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Im Laufe der ersten beiden Semester forschen die Studienbeginner des Bachelors an der Zeppelin Universität in interdisziplinär zusammengestellten Kleingruppen. Sie müssen gemeinsam eine Projektidee zu einem vorgegebenen Überthema entwickeln und haben dann zwei Semester Zeit, sich damit auseinander zu setzen. Zur Zeit befindet sich das Projekt im vierten Verlauf. Ab dem Herbst geht es in die fünfte Runde.
Die dritte Auflage des Zeppelin-Projektes stand unter dem Motto "Architekturen" und veranlasste 18 Gruppen zu Themen zwischen Lebenslauf-Architektur und der Zukunft des Theaters zu forschen. Zoe Blechschmitt, Katharina Bremer, Leonie Eggert, Adrian Günther, Annika Höbbel, Sophie Penelope Stellmacher und Viktoria Volmar beschäftigten sich mit der Frage: Was macht die Stabilität von konspirativen Netzwerken aus? Unterstützt wurde die Gruppe durch die ZU-Professoren Maren Lehmann und Stephan A. Jansen.
Hier finden Sie das Netzdiagramm, welches die Gruppe erstellt hat.
Sie haben sich knapp zwei Semester lang mit dem Thema konspirative Netzwerke beschäftigt. Was war die Motivation?
Katharina Bremer: Es handelt sich hierbei um Themen, mit denen wir in unserem alltäglichen Studentenleben keine Berührungspunkte haben. Konkret meint das Menschenhandel, Organisierte Kriminalität oder auch Terrorismus. Unser gruppeninterner Slogan war zunächst: Gewalt macht sexy. Wir waren beeindruckt von der Tatsache, dass diese teils menschenverachtenden Organisationen einen großen Zulauf erfahren und außerdem eine immense Wirtschaftskraft aufweisen. So war unser erster Aufhänger die Frage, wie es sein kann, dass beispielsweise die Mafia so stabil ist und außerdem wirtschaftlich stärker als viele Großkonzerne.
Konnten Sie diese Frage beantworten?
Bremer: Wir sind letztlich über die Vielfalt unserer Interessen von diesem Aspekt abgekommen, da der wirtschaftliche Faktor nicht auf alle Organisationen, die wir analysieren wollten, zutraf. Zunächst haben wir uns nur mit der Mafia beschäftigt, doch dann reizte uns ebenfalls die Arbeitsweise von Al Quaida oder den Hells Angels. Es ging letztlich nicht mehr um den Moment der Gewalt und Illegalität, sondern den der Stabilität in diesen geschlossenen Systemen.
Wie sind Sie vorgegangen? Diese Organisationen sind schließlich geheim.
Bremer: Genau das war die Herausforderung. Wir haben Literaturrecherche betrieben, aber auch Experten befragt - beispielsweise Soziologen oder Kriminalkommissare. Im Laufe des Projektes konnten wir so ein Diagramm erstellen, welches aus 17 stabilisierenden Faktoren besteht, die tatsächlich auf alle gewählten Netzwerke zutreffen. Dazu haben wir Netzwerktheorien verglichen und einen Kriterienkatalog entwickelt. Dieser bestand aus mehreren Oberthemen, wie Verhalten des Individuums, Steuerung oder auch Kosten. Im nächsten Schritt haben wir uns sechs Fallbeispiele gesucht und diese anhand unseres Fragenkataloges analysiert. Daraus entstand ein Netzdiagramm, aus welchem wir wiederum vier entscheidende Punkte extrahieren konnten. Diese vier Punkte beschreiben jene Faktoren, welche unverzichtbar sind für die Stabilität der untersuchten Netzwerke.
Welche vier Punkte sind das?
Bremer: Ein unverzichtbarer Faktor geheimer Gesellschaften ist die Ideologie. Ohne diese sehr starke intrinsische Motivation, könnten sie nicht existieren. Ideologie lässt sich mit der Unternehmenskultur eines Betriebs vergleichen. Betrachtet man beispielsweise Apple, die eine sehr ausgeprägte Unternehmenskultur haben, kann man vermuten, dass dies ihre Wirtschaftskraft stark fördert. Demnach wäre es spannend herauszufinden, wie man diesen Moment gemeinsamer Motivation auch in jenen Unternehmen fördern kann, denen er bisher abgeht. Des Weiteren benennen wir das Vertrauensverhältnis, die situative Sichtbarkeit und die Selbstständigkeit als besonders wichtig. So beeinflusst beispielsweise ein Ehrenkodex oder auch eine gemeinsame Weltanschauung das Vertrauensverhältnis einer Gruppe sehr stark. Dies lässt sich materiell nicht ausgleichen. Wollte ein Unternehmen dieses Vertrauensverhältnis aufbauen, müsste es also mehr tun, als seinen Angestellten lediglich ihren Lohn zu zahlen. Die situative Sichtbarkeit beschreibt die Highlights, das Ergebnis der Arbeit sozusagen. Beispielsweise der 11. September 2001 war ein solcher Moment. Es geht darum, Macht zu demonstrieren. Diese Momente werden bewusst gewählt und definieren ihren Erfolg auch durch mediale Aufmerksamkeit. Letztlich bleibt der Aspekt der Selbstständigkeit des Individuums. Hier sind die Regeln verschiedener Organisationen vielfältig. Zum Teil müssen Mitglieder jede Art von individueller Lebensgestaltung aufgeben, beziehungsweise jeder Zeit zu diesem Schritt bereit sein. Eine solche Opferbereitschaft ist nicht käuflich. Letztlich lassen sich diese vier Ansatzpunkte auf ein Unternehmen ummünzen und könnten helfen, es stabiler zu machen.
Aber lässt sich der konspirative Moment für ein normales Unternehmen überhaupt überwinden?
Bremer: Die Frage ist sicherlich berechtigt, denn gerade in einem Zeitalter, welches Rechenschaft über alles und jedes geschäftliche Vorhaben verlangt, lässt sich Konspiration mit legalen Unternehmen kaum vereinbaren. Daher geht es nicht darum konspirativ zu werden, sondern die stabilisierenden Faktoren der Konspiration in die Organisation zu übernehmen.
Hierbei richtet sich der Fokus zum Beispiel auf die Selbstständigkeit von Mitarbeitern, eigene Entscheidungskompetenzen, intrinsische Motivation, weniger Kontrolle der Führung und die angesprochene starke Unternehmenskultur. Fraglich ist natürlich, ob Unternehmen bereit sind, einmal über den Schatten zu springen und alte Muster zu durchbrechen.
Fotos: frecuenciaspopulares (Titel), thomashawk(Text)