Sie befinden sich im Archiv von ZU|Daily.

ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.

Podiumsdiskussion zur interkommunalen Zusammenarbeit

Oberbürgermeister Daniel Rapp spricht sich für mehr Zusammenarbeit aus

Text & Fotos: Patrick Merk
27.02.2024
  •  
     
    Hä...?
    Haben Sie Fragen zum Beitrag? Haben Sie Anregungen, die Berücksichtigung finden sollten?
    Hier haben Sie die Möglichkeit, sich an die Redaktion und die Forschenden im Beitrag zu wenden.
  •  
    Teilen

„Das Thema ist nicht neu und wird immer wichtiger“, sagte Ravensburgs Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp zu Beginn einer Podiumsdiskussion im Alfred-Colsman-Forum der Zeppelin Universität. Das Thema des Abends: Interkommunale Zusammenarbeit. Ein Wort, das im Laufe des Abends immer wieder fiel: das „Mindset“, also die richtige Mentalität dafür. Diese war zweifellos bei allen Diskussionsteilnehmern vorhanden.


Dr. Daniel Rapp nannte drei Bereiche für die interkommunale Zusammenarbeit: die inhaltliche Bereitschaft, etwas auf einer höheren Ebene zu lösen, die Treffen von Bürgermeistern im politischen Bereich und die psychologische Erkenntnis, dass fast alle Kommunen die gleichen Probleme haben, aber keine Lösung. „Wir sind ungern Einzelkämpfer“, stellte Daniel Rapp fest und sprach sich damit für eine interkommunale Zusammenarbeit aus. Gerade beim ÖPNV sei die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen unerlässlich. So ist Daniel Rapp auch Geschäftsführer der BOB, die zwischen Friedrichshafen und Aulendorf über Ravensburg verkehrt.


„Es geht um die Handlungsfähigkeit des Staates“, betonte Benedikt Paulowitsch, ZU-Alumnus und Bürgermeister von Kernen im Remstal. Er beklagte die überbordende Bürokratie bei der Umsetzung von Gesetzen, Beschlüssen und Richtlinien. In seiner Stadt sei jede Position in der Verwaltung nur einfach besetzt. Für zusätzliche Aufgaben gebe es oft keine weiteren Stellen. „Wir können das nicht mehr bewältigen“, sagte Benedikt Paulowitsch, der von 2008 bis 2013 an der Zeppelin Universität Politics und Public Management studiert hat. Zudem sei die Bezahlung im öffentlichen Dienst oft nicht verhältnismäßig. Die Lösung? Stellen interkommunal teilen. Als Beispiel dafür nannte er die Position eines Klimaschutzmanagers. Mit zwei anderen Kommunen ist Paulowitsch diesen Schritt gegangen: „Auf drei Kommunen kommen 2,5 Klimaschutzmanager.“ Auch im Bereich der Stadtplanung sei dies möglich. „Wenn wir nicht anfangen, zusammenzuarbeiten, werden wir in 10 bis 12 Jahren eine Diskussion über die Kommunalstruktur haben“, argumentierte Paulowitsch. Die Kommunen seien aufgefordert, mehr gemeinsam zu machen.

ZU-Alumnus Benedikt Paulowitsch (links) beklagt eine überbordende Bürokratie, daneben: Daniel Rapp (m.) und Ulf Papenfuß (l.)
ZU-Alumnus Benedikt Paulowitsch (links) beklagt eine überbordende Bürokratie, daneben: Daniel Rapp (m.) und Ulf Papenfuß (l.)

Michael Ritsch, Bürgermeister der österreichischen Stadt Bregenz, berichtete insbesondere von den Erfolgen „seiner“ Stadt durch die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen. Er hob zunächst die Kooperation mit Lindau hervor. Nach einem Jour Fixe auf Fachebene seien gemeinsame Stadtratssitzungen abgehalten worden, um insbesondere die Bodenseeschifffahrt zwischen der bayerischen und der österreichischen Stadt noch attraktiver zu machen. Auch im Kulturbereich habe Bregenz gute Erfahrungen mit interkommunaler Zusammenarbeit gemacht: mit einem für Besucher kostenlosen „Open Studio Day“, an dem 40 Studios aus verschiedenen Städten und Kommunen teilnahmen. Dieses Jahr sollen es 70 Ateliers sein.

Lena Vanessa Haas, seit 1. Februar 2024 neue studentische Vizepräsidentin der Zeppelin Universität, stellte einen Unterschied zu ihren Vorrednern fest: „Ich bin keine Bürgermeisterin.“ In ihrem Amt wolle sie sich dafür einsetzen, dass sich die Zeppelin Universität besser mit Hochschulen und Universitäten anderer Kommunen vernetzt. Ein Forschungszentrum sei geplant. „Genauso wollen wir als junge Universität sein“, merkte Moderator Prof. Dr. Ulf Papenfuß an.

Zusammenarbeit setzt Bereitschaft der Akteure voraus

Nachdem sich alle, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, einig waren, dass interkommunale Zusammenarbeit sinnvoll ist, wurden die weiteren Schritte auf dem Weg zu mehr Kooperation diskutiert. Benedikt Paulowitsch sagte: „Der entscheidende Punkt ist das Mindset der beteiligten Akteure.“ Denn wenn diese am „Kirchturmdenken“ festhielten und nichts abgeben wollten, dann sei das Ziel der Zusammenarbeit nicht zu erreichen. Es kommt Paulowitsch zufolge also mehr auf die Akteure als auf die Institutionen an. Der Bürgermeister von Kernen nannte noch einen weiteren Punkt: Für die „gelebte Demokratie“ sei der Zusammenhalt zwischen den Gemeinden wichtig. Denn: “Wenn Verwaltungen nicht mehr funktionieren, bekommen die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck, dass der Staat nicht mehr funktioniert.”

Die studentische Vizepräsidentin Lena Vanessa Haas (2.v.r) plädiert dafür, das eigene Ego zu überwinden und mehr zu kooperieren.
Die studentische Vizepräsidentin Lena Vanessa Haas (2.v.r) plädiert dafür, das eigene Ego zu überwinden und mehr zu kooperieren.

Einig war man sich auch, dass beispielsweise der ÖPNV nur interkommunal vorangebracht werden könne. Michael Ritsch verdeutlichte dies am Beispiel des VVV (Vorarlberger Verkehrsverbund), wo es gelungen sei, für einen Euro pro Tag den gesamten ÖPNV im Verbund zu nutzen - und das im Sieben-Minuten-Takt. “Die Verkaufszahlen sind explodiert”, sagte Michael Ritsch. Finanzieren konnte man das nur, weil alle beteiligten Gemeinden in einen Topf einzahlten. “Das geht nur durch parteiübergreifendes Denken”, betonte der SPD-Politiker Michael Ritsch.

Eine strukturelle Lehre für Dr. Daniel Rapp war, dass man aus bereits bestehenden Oberzentren mehr machen könnte. In seiner Stadt gelte dies für die “Zwangsehe” mit Weingarten. Auch er griff den Begriff „Mindset“ auf. Dieses sei Voraussetzung, um „den Zug ins Rollen zu bringen“. So stimmte auch der Ravensburger OB zu, dass es mehr auf die Akteure als auf die institutionellen Rahmenbedingungen ankomme. Dies unterstrich auch sein Kollege Michael Ritsch, der zudem feststellte: „Der Leidensdruck muss da sein.“ Wenn dieser in Verbindung mit der richtigen Mentalität vorhanden sei, komme es zu interkommunaler Zusammenarbeit. Als Beispiel nannte er das Pilotprojekt eines Seekraftwerks. Manchmal müsse man einfach mutig vorangehen und etwas ausprobieren. So stellte auch Lena Haas fest: „Man muss das eigene Ego überwinden.“

Eine Frage einer Studentin aus dem Publikum zielte darauf ab, wie sich interkommunale Zusammenarbeit auf die Demokratie auswirkt bzw. wie transparent sie sein sollte. Dr. Rapp antwortete: „Die absolute Grundlage ist Vertrauen“. Denn interkommunale Zusammenarbeit muss für die Bürger transparent sein und darf nicht im Verborgenen stattfinden. Dafür müsse aber auch die Presse bereit sein, darüber zu berichten.

Michael Ritsch (r.), Bürgermeister von Bregenz, berichtet von guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
Michael Ritsch (r.), Bürgermeister von Bregenz, berichtet von guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.

Prof. Dr. Steffen Eckhard aus dem Auditorium griff die Frage auf, ob es ein Staatsversagen auf lokaler Ebene gibt. Er wollte wissen, was das Plädoyer für die Administration im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip sei. Daniel Rapp antwortete: „Die Landkreise sind zu klein.“ Er plädierte für Regionalkreise statt Landkreise und sogar für eine weitere Flurbereinigung, was auch Benedikt Paulowitsch befürwortete. Allerdings sei eine Kommunalreform immer “schmerzhaft”, wie Paulowitsch auch in Kernen beobachten konnte. Er fügte hinzu, wie wichtig auch das Thema „Digitalisierung“ für eine effiziente Verwaltung sei. Aus österreichischer Sicht wies Michael Ritsch darauf hin, dass auch dort die Verwaltungsebene der Bezirke ebenfalls aufgebläht sei und dass sich die Bürgerinnen und Bürger eher mit Kommunen oder den Ländern identifizieren als mit Bezirken. Ernsthafte Kontroversen gab es an diesem Abend unter dem Strich nicht, da in den meisten Punkten weitgehender Konsens in der Sache herrschte.

Zum Abschluss konnte Lena Haas ihre ersten Ideen vorstellen. „Ich möchte eine Brücke zur Stadt schlagen“, sagte die 21-jährige studentische Vizepräsidentin, die in Friedrichshafen geboren und in Markdorf aufgewachsen ist und sich auch kommunalpolitisch engagiert. In einem ersten Schritt wolle sie verstärkt auf die Stadt und die Häfler zugehen.

0
0
 
 
Zeit, um zu entscheiden

Diese Webseite verwendet externe Medien, wie z.B. Videos und externe Analysewerkzeuge, welche alle dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Dabei werden auch Cookies gesetzt. Die Einwilligung zur Nutzung der Cookies & Erweiterungen können Sie jederzeit anpassen bzw. widerrufen.

Eine Erklärung zur Funktionsweise unserer Datenschutzeinstellungen und eine Übersicht zu den verwendeten Analyse-/Marketingwerkzeugen und externen Medien finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.