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Dr. Markus Rhomberg studierte nach dem Abitur zunächst Journalismus in Stuttgart und Weingarten. Danach folgten Studien der Politikwissenschaft, Theaterwissenschaft sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien. Nach seiner Promotion arbeitete Rhomberg unter anderem in Friedrichshafen und Hamburg. 2010 kehrte Rhomberg an die Zeppelin Universität zurück und forscht aktuell zu öffentlichen Diskursen von Reformthemen oder der öffentlichen Kommunikation von Risiken.
Insbesondere junge Erwachsene kommunizieren über soziale Netzwerke. Im Jahr 2011 waren es 91 Prozent der 16- bis 24-Jährigen und 70 Prozent der 10- bis 15-Jährigen. Mit zunehmenden Alter nimmt momentan auch die Zahl der Internutzer ab. So kommunizieren nur 57 Prozent der 25- bis 44-Jährigen und 33 Prozent der 45- bis 64-Jährigen über soziale Netzwerke.
Im europäischen Vergleich lag Deutschland sowohl bei der Nutzung sozialer Netzwerke für private als auch für berufliche Zwecke im Mittelfeld.
Wie soziale Medien Politik und Demokratie beeinflussen, war Thema beim Diskursformat RedeGegenRede am 15. Oktober 2012 im Hauptstadtcampus der Zeppelin Universität. Junior-Professor für politische Kommunikation an der ZU Markus Rhomberg und Stefan Wegner, Partner der PR-Agentur Scholz & Friends und Geschäftsführer von Scholz & Friends Agenda, diskutierten, ob die neue Vielfalt von Kommunikationsmedien die Demokratie fördern oder durch die ungefilterte Informationsflut eher zu Verwirrung der Bürger führen.
Barack Obama bewies als Präsidentschaftskandidat im Sommer 2008, dass die Presse nicht mehr die alleinige Macht über die Informationsvergabe hat. Er übermittelte den Namen des Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten per SMS an alle, die sich in einen entsprechenden Verteiler eingetragen hatten. Obamas Wahlerfolg gründete nicht zuletzt auf einer ausgefeilten Social Media Strategie. Auch im aktuellen Wahlkampf setzt er auf dieses Mittel: Mit mehr als 31 Millionen Facebook-Likes und über 21 Millionen Twitter-Followern erreichen Obamas ungefilterte Nachrichten in diesen Tagen immense Reichweite.
Das Beispiel zeigt: Die Kommunikation zwischen Politikern und Bevölkerung wird direkter und stellt zuweilen die klassische Funktion des Journalisten in Frage.
Auch in Deutschland werden soziale Netzwerke für die private und politische Kommunikation immer wichtiger, denn insgesamt 53 Prozent der Internetnutzer sind in sozialen Netzwerken aktiv. Das statistische Bundesamt teilte anlässlich des Welt-Kommunikationstages am 17. Mai 2012 mit, dass 26,9 Millionen Menschen im Alter ab 10 Jahren über diese Medien im Internet kommunizieren.
Die kommenden Bundestagswahlen werden auch für Deutschland stärker zeigen, dass soziale Medien zentrale Kommunikationskanäle für Politiker sind. Denn viele versuchen Aufmerksamkeit und Stimmen für sich zu gewinnen, wenn sie von Wahlkampfauftritten berichten und ihre Standpunkte verbreiten. Der PR-Experte Stefan Wegner betrachtet dies als die Konsequenz einer Zeitenwende. Er ist Partner der PR-Agentur Scholz&Friends, Geschäftsführer von Scholz&Friends Agenda und gelernter Journalist. Anlässlich einer Veranstaltung des Diskursformates RedeGegenRede im Hauptstadtcampus der Zeppelin Universität sagte er: „In den vergangenen Jahren haben wir eine kopernikanische Wende erlebt.“ Auf Knopfdruck könne man auf sehr einfache und kostenlose Weise viel mehr Leute erreichen. Die Zukunft zeichnete er sogar ohne Print und TV: „Wir werden einen integrierten von vornherein auf Austausch angelegten Medienkanal haben, der vielleicht Facebook oder ganz anders heißt, der auf die dialogische Funktion von Kommunikation angelegt ist.“
Genau das sei problematisch, sagte Junior-Professor für politische Kommunikation an der Zeppelin Universität, Markus Rhomberg, in Berlin. Der Wissenschaftler ist der Meinung: „Deutsche Parteien haben noch nicht verstanden, dass soziale Medien dialogorientiert und keine One-way-Kommunikationskanäle sind.“
Versuche gibt es bei den etablierten Parteien dennoch – auch wenn sie teils mit viel Hähme und Kritik begleitet wurden. Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfahlen ließ man in diesem Frühjahr Facebook-Nutzer über das Motiv eines Wahlkampfplakats mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ entscheiden. Die CDU startete im März 2012 mit CDUplus.de. Dort sollen für Mitglieder unter anderem die Inhalte der Plattformen Facebook, Youtube und Twitter zusammengeführt werden. Und auch die Kanzlerin gibt sich social media-affin und beantwortet Fragen von Bürgern auf ihrem Youtube-Kanal.
Fraglich ist zudem, wie der Bundeskanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück sich im Wahlkampf im Netz präsentieren wird. Er gilt als bekennender Offliner. Während Rhomberg das nicht für weiter problematisch hält, weil Steinbrück besondere Authenzität ausstrahle, betont Wegner, dass auch der SPD-Mann nicht um das Netz herum kommen werde. Denn nach allem, was man über Wahlkampfmobilisierung aus den USA wisse, seien die Kanäle viel zu erfolgreich, als dass man sie ignorieren könne. Wegner ist überzeugt, dass sich das interaktive Element erst mit dem Generationenwechsel in den politischen Institutionen etablieren werde. Momentan stünden Politiker den neuen Kanälen zwiespältig gegenüber: Einerseits begrüßten sie diese grundsätzlich – andererseits fremdelten sie mit interaktiven Medien, da sie hier weniger Kontrollmöglichkeiten als bei den klassischen Medien hätten.
Rhomberg sieht im Gegensatz mehr Kontrollmöglichkeiten für Politiker. Schließlich vermeiden sie über soziale Medien die Informationsselektion durch einen Journalisten. Die andere Seite der Medaille ist, dass auch ein Politiker so von der Öffentlichkeit besser kontrolliert werden kann, weil seine Statements in einem viel transparenteren Archiv gespeichert bleiben.
Soziale Medien werden die klassischen Medien beim Agenda Setting trotzdem noch lange nicht ablösen. Für Wahlkampf-Manager ist es vor allem schwer im Vorhinein einzuschätzen, welche Botschaft überhaupt und bei welchem Publikum ankommt. Der US-Wahlkampf bietet dabei allerlei Potential zur Nachahmung, auch wenn eine Amerikanisierung des deutschen Wahlkampfes nicht zu wünschen ist.
Bilder: Bertram Rusch und Lorenz Widmaier