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China-Politik

Wandel durch Handel

Menschenrechte sind ein besonders heikles Thema in der deutschen Außenpolitik, die ja sehr stark von ökonomischen Zielen geleitet ist.

Mattia Nelles
 
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    Zur Person
    Mattia Nelles

    Mattia Nelles studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften (PPM) an der Zeppelin Universität. Während eines Forschungsaufenthalts an der University of Berkeley, Kalifornien, hat er sich besonders mit den amerikanisch-chinesischen Beziehungen beschäftigt. Danach war für ihn klar, dass er seine Abschlussarbeit den wachsenden deutsch-chinesischen Beziehungen widmen würde. Die internationalen Beziehungen sind seit Längerem sein Schwerpunktbereich. Aus dieser Leidenschaft entstand auch der „Club of International Politics e.V.“, den Mattia als Gründungspräsident für eineinhalb Jahre vorstand. Aktuell absolviert er ein Praktikum bei der Körber-Stiftung im Bereich Internationale Politik und denkt über einen spannenden Master im europäischen Ausland nach.

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Welche Akteure beeinflussen die deutsche Chinapolitik?


Mattia Nelles: Auf der staatlichen Seite wirken mittlerweile mehrere Ministerien und staatliche Akteure an der Ausformulierung der Politik mit. Hier kann man prinzipiell zwischen politischen und bürokratischen Akteuren unterscheiden. Auf der nichtstaatlichen Seite mischt eine Vielzahl von Spielern auf die deutsche Chinapolitik ein. Am präsentesten sind Unternehmen und deren Interessensvertretungen wie der Asien-Pazifik Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Dann gibt es natürlich noch politische Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Greenpeace.


Sie haben sich insbesondere den Jahren 2005 bis 2012 gewidmet. Was war in wirtschaftlicher Hinsicht das Besondere an dieser Zeit?


Nelles: In diesen acht Jahren erreichten die wirtschaftlichen Beziehungen neue Dimensionen. Die Zahl deutscher Exporte nach China illustriert das sehr gut: 2005 exportierten deutsche Unternehmen noch Güter für knapp 21 Milliarden Euro. Im Jahr 2011 hat sich der Wert auf knapp 65 Milliarden Euro verdreifacht. Mittlerweile kommt die Hälfte aller EU-Exporte nach China aus Deutschland. Damit ist Deutschland mit großem Abstand Chinas wichtigster Handelspartner in der EU. Offensichtlich übersetzen sich die heißen ökonomischen Beziehungen auch zunehmend in gute politische. Das macht das ganze interessant für die Politikwissenschaft. Abgesehen von seiner wirtschaftlichen Bedeutung habe ich mir diesen Zeitraum auch ausgesucht, weil noch wenig theoretische Betrachtungen der Chinapolitik unter Angela Merkel als Kanzlerin vorliegen.


Wie sah es mit der Adressierung von Menschenrechten in diesen Jahren aus?


Nelles: Menschenrechte sind ein besonders heikles Thema in der deutschen Außenpolitik, die ja sehr stark von ökonomischen Zielen geleitet ist. Im Falle von China kann man zwei Entwicklungen feststellen. Zunächst kam es nach Merkels Amtsübernahme zwischen 2005 bis 2008 zu einer stärkeren Betonung der Menschenrechte, auch gegenüber Partnern wie China. Das unterschied Merkels Chinapolitik von der ihres Vorgängers Schröder. Nachdem der Dalai Lama 2007 in das Kanzleramt eingeladen wurde, kühlten die Beziehungen stark ab. Nach der Normalisierung der Beziehungen im Jahr 2008 wurde die Menschenrechtsproblematik weniger öffentlich von Regierungsvertretern diskutiert und dafür stärker in Diskussionsforen delegiert wie den Deutsch-Chinesischen Menschenrechtsdialog. Insgesamt scheint es, als hätte man in Menschenrechtsfragen wieder auf eine sogenannte Back-Door-Diplomacy umgestellt – also das Pflegen von politischen Beziehungen jenseits der öffentlichen Bühnen.


Zwischen welchen Arten politischer Einflussnahme haben Sie unterschieden und welche scheinen am erfolgreichsten zu sein?


Nelles: Theoretisch ist der Einfluss eines Akteurs größer, je stärker seine organisationalen Kapazitäten sind. Das sind zum Beispiel Größe, Ressourcen oder Wissen und wird als Grad der strukturellen Mobilisierung bezeichnet. Die Einflusskraft ist auch größer, je stärker die Kerninteressen der politischen Akteure betroffen sind, auch Grad der situativen Mobilisierung genannt. Wichtig ist auch die Anwendung von Strategien wie Koalitionsbildungen, Lobbying oder öffentlichem Druck.
Praktisch erfolgreich werden Akteure durch ihren indirekten Einfluss. Für Interessensgruppen geht es darum, die Politik und die Bürokratie davon zu überzeugen, dass ihre Anliegen auch Interessen Deutschlands sind. Dass zum Beispiel ökonomische Interessen deutscher Unternehmen gleichzeitig Interessen deutscher Politik sind. Die Abhängigkeit unseres Wohlstands vom Vertrieb deutscher Waren und Güter in China ist dafür ein klassisches Beispiel.


Was könnten die schwächeren Akteure von den stärkeren lernen?


Nelles: Das ist schwierig zu sagen, und ich muss gestehen, dass ich keine konkreten Handlungsempfehlungen parat habe. Gerade die kleinen NGO haben in der jüngsten Vergangenheit stark mit öffentlichem Druck gearbeitet. Diese Strategie ist in der deutschen Chinapolitik nur bedingt effektiv, weil China eine relativ geringe mediale Aufmerksamkeit genießt und Menschenrechtsvergehen auf einem konstanten, aber relativ geringen Niveau sind.


Wie Erfolg versprechend schätzen Sie die Strategie „Wandel durch Handel“ China gegenüber ein?


Nelles: Prinzipiell bin ich der Meinung, dass Handel und der Austausch von Informationen (auch über das Internet) langfristig das Potential haben, restriktive Regime fundamental zu verändern. Aber uns muss klar sein, dass die Idee, die das deutsche Außenverhalten gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg geleitet hat, nicht eins zu eins auf China übertragen werden kann. China ist heute viel stärker in die Weltwirtschaft integriert, und da kann diese alte Ideologie auch als ein guter Vorwand genutzt werden, um Handel mit einem autoritären Regime zu betreiben. Kritiker wie Eckart von Klaeden, der Staatsminister der Bundeskanzlerin, fragen sogar, ob man durch Handel mit China nicht schlicht Wachstum in China fördert und damit die primäre Legitimationsbasis der Kommunistischen Partei China stärkt. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube nicht, dass Handel mit China kurz- oder mittelfristig Änderungen des politischen Systems zur Folge haben wird.


Welche neue Frage stellen Sie sich nun nach Ihrer Forschungsarbeit?


Nelles: Das Verfassen meiner Arbeit hat mich mit großem Appetit auf mehr China und einer Vielzahl von Fragen zurückgelassen. Eine dieser Fragen ist, welche Folgen der amerikanische „Pivot“, also die Orientierung auf den Fernen Osten, für Europa hat und wie ein strategischer europäischer „Pivot“ gen Asien aussehen kann.



Bild: flickr (downeym)

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