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Dr. André Reichel ist studierter Betriebswirt und hat sich in seiner Doktorarbeit unter anderem mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Danach arbeitete er an der Universität Stuttgart, anfangs am Lehrstuhl von Erich Zahn, einem der Mitautoren von "Die Grenzen des Wachstums", der berühmten Publikation des Club of Rome. Seit 2011 ist Reichel Mitglied des European Center for Sustainability Research (ECS) an der Zeppelin Universität. Dort forscht er über die Postwachstumsökonomie und nachhaltige Wirtschaftsmodelle, außerdem interessiert er sich für Systemtheorie und Open Innovation.
Am Freitag, dem 31. Januar 2014, feiert die Zeppelin Universität beim fünften Research Day wieder die Welt der Forschung. Los geht's um 13:30 Uhr an der Container Universität. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende der ZU stellen ihre aktuellen und gerade abgeschlossenen Forschungsprojekte vor. In jeweils 45-minütigen Beiträgen präsentieren ZU-Wissenschaftler bis 18.30 Uhr ihre Erkenntnisse. In Vorträgen, Präsentationen und interaktiven Einheiten werden Einblicke in die Ergebnisse der einzelnen Lehrstühle und Forschungsverbünde gewährt.
Im Anschluss lädt das artsprogram zum 27. Kunst-Freitag. Dort werden die künstlerischen Ideen für den HauptCampus und Film- und Soundinstallationen von Studierenden im OpenTestHouse und im Kunst-Bus vorgestellt.
Ihr Vortrag trägt den Titel „Die nächste Wirtschaft“. Wie charakterisieren Sie denn die „aktuelle“ Wirtschaft?
Dr. André Reichel: Die Wirtschaft, die wir heute noch beobachten können, fokussiert sich auf das Problem der Knappheit und versucht dieses zu überwinden, in dem immer neue Kombinationen von Produktionsfaktoren, immer neue Produkte und deren Märkte hervorgebracht werden. Paradoxerweise wird dadurch das Problem der Knappheit nicht gelöst, sondern immer neue Knappheit erzeugt. Knappheit wird damit als Unruheherd konserviert und stößt beständig neue Innovationsrhythmen an. Die Entscheidung, welche Produktionsfaktoren kombiniert, welche Produkte und Märkte realisiert werden, wird im Medium Geld getroffen, welches einen Rechenmaßstab liefert. Geld kann man zählen, so wie Dagobert Duck es macht, und eine Bottom Line ziehen. Die aktuelle Wirtschaft ist also untrennbar mit einer Geldwirtschaft verbunden.
Wie entwickelt sich denn unsere Wirtschaft weiter und wann gelangen wir auf der nächsten Stufe an?
Reichel: Zwei Richtungen sind denkbar, vermutlich nur eine davon möglich. Entweder die Wirtschaft beschleunigt sich im Sinne einer weiteren Ausdifferenzierung in interne Bindestrichwirtschaften, wie es bei der Finanzwirtschaft ganz offensichtlich geschehen ist. Damit wird immer schneller immer mehr Knappheit erzeugt. Bis das System bricht, wie es 2008 gebrochen ist. Oder Wirtschaft entdifferenziert sich ein Stück vom Rest der Gesellschaft, bettet sich wieder ein in andere Systemzusammenhänge, wie es in manchen Organisationen der Wirtschaft, den Social Enterprises, in Teilen geschieht. Damit wird Knappheit nicht überwunden mit neuer Knappheit, das Problem der Knappheit wird reformuliert, und zwar als Überfluss: Weniger ist mehr als Axiom der nächsten Wirtschaft.
Post-Wachstum besagt, dass es etwas nach dem Wachstum geben muss. Wie könnte diese Wirtschaft grob aussehen?
Reichel: Stellen Sie sich ein perfektes Wesen, eine perfekte Form vor. Wie schaut das aus? Wie der Uroboros, die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Ein beständiges Werden und Vergehen ohne Abfallprodukte, ohne Ansammlung von Dingen, die wir nicht brauchen, bezahlt mit Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen, für eine Befriedigung, die nicht hält. Eine Wirtschaft, die sich selbst weitestgehend überflüssig macht und die Notwendigkeit des Wirtschaftens in den Hintergrund rückt. Wo sie auch hingehört.