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Prof. Dr. Jörn von Lucke hat seit 2009 den Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universität inne und leitet als Gründungsdirektor das dort angesiedelte Deutsche Telekom Institute for Connected Cities (TICC). Er studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim. Darauf folgten Promotion und Habilitation an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Über fünf Jahre arbeitete er als Forschungs- und Sektionsreferent am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung an der DHV Speyer. Nach zwei Jahren im Bundesverwaltungsamt wechselte er 2007 an das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme in Berlin. Zwei Jahre darauf übernahm er den Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik am TICC der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Der Forschungsfokus von Jörn von Lucke liegt innerhalb der Verwaltungsinformatik auf den Themen E-Government und Hochleistungsportalen, mit einer Fokussierung auf die aktuellen Web 2.0-Themen Open Government, Open Data und Open Government Data.
Im Dezember 2014 referierte von Lucke auf dem Kongress MODERNER STAAT erstmals zum Themenkomplex Verwaltung 4.0 und präsentierte Ideen, um Bürger und Städte intelligent zu vernetzen. Die passenden Unterlagen zum Vortrag lassen sich online abrufen.
Dieser Fragestellung angenommen hat sich ein Forschungsteam aus Wissenschaftlern vom The Open Government Institute (TOGI) der Zeppelin Universität sowie des FOKUS Fraunhofer Instituts, das mit Hilfe des Konzepts „Verwaltung 4.0“ nach Innovationen und Lösungsansätzen für zukünftige verwaltungswissenschaftliche Problemstellungen sucht.
Erste Einblicke in die Idee der „smarten City“ der Zukunft erhielten die Zuhörer des 6. Research Day der Zeppelin Universität durch Professor Jörn von Lucke, der in Form eines Werkstattberichts in die Thematik einführte und einen kurzen Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand präsentierte.
Es ist eine beeindruckender Anblick: Eine vollautomatische Fabrik, in der Sensoren messen, analysieren und steuern, intelligent lernen und dadurch zur Prozessoptimierung beitragen. Während die Integration sogenannter „cyberphysikalischer Systeme“, sprich intelligenten digitalen Steuerungselementen, in Produktions- und Logistikprozesse zu einer effizienteren und erfolgreicheren „Industrie 4.0“ geführt hat, befindet sich die staatliche Verwaltung, wie Prof. Jörn von Lucke beschreibt, oft noch im Zeitalter der „Verwaltung 0.4“ anstelle von „4.0“.
Begründet wird dieser Rückstand vor allem damit, dass smarte Innovationstechnologien sich zunächst meist auf wertschöpfungsorientierte Bereiche beschränken und erst später auch für andere Zwecke wie die öffentliche Verwaltung eingesetzt werden.
Dennoch steht außer Frage, dass sich die Herausforderungen des modernen Staates des 21. Jahrhunderts nicht ohne die Integration digitaler Innovationen bewältigen lassen werden: Während der demographische Wandel und die daraus resultierende angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst schon in wenigen Jahren Einsparungen unabdingbar machen wird, bieten gerade IT-basierte Ansätze die Möglichkeit, den Staat durch Effizienzsteigerungen handlungsfähig zu halten.
Im Kern geht es bei „Verwaltung 4.0“ also, so von Lucke, darum, „wie sich Regierungs- und Verwaltungshandeln anpassen muss und wie sich diese Optimierungen auf Staat, Bürger und Verwaltungshandeln auswirken“. Zentral ist in der sogenannten „Häfler Definition“ von Verwaltung 4.0 die Einbindung digitaler Systeme und der Entwicklung schneller Verknüpfungen zwischen smarten Behörden, deren Dienste und den Bürgern.
Konkret ausgearbeitet hat das Forschungsteam um Jörn von Lucke über 10 verschiedene Anwendungsszenarien für cyberphysikalische Verwaltungssysteme, die von der Feuerwehr über Gerichte und Justiz bis hin zur Kulturverwaltung reichen:
Die smarte Feuerwehr 4.0 der Zukunft in etwa könnte durch permanente Standortübermittlung Einsatzkräfte effektiv koordinieren, der moderne Feuerwehrmann durch intelligente Kleidung wie Sensorengürtel oder E-Brillen stets in Echtzeit über Temperatur, Gasentwicklung und sonstige Gefahrenquellen informiert werden.
Auch im Bereich der Justiz- und Gerichtsverwaltung ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten: Denkbar sind hierbei große Einsparungen bei der Gefängnis- und Gefangenenverwaltung durch den Einsatz intelligenter Fußfesseln für Straftäter. Während sensorgestützte Technologien wie Lügendetektoren mit dem deutschen Normenverständnis wohl kaum vereinbar wären, könnte im Bereich der Prozessoptimierung eine gemeinsame elektronische Fallakte für Anwälte und Richter Ressourcen einsparen und Synergien bündeln.
Vor dem Hintergrund der zum Teil sehr langen Durchlaufzeiten in deutschen Gerichtsverfahren wäre ein intelligenter Richterarbeitsplatz ein gutes Mittel, Personal mit Hilfe digitaler Systeme zu entlasten und es dem Richter zu ermöglichen, sich auf die Kernbereiche seines Tätigkeitsfelds zu konzentrieren.
Sogar bei der Landwirtschaftsverwaltung lassen sich Szenarien entwerfen, in denen intelligente Systeme Herkunftswege von Nahrungsmitteln leicht nachverfolgen und überprüfen lassen.
Und auch die Kritiker der „Mindestlohn-Bürokratie“ könnten verstummen, wenn auf dem Gebiet der Finanzverwaltung digitale Lösungsansätze zur Effizienzsteigerung beitragen.
Für den Amtsverkehr der öffentlichen Verwaltung ist in Deutschland die Einführung der elektronischen Akte ab 2020 per Gesetz vorgesehen, doch bis dahin und darüber hinaus ist es noch ein weiter Weg: Für Professor Jörn von Lucke liegt es „nun an uns, was wir daraus machen“. Demnach müssten bestehende Systeme nicht nur weiterentwickelt, sondern strategisch gänzlich neu aufgestellt werden. Dabei sei es oft schwierig, in einem föderalen Mehrebenenstaat wie Deutschland nachhaltig an Reformen zu arbeiten, zumal hierfür nicht nur technisches Know-How, sondern vor allem auch politischer Wille nötig sei.
Dennoch ist auf dem Weg in den modernen Staat für von Lucke ein Umdenken unverzichtbar: Konzepte wie die Bürgerhotline 115 oder das OpenData-Informationsportal service-bw.de zeigen, dass wo ein Wille ist, auch Wege gefunden werden. Und so forscht man am TOGI weiter an der effizienten, bürgernahen Verwaltung des 21. Jahrhunderts.
Titelbild: Dennis Skley / flickr.com (CC-BY-ND-2.0)
Bilder im Text: Maximilian Haack / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
Nicolas Piepenstock / Zeppelin Universität
Jörg Kantel / flickr.com (CC-BY-NC-ND 2.0)
Bob Mical/ flickr.com (CC-BY 2.0)
Redaktionelle Umsetzung: Marcel Schliebs, Florian Gehm