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Dr. Klaus Schönbach ist Professor für Allgemeine Kommunikationswissenschaft und Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Honorarprofessor der Zeppelin-Universität, Friedrichshafen/Bodensee, und Honorary Fellow der Amsterdam School of Communication Research (ASCoR) der Universität Amsterdam.
Unter Persuasion versteht Schönbach jeden bewussten Versuch, das Verhalten anderer durch Zeichen zu beeinflussen, beispielsweise durch Sprache, Bilder oder Musik. Das können Reden auf einem Parteitag, Bilder saftiger Wiesen in der Werbung für ein Milchprodukt oder dramatische Klänge, die Gefahr signalisieren, sein. „Sogar Architektur kann überzeugen“, sagt Schönbach, und verweist auf die einschüchternde Wirkung von Palästen.
Gute Verkäufer, genauso wie gute Flirter oder gute Führungskräfte seien in erster Linie gute Manipulierer. Und so könne es passieren, dass wir eigentlich nur ein paar Socken oder einen Schal kaufen wollten und den Laden am Ende mit einem komplett neuen Outfit verlassen. Oder, dass wir uns bei einem romantischen Abendessen mit einer Person wiederfinden, die wir weder attraktiv noch sympathisch finden. Oder dass wir viel zu spät allein im Büro sitzen um eine Arbeit zu vollenden, die eigentlich nicht unsere ist. Schönbach erklärt, wie persuasive Kommunikation funktioniert, stellt persuasives Argumentieren als eine Persuasionstechnik vor und erklärt Werbung als einen lehrreichen Sonderfall persuasiver Kommunikation.
Er stellt fest, dass Menschen, die glauben dankbar sein zu müssen, besonders anfällig für Manipulation sind. Anfällig ist auch, wer durch eine schnelle Entscheidung offenbar Zeit und Mühe spart. Durch Menschen, die uns ähnlich sind, lassen wir uns leichter manipulieren. Ebenso kann Autorität laut Schönbach gute Überzeugungsarbeit leisten – wie der Arzt, der uns zu einer gesunden Lebensweise ermahnt.
Der Wissenschaftler betont, dass sich jeder Mensch manipulieren lässt. Natürlich würden wir lieber nur in den Anderen „schwache Halme im Wind“ sehen. Doch dies zeige nur unsere Neigung, peinliche Wirkungen von Kommunikation allein bei anderen zu befürchten – aber nicht bei uns selbst. Daher würde Schönbach auch gern jedem Menschen Nachhilfe in persuasiver Kommunikation geben, um beispielsweise vor unerwünschter Beeinflussung zu schützen.
Dabei muss Persuasion nicht per se schlecht sein. Viele Persuasionsversuche würden wir gar nicht schlimm finden. „Wir geben ihnen vielmehr mit einer gewissen Erleichterung nach“, konstatiert Schönbach im Buch, „besonders wenn sie von glaubwürdigen, zuverlässigen und sympathischen Quellen kommen“. Diese würden uns oft erst handlungsfähig machen, indem sie die Qual der Wahl vermindern. Schönbach vermutet sogar, dass wo früher Verhaltensnormen galten, nun der „sanfte Druck gut begründeter und glaubwürdig vermittelter Entscheidungsvorschläge“ steht.
Dass die Ausführungen in seinem Buch auch missbraucht werden können, ist ihm bewusst und so appelliert er augenzwinkernd an seine Leser „alle Rezepte dieses Buches nur zur eigenen Verteidigung gegen infame Persuasionsversuche einzusetzen. Aktiv aber nur – wenn überhaupt – für unumstritten gute Zwecke.“
Schönbach, Klaus: „Verkaufen, Flirten, Führen. Persuasive Kommunikation – ein Überblick.“ Springer VS Verlag, 158 Seiten, ISBN-10: 3658017171, ISBN-13: 978-3658017170