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Es war ein kalter Winterabend des Jahres 1832, als Fürst Metternich in seiner prachtvollen Residenz im österreichischen Wien zu einem Fest lud, zu dem die wichtigsten Persönlichkeiten des Landes erschienen waren. Deshalb bat er seine Hofküche, ihm keine Blamage zu bereiten - „dass er mir aber keine Schand’ macht, heut Abend!“, so Metternich. Doch der Chefkoch lag krank im Bett, und so musste der junge Franz Sacher einspringen, der mit seinen sechzehn Jahren erst im zweiten Lehrjahr als Konditor stand. Außerdem waren in der Hofküche nur noch wenige Zutaten vorrätig. Aus dieser Notsituation heraus kreierte der junge Lehrling eine Schokoladentorte mit Marillenmarmelade, die den Gästen sehr gut schmeckte.
So oder so ähnlich soll sich die Geschichte über die Erfindung der heute weltberühmten Sachertorte zugetragen haben. Noch heute wird sie nach dem Originalrezept von 1832 mit den gleichen acht Zutaten zubereitet. „Jede Krise ist ein Geschenk des Schicksals für den schaffenden Menschen“, sagt dazu der heutige Geschäftsführer der Sacher-Gruppe, Matthias Winkler.
Doch seitdem hat sich viel getan, wie in seiner Keynote zum Thema ‚Luxushotellerie im Wandel’ beim diesjährigen Friedrichshafener Familienfrühling deutlich wird. Zur Sacher-Gruppe gehören heute nicht nur Confiserien und Cafés, die jährlich über 300.000 Stück der gleichnamigen Torte fertigen und vertreiben, sondern auch zwei Fünf-Sterne-Häuser in Wien und Salzburg, wie Matthias Winkler erklärt.
Gerade diese litten stark unter der Corona-Pandemie. 75 Prozent Umsatzeinbußen musste das Familienunternehmen in dieser Zeit hinnehmen. Trotzdem sei es gelungen, 75 Prozent der Belegschaft zu halten, sagt Winkler stolz. Unter anderem dank kreativer Aktionen wie einem Drive-in, in dem Sachertorten verkauft wurden. Nur so konnte die Torte trotz geschlossener Cafés und Hotels an den Mann und die Frau gebracht werden.
Das sorgte nicht nur für internationale Schlagzeilen, sondern auch für so viele Bestellungen der Sachertorte über den Online-Shop, dass die Aktion eingestellt werden musste. Sacher kam mit der Herstellung und Auslieferung der Torte in alle Länder der Welt einfach nicht mehr nach.
Umgekehrt verhält es sich mit der Implementierung digitaler Services im Unternehmen, wo Sacher zukunftsweisend agiert. So gibt es im Sacher-Buchungsportal von jedem Zimmer einen 360°-Rundgang, für Buchungen steht ein Chatbot mit Sprachfunktion zur Verfügung und die Zimmer werden auch über AirBnb angeboten.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Inseraten war: „Die Zimmergröße ist nicht entscheidend, viel wichtiger ist der Ausblick“, wie Winkler feststellt. Außerdem müsse man sich zunehmend auf individualistischere Reisegewohnheiten einstellen, „es gibt keine Regeln, keine Standards mehr“.
Diese Zukunftsorientierung verdankt Winkler einem modernen Traditionsverständnis, das bei Sacher vorherrscht. Oft würden Traditionshäuser diese zum Vorwand nehmen, um nichts verändern zu müssen. Für Sacher bedeute Tradition aber „nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“, so Winkler. Damit dieses Feuer lebendig bleibt, braucht es eine gute Nachwuchsarbeit.
Das ist eine der obersten Prioritäten bei Sacher, die Winkler etwas scherzhaft „Mitarbeiter First“ nennt. Sacher investiert viel in den eigenen Nachwuchs, denn „Aus- und Weiterbildung ist die Säule des eigenen Vorankommens“, so Winkler. In der anschließenden Fragerunde verrät Winkler ein weiteres Geheimnis des persönlichen Weiterkommens: Keine Tipps annehmen! Das könne er aus eigener Erfahrung sagen. Man solle zwar immer viel mit anderen reden, aber am Ende wisse man selbst am besten, was gut für einen ist, so Winkler abschließend.
Fotos: Fabio Sommer / Sacher / Richard Reichel