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Thilo Roth studiert zur Zeit im 7. Seemester Corporate Management and Economics. Schon vorher durchlief er einige Stationen - Roth ging in 4 verschiedenen Ländern zur Schule. Auch letztes Jahr zog es ihn wieder ins Ausland: Roth absolvierte ein Auslandssemester in Peking und machte dort ein Praktikum bei BMW.
Wer Drogen kaufen möchte, tut dies zumeist auf zwielichtigen Plätzen, auf der Straße, beim Dealer seines Vertrauens. Dabei herrscht eine hohe Intransparenz. Wie ist die Qualität der Ware? Wie kann das Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet werden? Fragen, die auf diesem illegalen Markt nicht beantwortet werden können. Was muss man also tun, um „guten Stoff“ bekommen zu können? Die Antwort schein zu lauten: Im Darknet kaufen.
Denn auf Marktplätzen im Darknet kann man hingegen Angebote vergleichen – deshalb hat ZU-Student Thilo Roth sich mit der Frage beschäftigt, ob sich illegale Märkte für mehr Markt- und Informationstransparenz sorgen – und so vielleicht auf dem Weg zum „perfekten“ Markt sind.
Doch was ist dieses Darknet überhaupt? Manch einer bezeichnet es als „das Internet, vor dem unsere Eltern uns gewarnt haben“. Herein kommt man nicht mit einem normalen Browser, sondern muss sich erst einmal eine adaptierte Browser-Version downloaden. Denn das Darknet betritt man nicht über „normale“ Internetseiten, sondern über komplizierte Adressen wie „http://wikitjerrta4qgz4.onion/“ für das sogenannte „Hidden Wiki“. Wer nicht den ganauen Pfad seines Zielortes kennt, hat kaum eine Chance, dorthin zu gelangen. Die Kommunikation läuft verschlüsselt über mehrere Server, was das Auffinden einzelner Akteure nahezu unmöglich macht. Wurde das als „Tor“ (The onion router) bezeichnete Netzwerk ursprünglich von der US Navy entwickelt, um eine sichere Kommunikation zwischen verschieden Regierungsabteilungen zu ermöglichen, wird es heute für eine breite Masse an Anwendungsmöglichkeiten im Darknet genutzt, da so eine anonymisierte Kommunikation sichergestellt werden kann.
Bezahlen kann man – auch aus Anonymitätsgründen – lediglich mit der Online-Währung Bitcoins, welche man im Netz im Tausch gegen echtes Geld erwerben kann. Zu den bekanntesten Marktplätzen zählte wohl die „Silk Road“, auf der digitale Güter sowie Drogen gehandelt wurden und dessen Betreiber gerade der Prozess gemacht wird; nach seinem Schuldspruch wird mit einer Haftstrafe von mindestens 30 Jahren gerechnet – die Anklagepunkte lauten Drogenhandel, Geldwäsche, Auftragsmord, wobei letzterer nicht einmal im aktuellen Verfahren verhandelt wurde.
ZU-Student Thilo Roth hat sich nun mit dem Verhalten von Drogenverkäufern auf Markplätzen im Darknet angeschaut. „Ich wollte damit Rückschlüsse auf das generelle Verhalten auf illegalen Märkten ziehen können“, erklärt der CME-Student im siebten Semester. „Da Händler ihre Produkte dort offen bewerben und verkaufen und Kunden diese bewerten können, sind einige fundamentale Strukturprobleme illegaler Märkte ausgeschaltet und Händler stehen auf einmal in einem offenen Wettbewerb. Das bedeutet, Qualität kann sich theoretisch durchsetzen – unter anderem, da man sich auch durch Qualitätsbewertung eine Reputation aufbauen kann.“ Um zu überprüfen, ob sich das Online-Angebot wirklich von dem deutscher „Straßenverkäufer“ unterscheidet, hat er sich auf Cannabis- und Kokainangebote deutscher Darknet-Verkäufer konzentriert. Roth erläutert: „Ich habe Preise und Qualität betrachtet und diese mit dem deutschen Durchschnitt verglichen, der von der UN ermittelt wurde – natürlich sind dies keine eindeutigen Kennzahlen, aber zumindest ein Ansatzpunkt.“ Dabei konnte er herausarbeiten, dass die Preise online zwar leicht über den durchschnittlichen Preisen in Deutschland liegen, die Qualität hingegen überdurchschnittlich hoch ist. „Positive Bewertungen der von mir untersuchten Verkäufer lagen sogar bei 99%“, erklärt Roth.
„Märkten im Darknet gelingt es, fundamentale Probleme illegaler Märkte zu lindern – Produkte können offen beworben und bewertet werden und Händler und Kunden aus verschiedenen sozialen Kreisen können zusammenkommen, was das Angebot deutlich erweitert“, legt Roth dar. Denn ist der „normale“ Drogendealer klar an sein soziales Netzwerk und seinen Standort gebunden, erschließen sich durch das Internet ganz neue Märkte. Statt am U-Bahnhof Cottbusser Tor in Berlin zu stehen und auf seine Kundschaft zu warten, sitzt der Dealer nun vor dem Rechner und ermöglicht Kauf und Verkauf auch über weitere Strecken – Kokain aus Berlin in München zu kaufen ist hier kein Problem mehr. „Dadurch wächst auch der Wettbewerb zwischen den Anbietern, womit eine Qualitätssteigerung und eine höhere Produktvarianz einhergehen, sodass jeder Anbieter versucht, eine eigene Nische zu besetzen.“ Das Verhalten von Angebot und Nachfrage im Darknet folge somit ökonomischen Theorien, da „sich augenscheinlich schlechte Angebote nicht halten können – Qualitätssteigerung und Produktvarianz zeigen dies deutlich auf“, so Roth.
Doch wie funktioniert der Handel auf den Marktplätzen im Darknet genau? „Am besten lässt dies vermutlich an einem Beispiel erklären,“ holt Roth aus: „Beispielsweise möchte ein Kunde online 1 Gramm Kokain für 80€ kaufen. Er sucht sich das entsprechende Angebot aus, die Entscheidung fällt er vermutlich basierend auf Händlerbewertungen und Reinheit des Kokains. Dann überweist er dem Betreiber des Marktplatzes die 80€ in Form von Bitcoins. Diese Währung lässt sich übrigens ganz legal an verschiedenen Handelsplätzen erwerben. Sobald der Betreiber des Marktplatzes die Bitcoins erhalten hat, informiert er den Händler über den Verkauf und dieser verschickt das Kokain an den Kunden. Sobald der Kunde das Kokain erhalten hat, bestätigt er dies dem Betreiber des Marktplatzes und dieser überweist die 80€ dem Händler. Danach können sich Händler und Kunden gegenseitig bewerten. Für seine Mühen behält der Betreiber eine Provision ein“, erläutert Roth. Der Handel verläuft somit nicht direkt, sondern über einen zwischengeschalteten Betreiber, sodass kein „natürliches Vertrauen“ zwischen Kunde und Händler vorliegen muss – ein Mechanismus, den es auch bei legalen Marktplätzen zu beobachten gibt.
Ist das Darknet also eine Art „eBay der Zukunft“ für illegale Waren? Roth vermutet, dass sich der Handel mit illegalen Waren immer weiter ins Darknet verschieben könnte. „Es bietet schlichtweg zu viele Vorteile gegenüber dem Straßenhandel,“ sagt er und spielt erneut auf das breitere Sortiment, bessere Qualität, niedrigere Transaktionskosten und die Wahrung von Anonymität an. Nichtsdestotrotz bestehen noch einige Gefahren. Bestelltes kann stets abgefangen werden und der Umgang mit sensiblen Daten wie der Adresse ist teils ebenso fraglich. Weiterhin passiert es auch immer wieder, dass ganze Marktplätze über Nacht verschwinden, wie vor kurzem mit dem zweitgrößten Marktplatz, Evolution, geschehen ist. „Dabei sind geschätzt Bitcoins im Wert von 12 Millionen Dollar mitverschwunden. Auch sämtliche hinterlegten Beiträge sind weg,“ urteilt Roth.
Unter dem Radar entgehen staatlichen Institutionen im Darknet wahrscheinlich unzählbare Straftaten, Einnahmen, verfassungswidrige Äußerungen. Zunehmend rückt nun das Vorgehen gegen Betreiber, Verkäufer und Kunden in den Fokus einiger Behörden. „Momentan wird versucht, die Marktplatzbetreiber zu finden und zu verhaften, was beispielsweise bei ‚Silk Road‘ und ‚Silk Road 2‘ passiert ist. Auch Verkäufer können manchmal aufgefunden werden – ‚shiny-flakes‘, ein Leipziger Online-Dealer, wurde vor kurzem festgenommen – inklusive 320 Kilogramm Drogen in seiner Wohnung. Doch es wird immer schwieriger für den Staat, effektiv eingreifen zu können“, erklärt er. Die Marktplatzbetreiber und Verkäufer würden dazulernen. Mittlerweile planen sie einen dezentralen Marktplatz, der auf keinem zentralen Server mehr läuft und somit gar nicht mehr geschlossen werden könnte. Somit bleibt fraglich, wie der Kampf gegen den organisierten Drogenhandel in Zukunft wohl aussehen wird. „Sicherlich auch ein spannendes Forschungsfeld“, gibt Roth interessiert zu. „Grundsätzlich ist das Darknet noch relativ unerforscht. Ich habe mir den deutschen Markt angeschaut, den man als eher unbedeutend konstatieren kann. Zukünftige Arbeiten sollten ihren Blick vor allem auf wichtigere und größere Umschlagsplätze wie die USA wenden.“ Nichtsdestotrotz bietet das Darknet „eine einmalige Chance, illegale Märkte empirisch zu untersuchen, da anderswo wenig Akteure offen für Befragungen sind“, schlussfolgert er. Etwas, das was wohl in der Natur der Sache liegt. So können wir nur gespannt beobachten, wie sich Marktplätze im Darknet sowie der Kampf gegen sie entwickeln werden und welche Erkenntnisse über illegale Märkte noch gewonnen werden können.
Titelbild: Ricardo Alguacil / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
Bilder im Text: "Silk Road Marketplace Item Screen" by Source, Licensed under Fair use via Wikipedia; Antana / flickr.com (CC BY-SA 2.0);
"Silk road payment" by U.S. Government, Licensed under Public
Domain via Wikimedia Commons; "Silk Road Seized" by Federal
Bureau of Investigation, Licensed under Public Domain via
Redaktionelle Umsetzung: Alina Zimmermann