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Milica Arsenijevic ist in einem multikulturellen und mehrsprachigen Umfeld groß geworden. Während ihre Großeltern mütterlicherseits von Serbien nach Stuttgart emigrierten, kam ihr in der ehemaligen heute Kirgisistan geborener Vater zum Studieren nach Deutschland, wo er ihre Mutter kennenlernte und heiratete. „Das hatte den schönen Nebeneffekt, dass ich als Kind mit den beiden Sprachen Deutsch und Serbisch aufgewachsen bin und mit der Familie zweimal im Jahr sowohl Weihnachten als auch Ostern gefeiert habe“, bemerkt Arsenijevic, die gerne die Metapher verwendet, dass ihre Hardware aus dem Balkan – etwa das lockere Familienverständnis – und ihre Software aus dem Schwabenland – etwa die strenge Disziplin – stammt.
Da es ihren Eltern wichtig war, dass ihre Tochter ihr geistiges und kreatives Potenzial voll ausschöpft, verbrachte Milica Arsenijevic ihre gesamte Grundschul- und Gymnasialzeit auf einer Schule, die Wissenschaft, Musik, Kunst, Sport und Handwerk fördert. Sie selbst kann sich noch gut daran erinnern, wie sie als Fünfjährige ihr erstes Gedicht schrieb – einen Fünfzeiler mit dem Titel „Der Baum“. Wie lyrische und prosaische Texte wirkungsvoll inszeniert werden, das lernte sie in dem Grundschulkurs Rezitation. „Besonders die regelmäßigen kleinen wie großen Aufführungen mit dem Sprecherensemble haben mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein gestärkt“, bemerkt Arsenijevic, die unter anderem in die Rolle von Tom Sawyers Tante Polly schlüpfte.
Mit dem Übertritt aufs Gymnasium war ein nahtloser Übergang von Rezitation zu Rhetorik verbunden. „Dabei wurde uns beigebracht, wie man Argumentationslinien aufbaut und lebendig und überzeugend präsentiert“, erläutert Arsenijevic. Neben dem Unterricht nahm sie mehrmals am Wettbewerb „Jugend debattiert“ teil und gehörte zweimal zu den besten Nachwuchsrednerinnen auf Landesebene. „Die Vorbereitung ist sehr lehrreich, weil man sich sowohl mit den dafürsprechenden als auch mit den dagegensprechenden Argumenten intensiv auseinandersetzen muss. Das heißt, egal wie man persönlich über dieselfreie Städte oder Unisex-Klos an Schulen denkt, man ist gezwungen, die Gegenseite verstehen zu lernen und seine eigene Meinung zu hinterfragen“, berichtet Arsenijevic.
Aus der Faszination, sich mit politischen Fragen zu befassen und darüber zu diskutieren, entstand bei Milica Arsenijevic schließlich der Wunsch, Politikwissenschaft zu studieren. Aber nicht nur Politik, zeugt doch allein ein 1,0-Schnitt im Abitur von einem weitaus breiteren Interessenspektrum. Gummibärchen und eine glänzende Broschüre waren unschlagbare Argumente, um am Messestand der ZU vorbeizuschauen. Alles in einem Beutel verstaut, verstaubten die Infomaterialien in den nächsten Monaten in der Zimmerecke. Erst als das Abitur nahte und damit die Frage nach dem richtigen Studienort, geriet die schimmernde ZU-Broschüre wieder in ihren Fokus. Beim Durchblättern blieb ihr Blick auf den Seiten zum Bachelor in Soziologie, Politik und Ökonomie haften. „Ich war ganz baff, dass es einen Studiengang gibt, der drei Fächer kombiniert, die mir am Herzen liegen“, erzählt Arsenijevic. „Ähnlich verblüfft war ich von der herzlichen und offenen Atmosphäre, die mir begegnete, als ich an einem verregneten Tag zum ersten Mal den HauptCampus betrat.“
In den ersten vier Semestern belegte Milica Arsenijevic mehr Wirtschaftskurse – überzeugt davon, dass es nicht schaden kann, mehr über ökonomische Zusammenhänge zu erfahren. „Spätestens aber mit dem politisch ausgerichteten Auslandssemester an der University of Agder im norwegischen Kristiansand habe ich gemerkt, dass es mir liegt, gesellschaftspolitische Phänomene zu durchdringen und zu dekonstruieren“, sagt Arsenijevic. In Hausarbeiten fragte sie danach, warum die Mafia überhaupt in einer Gesellschaft bestehen kann und was die tagesschau eigentlich mit uns als Gesellschaft macht. Und während sie in ihrer Humboldt-Arbeit untersuchte, inwiefern der Rechtspopulismus den Diskurs zur Abtreibungspolitik in christdemokratischen Parteien in Deutschland, Schweden und Polen beeinflusst, analysierte sie in ihrer Bachelorarbeit, wie das Europäische Parlament mit der Frage Abtreibung umgeht.
Mit ihrer Arbeit für das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Warschau absolvierte die KAS-Stipendiatin Milica Arsenijevic lediglich ein politisch orientiertes Praktikum während ihres Studiums, denn: Zwar distanzierte sie sich theoretisch von der Wirtschaft, praktisch blieb sie dieser aber verbunden – und erhielt damit Einblicke in folgende Bereiche: Qualitätsmanagement und Marketing beim Caritasverband Stuttgart e.V., Unternehmensberatung bei der philoneos GmbH, einem Spin-off des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen | FIF, sowie Produkt- und Personalentwicklung bei der Peers Solutions GmbH, einem frauengeführten Tech-Start-up.
Die Neugier und Lust, in die Start-up-Szene einzutauchen und in einem Start-up zu arbeiten, entwickelte Milica Arsenijevic beim studentisch geführten Tatendrang Entrepreneurs Club e.V. Zunächst besuchte sie die verschiedenen Events und beobachtete, was die Initiative ausmacht und welche Möglichkeiten es gibt, sich zu engagieren. Ein Semester später übernahm sie das Marketing, betreute unter anderem die Social-Media-Kanäle und das Design. Ab dem zweiten Studienjahr und bis zu ihrem Auslandssemester bildete sie den Finanzvorstand und leitete gemeinsam mit dem erstmals nur von Frauen besetzten Vorstandsteam ein Team von rund 30 Studierenden. „Für mich ist Tatendrang nicht nur eine Initiative, in der sich Gründerinnen und Gründer vernetzen und gemeinsam Ideen verwirklichen. Für mich ist Tatendrang auch eine Plattform, die dazu einlädt, Unternehmertum in seiner Gesamtheit zu betrachten und von den Skills der anderen zu lernen“, beschreibt Arsenijevic.
Milica Arsenijevic räumt ein, dass sie mit der Hochschulpolitik erst in Berührung kam, als einer ihrer engsten Freunde eines der vier Ämter in der studentischen Senatorenschaft ausübte. „Plötzlich bin ich mir der vielseitigen Möglichkeiten bewusst geworden, als Student:in die Universität mitzugestalten“, erläutert Arsenijevic. Als sich abzeichnete, dass sie sich in ihrem letzten Studienjahr noch nirgends engagiert, stand fest: „Let's try Senatorin!“ Mit den Zielen, die während der Coronapandemie stark gelittene Vernetzung zwischen den Studierenden und Alumni zu stärken sowie die Kommunikation zwischen den Studierenden und den studentischen Senator:innen zu intensivieren, startete sie in das Amt. „Ich bin froh und auch ein bisschen stolz, dass wir – trotz der vielen alltäglich anfallenden Aufgaben – gemeinsam mit weiteren Akteur:innen beides geschafft haben, indem wir neue Kommunikationskanäle und Veranstaltungsformate etablierten“, berichtet Arsenijevic.
Milica Arsenijevic gibt zu bedenken, dass gerade in Zeiten von Corona vieles anders gekommen ist, als sie es sich vorgenommen hat. „Vieles ist dem Zufall geschuldet gewesen und keinem festgelegten Plan gefolgt“, ergänzt Arsenijevic. Mittlerweile sieht das natürlich ganz anders aus. Nach vier Jahren Bachelorstudium hat sie sich bewusst für ein Gap Year entschieden, um mit einem vollen Tank ins Masterstudium zu starten – eine bisherige Möglichkeit wäre ein Master in International Governance and Diplomacy an der Sciences Po in Paris. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie ein Jahr nur herumlungert – im Gegenteil: Noch vor Kurzem arbeitete sie als Praktikantin im Büro des CDU-Politikers und Europaabgeordneten Dr. Markus Pieper. Direkt weiter geht es für sie nun zur Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union. „Vor meinem Master wollte ich unbedingt noch den Nervenkitzel des politischen Lebens spüren und das gerade vor den im nächsten Jahr anstehenden Europawahlen. Vergleicht man Politiker:innen und Parteien mit Holzhacker:innen, ist jetzt der Moment gekommen, an dem man sieht, wie die Äxte geschärft werden“, erzählt Arsenijevic.