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Am 19. Februar 1957 wird Rainer Wieland in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und dem Referendariat in Tübingen, Heidelberg und Stuttgart wird er als Rechtsanwalt tätig und ist bis heute Mitinhaber einer Kanzlei in Stuttgart. Seit 1999 lässt er allerdings jegliche Nebentätigkeit ruhen. Im Jahr 1997 wurde er erstmals Mitglied des Europäischen Parlaments. Seit 2009 ist er dort Vizepräsident und in dieser Rolle aktuell zuständig für die Gebäude und Infrastruktur sowie das Budget des Parlaments. Wieland ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Rainer Wieland, zugelassener Rechtsanwalt und Politiker, gehört seit 1997 dem Europäischen Parlament an und hat seit 2009 das Amt des Vizepräsidenten inne. Durch seine Mitgliedschaft in der „Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU“ verfügt er über vertiefte Einblicke in das Cotonou-Abkommen. Dabei handelt es sich um ein Abkommen zwischen der EU und einer Gruppe von afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten. Ziel ist es, Entwicklungshilfe zu leisten, Handel und Investitionen zu sichern sowie auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.
Im Rahmen des Cotonou-Abkommens kommt es zu regelmäßigen Treffen zwischen den AKP-Staaten und der EU. Die Themen dazu werden in Ausschüssen vorbereitet und dann im Plenum beschlossen. Eine Schwierigkeit dabei ist die Frage, ob es sich bei dieser Kooperation um eine Partnerschaft auf Augenhöhe handelt. „Häufig geht es um Bereiche, bei denen es uns gut und den AKP-Ländern schlecht geht – etwa, wenn es um Würde und Geld geht“, stellt Wieland fest. Die Industrialisierung spiele dabei eine wesentliche Rolle. Europäische Subventionen führen dazu, dass afrikanische Wettbewerber kaum eine Chance auf dem europäischen Markt hätten. Hinzu kommt die Problematik, dass in vielen afrikanischen Ländern Handelsketten und eine gewisse Infrastruktur fehlen. Als Beispiel nennt Wieland Mangos, die in Unmengen vorhanden, doch aufgrund der fehlenden afrikanischen Handelsketten schwer abzusetzen seien. Wohlhabendere Staaten mit entsprechender Infrastruktur dagegen würden davon profitieren.
Debatten und Verhandlungen bezüglich eines neuen Abkommens, das nach Februar 2020 in Kraft treten soll, laufen bereits auf Hochtouren. Entwicklungsorientiert und nachhaltig soll es sein – jedoch gestaltet sich das als schwierig. „Europa ist in seiner Handelspolitik zu aggressiv, um den AKP-Staaten Rahmenbedingungen zu geben, die ihnen Chancen eröffnen“, erläutert Wieland. „Einige europäische Staatschefs betreiben sogar lieber Geschäfte mit den Chinesen. Diese wiederum führen eine noch aggressivere Expansionspolitik in Kombination mit erpresserischen Maßnahmen in Afrika durch und interessieren sich nicht für Menschenrechte. Europa schon.“ Geprägt von diesen Schwierigkeiten müsse Europa seine Erwartungen herunterschrauben.
Zur Lösung des Problems schlägt der Gesprächsgast eine „Politik der Förderung von kleinen Einheiten“ vor: „Wir müssen eine gute Verwaltung etablieren und Korruption in den Griff bekommen.“ Auch der Zugang zu Wasser, eine lebenserhaltende Ernährung, Gesundheit und vor allem Bildung müssten gefördert werden. Denn nur so könne auch dem Bevölkerungswachstum effektiv entgegengewirkt werden. „Eine alte Regel besagt: Ein Jahr mehr Bildung, ist ein Kind weniger pro Frau“, so Wieland.
Die Komplexität der Rolle Europas kam auch im weiteren Verlauf der Veranstaltung zum Vorschein. Es sei klar, dass Europa die Entwicklungshilfe in Afrika nicht aus purer Nächstenliebe gestalte. „Länder, die Handel treiben, führen mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Kriege“, gibt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments zu bedenken.
Auf die Frage nach der Stellung Europas in unserer zukünftigen Welt gibt Wieland eine interessante Antwort: „Die Gretchenfrage für die Zukunft der Welt ist: G2 (USA und China) oder G3 (USA, China und Europa)? Es geht darum, ob Europa am Tisch sitzt oder auf der Speisekarte steht.“
Für den aus Herzen überzeugten Europäer, der auch seit 2011 Präsident der überparteilichen Europa-Union ist, steht fest: „Die Hauptaufgabe von Europa ist es, die Diskussionen zu führen, die geführt werden müssen.“ Sein finaler Appell lautet deshalb: „Wenn Sie Europa etwas Gutes tun wollen, gehen Sie zu Veranstaltungen und machen sie das Thema Europa zu einem wichtigen Thema! Engagieren Sie sich in einer Partei und diskutieren Sie. Auch die überparteilichen Jungen Europäischen Föderalisten freuen sich über jeden Zuwachs. Setzten Sie sich für Ihr zukünftiges Europa ein!“
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Bilder im Text:
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm