huber, L. (1993). Bildung durch Wissenschaft – Wissenschaft durch Bildung: hochschuldidaktische Anmerkungen zu einem großen Thema. In H. Bauersfeld & R. Bromme (Hrsg.). Bildung und Aufklärung: Studien zur Rationalität des Lehrens und Lernens (S. 163–175). Münster: Waxmann.
Jörissen, B. (2011). Medienbildung und das Social Web. Medienbildungsarbeit unter Bedingungen vernetzter Sozialität. In I. Stapf, A. Lauber, B. Fuhs & R. Rosenstock (Hrsg.). Kinder im Social Web. Qualität in der KinderMedienKultur. Baden-Baden: Nomos.
Sesink, W. (2008). Bildungstheorie und Medienpädagogik – Versuch eines Brückenschlags. In J. Fromme & W. Sesink (Hrsg.). Pädagogische Medientheorie (S. 13–35). Wiesbaden: VS.
Was sind im aktuellen Diskurs die Forschungsoptionen für mediale Bildungsräume an Hochschulen?
Dr. Sandra Hofhues: Wir beschäftigen uns momentan in der hochschulbezogenen Medienpädagogik bzw. -didaktik sehr intensiv damit, wie man didaktische Arrangements herstellen kann, durch die vielfältige Formen des Lernens möglich sind und werden. Dabei geht es nur vordergründig um ein effizienteres Lernen, was man vor zehn bis fünfzehn Jahren noch infolge wachsender Technologien bezogen auf das E-Learning gedacht hat. Anstatt didaktische Arrangements nur mit Medien anzureichern, suchen wir inzwischen nach neuen Ansätzen, wie man sich mit oder über Medien an der Hochschule auseinandersetzen kann. Das heißt konkret, dass ich Medien nicht nur als Werkzeug einsetze oder verstehe, sondern mich frage, wie ich als Lehrperson mediale Bildungsräume gestalten kann, in denen Studierende alle möglichen Medien nutzen können, ich darüber hinaus aber auch die gemeinsame Medienproduktion oder den Diskurs über Medien anrege.
Im Gegensatz zur gängigen mediendidaktischen Perspektive nehmen Sie einen neuen Blickwinkel ein, da Sie die Hochschule als Bildungsraum und Sozialisationsinstanz wahrnehmen. Was ist damit genau gemeint?
Hofhues: An der Hochschule hat man sich lange davor gesträubt, nicht nur zu didaktischen Interventionen zu greifen, sondern auch zu pädagogischen Maßnahmen, da man Studierende als mündige Subjekte begreift, die selbstbestimmt entscheiden, was wie und mit welchen Medien sie lernen. Ein normatives Eingreifen in diesen Prozess war und ist vielfach nicht gewünscht. Aus diesem Grund hat sich die hochschulbezogene Medienpädagogik primär auf didaktische Fragen beschränkt. Diese Grundeinstellung führte zu einem historisch gewachsenen Unterschied. Erstens existiert sehr viel Forschung über die Institution Hochschule – mit geringem Bezug zu Medien. Zweitens gibt es eine starke mediendidaktische Forschung, die sich vor allem mit Unterrichtsszenarien beschäftigt. Eine dritte Perspektive, die sich damit beschäftigt, was passiert, wenn man als Studierender in die Hochschule eintritt – das heißt, wie man sich darin mit oder ohne Medien entwickelt – fehlt mehr oder weniger gänzlich. Unsere Perspektive ist insofern neu, dass wir explizit medienpädagogische Fragestellungen mit der Institution Hochschule verbinden und gleichzeitig soziologische Überlegungen zu Fragen der dazu notwendigen Bildungsräume oder Medienökologien miteinfließen lassen.
Welche neuen Gestaltungsräume öffnen sich, wenn man die angesprochene dritte Perspektive einnimmt?
Hofhues: Aus meiner Sicht eröffnen sich vor allem zwei Gestaltungsräume und damit zusammenhängend zwei wesentliche Fragen. Die eine ist die generelle Frage, welche Medienangebote eine Hochschule im Sinne einer unterstützenden Infrastruktur bieten muss, damit man überhaupt eine Vielfalt Medien gebrauchen kann. Was ist die Rolle der Hochschule darin und welche Verantwortung ist die des einzelnen Subjekts?
Zweitens eröffnet sich durch die jeweilige Form des Lehrangebots ein Gestaltungsraum, durch den ich als Lehrperson darauf einwirken kann, wie Studierende sich mit und über Medien im Verlauf ihres Studiums sozialisieren. Solche Fragen der Mediensozialisation an der Hochschule werden bisher wenig bearbeitet, wenn es vor allem um die Anreichung von didaktischen Arrangements mit technischen Medien geht, um auf individueller Ebene zu einem besseren Lernergebnis zu kommen.
Praktische Erfahrungen dazu haben Sie an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften bereits mit dem Service Learning-Projekt „Reflect!“ in Kooperation mit dem Jugendrotkreuz Hamburg gesammelt und bei Jugendgruppen angewendet. Diese Erfahrungen haben Sie nun mit an die Zeppelin Universität gebracht. Wie sieht hier die Verbindung zwischen Forschung und Lehre aus und welche Projekte gestalten Sie im Moment hier?
Hofhues: Die Erfahrungen aus dem gesellschaftsnahen Projekt „Reflect!“ sind insofern übertragbar, dass sich auch die Zeppelin Universität als Hochschule im gesellschaftlichen Zusammenhang versteht. So bietet es sich an, derartige Service Learning-Projekte in Forschung und Lehre weiterzuverfolgen. Damit habe ich in diesem Semester im Rahmen des Seminars „Medien | Machen | Praxis“ bereits begonnen. Ich stelle Studierenden des CCM-Masterprogramms einen Handlungsrahmen zur Verfügung, in dem sie eigene Medienprojekte gestalten sowie gleichzeitig ihnen schon bekannte Theorien kritisch-reflexiv anwenden können. Natürlich erhalten sie dabei auch neue theoretische Impulse von mir. Was sie in der Praxis entwickeln, erforschen sie gleichzeitig empirisch. Mittlerweile sind wir in der inhaltlichen Ausarbeitung der einzelnen Medienprojekte schon vorangeschritten. Ein Projekt beschäftigt sich mit der mediendidaktischen Qualifizierung von Lehrpersonen. Dabei geht es um die Frage, wie welche Medien in Seminaren genutzt werden können und welche Unterstützung die Dozierenden für die Umsetzung benötigen. Das zweite Projekt greift die Frage auf, welches Gesicht die Zeppelin Universität bei den Bewohnern der Stadt Friedrichshafen hat.
Wenn Sie jetzt kurz träumen könnten, was wäre Ihre Utopie einer crossmedial-vernetzten Hochschullehre?
Hofhues: Rein von der Komponente, mit welchen Werkzeuge wir umgehen, würde ich mir eine Vielfalt von technischen Medien und Anwendungen wünschen und natürlich einen Diskurs darüber, was diese Vielfalt mit uns in Studium, Lehre und Forschung macht. So wird inkludiert, was mir im Moment in der Hochschullehre noch fehlt: der Fokus auf die gemeinsame Medienproduktion, eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Medienwandels sowie der Crossmedialität und die Ermöglichung einer Debatte beispielsweise zu rechtlichen oder ökonomischen Anschlussfragen. Ich würde mir wünschen, dass wir nicht mehr in alten Zusammenhängen von 1:1-Geräten denken, sondern 1:n-Geräte sehen. Gleichzeitig sollten wir Medienrealität aus unserem Alltag stärker in die Hochschullehre einbeziehen und Bildungsräume an der Hochschule zu dessen Betrachtung und Reflexion nutzen.
Vielen Dank für das Interview.
Titelbild: Daniel. R. Blume / flickr.com
Bilder im Text: Susanne Plaumann / flickr.com; ZU