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Seychellen

Die Quadratur des Inselkreises

von Angelica V. Marte | Zeppelin Universität und Werner Zips | Universität Wien
08.08.2023
Auf den Seychellen wird Nachhaltigkeit schon lange als Fundament wirtschaftlicher Entwicklung betrachtet.

Dr. Angelica V. Marte
Gastwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ
 
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Auf den Seychellen wird Nachhaltigkeit schon lange als Fundament wirtschaftlicher Entwicklung betrachtet. Die zentrale Gleichung geht ungefähr so: Tourismus ist die einzige nennenswerte Handelsware des Inselstaates im westlichen Indischen Ozean. Sein Schlüsselfaktor ist die natürliche Umwelt. Ohne nachhaltige Entwicklung daher kein Tourismus und keine wirtschaftliche Entwicklung.


Soweit der unbestrittene Konsens auf den Seychellen. Doch auch hier – im viel gerühmten Paradies auf Erden – finden sich zahlreiche Belege für die alte Binsenweisheit, dass der Teufel im Detail steckt. Nachhaltigkeit, Artenschutz und Tourismus bedingen sich hier zwar in unvergleichlichem Ausmaß, doch das allein neutralisiert das Spannungsverhältnis noch lange nicht. Das zeigen die großen gegenwärtigen Herausforderungen: die auf fossilen Brennstoffen beruhende Energieversorgung; der kräftig CO2 produzierende öffentliche Nahverkehr mit ausrangierten indischen Tata-Bussen; mehrere Großbauprojekte an einigen der schönsten Strände der Hautpinsel Mahé.

Bedrohtes Paradies: Auch vor den Seychellen macht der planetare Klimawandel keinen Halt und gefährdet die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.
Bedrohtes Paradies: Auch vor den Seychellen macht der planetare Klimawandel keinen Halt und gefährdet die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.

Round Island – das unsichtbare Luxusresort

Dass es auch anders geht, veranschaulicht das Beispiel einer winzigen kreisrunden Insel vor Victoria, der Hauptstadt der Seychellen. Round Island liegt mitten im Sainte-Anne-Marine-Nationalpark, dem ältesten Naturschutzgebiet auf den Seychellen, das 1973 – drei Jahre vor der Unabhängigkeit von Großbritannien – gegründet wurde. Seit 2005 ist die ehemalige Leprainsel aus der Kolonialzeit im Privatbesitz von Sunil Shah, einem Seychellois aus einer alteingesessenen indischen Einwandererfamilie. Sein Angebot erhielt den Zuschlag, weil er sich glaubhaft verpflichtete, die Insel touristisch zu entwickeln, ohne das sensible Ökosystem zu belasten. Aber wie lässt sich ein Luxusresort errichten, dessen Existenz unmerklich und geradezu unsichtbar sein sollte? In seinen eigenen Worten klingt die Grundidee des Entwicklungsplans so:


„Es gibt keinen Architekten auf dieser Welt, der die Schönheit dieses Ortes in den Schatten stellen kann. Unser Architekt meinte nur: ,Ok, dann ist meine Aufgabe sehr einfach. Wir werden nicht mit der Insel konkurrieren. Alles, was ich tun werde, ist, deinen Gästen ein Dach über dem Kopf zu geben.‘ Nun, jetzt haben wir Villen mit Decks, privaten Pools und Zugang zu Stränden. Aber das alles ist so gestaltet, dass es fast unsichtbar ist. Nachdem sich die Natur rasch von den Bauarbeiten erholt hat, erkennt man mittlerweile kaum noch, dass es auf dieser Insel überhaupt ein Luxusresort gibt. Alles verschwindet in der üppigen Vegetation.“


Dazu braucht es ein Weltbild, das auf Weitblick beruht. Vor allem im Hinblick auf nachfolgende Generationen, aber auch auf die (Natur-)Geschichte eines Ortes und damit auf alle nicht-menschlichen Lebensformen. Für Sunil Shah, der sich selbst als Entrepreneur und Geschäftsmann sieht, bedeutet das, sich selbst in Zeit und Raum zu verorten:


„Diese Insel ist Hunderte von Millionen Jahre alt. Ich bin gerade auf der Bildfläche aufgetaucht. Nach geologischen Begriffen ist unsere individuelle Existenz nicht einmal der Bruchteil einer Millisekunde. Aber was wir während unseres begrenzten Lebens auf diesem Planeten tun, hat einen enormen Einfluss auf den Planeten, auf die Geografie des Planeten. Man muss sich also immer dessen bewusst sein und sensibel für die Umwelt bleiben. Wenn Du selbst einmal Geschichte bist, stellt sich die Frage, ob dein Erbe all deine Bemühungen wert war.“


Aus der Sicht von Ökologie und Nachhaltigkeit beantworten nicht nur menschliche Nachkommen diese Frage, sondern alle Lebewesen durch ihre immer stärker bedrohte Existenz. Auf den Seychellen steht vor allem die marine Biodiversität im Mittelpunkt der meisten Anstrengungen. Wie anderswo Pandabären, Tiger oder Elefanten braucht es auch hier Ikonen des Artenschutzes. Für den Schutz der Meeresschildkröten, die fast alle Besucher:innen sehen wollen, beschäftigen große Resorts Meeresbiolog:innen, die oftmals mit einem eigenen Sustainability Management zusammenarbeiten. Die Insel Félicité ist so ein Beispiel. Sie gehört zu den wichtigsten Geburtsinseln der vom Aussterben bedrohten Echten Karettschildkröte und der Grünen Meeresschildkröte.

Hat die nachfolgenden Generationen, aber auch die (Natur-)Geschichte der Seychellen im Blick: der Entrepreneur und Geschäftsmann Sunil Shah.
Hat die nachfolgenden Generationen, aber auch die (Natur-)Geschichte der Seychellen im Blick: der Entrepreneur und Geschäftsmann Sunil Shah.

Die Geburtsinseln der Schildkröten

Plötzlich regt sich Leben in der Sandmulde. Die Meeresbiologin und Schildkrötenforscherin Lara Kalisch und die Nachhaltigkeitsmanagerin Lucie Bennett werden zu Geburtshelferinnen. Denn ohne ihre Unterstützung könnte sich die unterste Lage der zappelnden Grünen Meeresschildkrötenbabys nicht befreien. In den Eikammern brüten mitunter mehr als 130 Eier rund zwei Monate vor sich hin. Ohne Zutun der Muttertiere, die ihre Jungen nie zu Gesicht bekommen. Wenn der erste Schlüpfling die Eischale durchbricht, ist es das Signal für alle anderen. Dann beginnt das große Wettgraben, das zumeist auch Verlierer kennt: Manche Schlüpflinge schaffen es selbst aus eigener Kraft nicht an die Strandoberfläche. Ohne menschliche Hilfestellung dienen sie allen anderen als Trittbrett ins Leben.


Aufgrund der Bedrohungslage für die gesamte Art, greifen Naturschützer:innen in den natürlichen Kreislauf ein. Durch die Nestausgrabungen erhalten sie auch notwendige wissenschaftliche Daten. Grüne Meeresschildkröten gelten als gefährdet, Echte Karettschildkröten sogar als akut vom Aussterben bedroht. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie rund 90 Prozent ihres Bestandes eingebüßt. Für Lara und Lucie auf der Insel Félicité ist das Befreien der Schlüpflinge der bei weitem befriedigendste Teil ihrer Arbeit.


Jeden Morgen während der Schlüpfsaison überprüfen sie die markierten Nester. Wenn sie sehen, dass die Jungtiere eines der Nester während der Nacht verlassen haben, erlauben sie den Gästen des einzigen Resorts auf Félicité, bei der professionellen Nestausgrabung im Auftrag der Schildkröten-Schutzorganisation „Olive Ridley Project“ dabei zu sein. Nicht nur für Kinder gibt es kein größeres Highlight, als die zappelnden Winzlinge zumindest mit den Augen auf ihren ersten Lebensmetern zu begleiten. Vor gar nicht so langer Zeit wäre so ein Eingriff in natürliche Abläufe noch verpönt gewesen. Aber längst sind die ökologischen Zusammenhänge vom Menschen so auf den Kopf gestellt, dass jedes Schildkrötenleben zählt. Zumal die Forschung davon ausgeht, dass von 1000 geschlüpften Babys nur eines das Erwachsenenalter erreicht.


Lara Kalisch und Lucie Bennett achten jedoch sehr darauf, dass sie es ihren Schützlingen nicht zu leicht machen. Sobald die Kleinen den Kraterrand der Eikammer erreicht haben, sind sie auf sich allein gestellt. In diesen entscheidenden Augenblicken prägen sie sich die exakte Geburtsstätte auf immer noch nicht restlos geklärte Weise ein. Philopatrie oder Brutortstreue heißt der zoologische Fachbegriff für die erstaunliche Fähigkeit der geschlechtsreifen Weibchen, nach Jahren exakt an ihren eigenen Geburtsstrand zurückzukehren. Es wird angenommen, dass sie sich bereits im Nest und dann auf den ersten Metern ins Meer entwickelt. Strandcharakteristiken wie Geruch, niedrig-frequente Geräusche, Magnetfelder, saisonale Meeresströmungen und sogar Sternbilder könnten dabei eine Rolle spielen. Doch diese Fragen beschäftigen die menschliche Forschung. Für die Kleinen, die vom ersten Moment an um ihr Leben kämpfen, ist all das das geringste Problem.


Für eines der Babys kommt es sofort zum großen Drama. Auf seinem schnellsten Weg zum Meer liegt ein Felsen. Und die Bergbesteigung in der ersten Lebensminute endet unweigerlich mit einem Absturz. Unsanfte Landung auf dem Rücken. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie sich vor den angstgeweiteten Augen der menschlichen Beobachter aufrappelt. Doch zum Schrecken aller Anwesenden will sie die Bergbesteigung erneut beginnen, um endlich festzustellen, dass das eher kein guter Plan ist. Dann endlich hat sie den Weg zwischen den Felsen gefunden und zappelt los. In wenigen Sekunden hat sie sich auf ihren Flossen bis zum Meer durchgekämpft und verschwindet als Metapher für die Verletzlichkeit aller Lebewesen in den unendlichen Fluten des Indischen Ozeans.

Wenn die ersten Schritte im Leben einer Schildkröte geglückt sind: eine kürzlich geschlüpfte Grüne Meeresschildkröte im Indischen Ozean.
Wenn die ersten Schritte im Leben einer Schildkröte geglückt sind: eine kürzlich geschlüpfte Grüne Meeresschildkröte im Indischen Ozean.

Seychellen sind globalen Risken ausgesetzt

Allgemeine Erleichterung bei den beglückten Tourist:innen. Lara Kalisch dagegen sorgt sich grundsätzlich über das Überleben der Meeresschildkröten. In vielen Ländern werden sie durch illegale Jagd nach Schildpatt sowie Wilderei bedroht, die ganze Gehege leert, weil den Eiern fälschlicherweise Potenz steigernde Wirkung nachgesagt wird. Auch der Konsum der mittlerweile weltweit verbotenen Schildkrötensuppen will nicht aufhören. Auf den Seychellen werden sie zwar streng geschützt und sind diesen unmittelbaren Gefahren weniger ausgesetzt, werden jedoch oft von streunenden Hunden ausgegraben. Doch von den globalen Risken des Klimawandels, des industriellen Fischfangs und der Vermüllung der Ozeane durch Plastik sind auch die Seychellen betroffen, wie Lara in ihren Schildkrötenpräsentationen für interessierte Reisende auf Félicité beschreibt:


„Acht Millionen Tonnen Plastik gelangen jedes Jahr in den Ozean. Ein riesiges Problem für Meeresschildkröten. Manchmal verwechseln sie das Plastik mit Nahrung. Wenn sie Plastiktüten fressen, gibt ihnen das ein falsches Sättigungsgefühl, das sie letztlich verhungern lässt. Es kann auch das sogenannte Auftriebs- oder Luftballonsyndrom verursachen, wenn sich eine Gasansammlung im Körper der Meeresschildkröte bildet, die sie an die Meeresoberfläche zwingt und ihr Abtauchen verhindert.“


Manche Plastiksäcke besitzen große Ähnlichkeit mit Meeresquallen und werden deshalb von manchen Arten mit ihrer Lieblingsbeute verwechselt. Nach neueren Studien könnte aber auch der Geruch des Plastiks zu dieser Verwechslung führen. 225 Millionen Jahre Evolution haben die „Urtiere der Ozeane“ (WWF) jedenfalls nicht auf die Zumüllung der marinen Ökosysteme durch den Menschen vorbereitet. Dazu kommen weitere Gefahren durch die Klimakrise, die für Meeresschildkröten Existenz bedrohend sind. Auf den Seychellen werden viele Sandstrände durch die Erosion bedroht, die mit den steigenden Meeresspiegeln und zunehmenden Extremwetterereignissen zu tun hat. Keine Woche vergeht, ohne dass Staatspräsident Wavel Ramkalawan in den Hauptnachrichten des staatlichen Fernsehens beim Lokalaugenschein eines besonders von Erosion bedrohten „Traumstrandes“ gezeigt wird. Wie man den Gletschern weltweit beim Schmelzen zusehen kann, müssen die Seychellois das „Schmelzen“ ihrer wichtigsten Tourismusattraktion miterleben.

Setzen sich unermüdlich für den Erhalt der Meeresschildkröten ein: Die Meeresbiologin und Schildkrötenforscherin Lara Kalisch und die Nachhaltigkeitsmanagerin Lucie Bennett (v. l.).
Setzen sich unermüdlich für den Erhalt der Meeresschildkröten ein: Die Meeresbiologin und Schildkrötenforscherin Lara Kalisch und die Nachhaltigkeitsmanagerin Lucie Bennett (v. l.).

Das Verschwinden der Strände

Auf Cerf Island, das wie Round Island ebenfalls im Sainte-Anne-Marine-Nationalpark liegt, sorgt sich die Hotelbesitzerin Delta Ward Horner nicht nur um ihr Resort, sondern auch um ihren Privatbesitz:


„Die Erosion betrifft die gesamte Strandfläche vom Hotel bis zu meinem Haus. Früher gab es hier einen Weg am Strand entlang. Der ist verschwunden, jetzt müssen wir über ein fremdes Grundstück gehen. In den vergangenen Jahren ist der Meeresspiegel gestiegen und trägt zur Erosion bei. Wenn es so weitergeht, wird als erstes mein Haus vom Meer verschlungen werden.“


Die Erosion macht selbst vor Kultstränden wie dem Côte d’Or – der Goldküste von Praslin – nicht halt. Hugh Payet, Gründer und Betreiber des Acajou Resorts, kennt dafür auch lokale Begleitumstände der globalen Auswirkungen:


„Viele Hotelbesitzer haben die Strandvegetation fast völlig beseitigt, um ihren Gästen direkten Meerzugang und paradiesische Ausblicke zu verschaffen. Das war leider sehr kurzsichtig, denn die Mangroven und andere Strandpflanzen verhindern, dass das Meer den Sand wegträgt. Wir haben die natürliche Vegetation völlig beibehalten. Unsere Gäste haben von Restaurant und Bar deshalb leider keinen Meerblick, aber dafür haben sie noch den Sandstrand, der bei vielen anderen stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist.“


Ein Drohnenbild zeigt klar, was damit gemeint ist. Dieses Resort verbirgt sich hinter dem natürlichen Schutzschild der Vegetation. Zunehmend versuchen mehrere Hotelanlagen, ihre Strandlinie neu zu bepflanzen. Renaturalisierung gilt auf den Seychellen als Wort des Jahres und Gebot der Stunde.

Der Kampf um die Riffe

Was staatliche und private Initiativen an Land erreichen wollen, setzen manche Hotelbetriebe unter Wasser um. Gemeinsam mit Nature Seychelles – der vielleicht wichtigsten Umweltorganisation des Inselstaates – bemüht sich das Luxusresort Raffles, das Korallenriff am Anse Takamaka zu retten. Hier wurde ein ehrgeiziges Korallenzuchtprojekt gestartet, um dem Korallensterben – das längst auch die Seychellen erfasst hat – entgegenzuwirken. Zwischen 80 und 90 Prozent der Riffe rund um die Hauptinseln sind mittlerweile Unterwasserwüsten. Mithilfe einer bereits an anderen Orten erprobten Technik wurden künstliche Riffe geschaffen, die sich mit den verbleibenden natürlichen Riffen zu einer organischen Einheit verbinden sollen. Luke Groves verbrachte als geborener Australier den größten Teil seiner Jugend am berühmten Great Barrier Reef. Als Verantwortlicher für das Korallenwiederansiedlungsprojekt erklärt der leidenschaftliche Taucher die Strategie:


„Gemeinsam mit Nature Seychelles haben wir Korallenriffsterne errichtet, an denen wir nachgezüchtete Korallen aus unserem Korallengarten befestigen. Rund 80 Fragmente pro Stahlrahmen. Der Standort unseres Riffprojektes befindet sich in der Nähe eines bestehenden Korallennetzwerkes. Wir hoffen, dass sich die Eier dieser Korallen auch an unserem Riffprojekt festsetzen und zu dessen Wachstum beitragen.“


Korallen laichen einmal jährlich. Die Larven werden von der Meeresströmung auch im künstlichen Riff verbreitet. Für den Biologen und CEO von Nature Seychelles Nirmal Shah ist die Bewahrung der letzten intakten Korallenriffe von größter Dringlichkeit:


„Korallenriffe, Seegräser, Algenbänke bilden das gesamte Ökosystem für alle anderen. Korallenriffe sind wie die Regenwälder des Meeres. Hier im westlichen Indischen Ozean haben wir ein riesiges Problem mit marinen Hitzewellen. Korallen und viele andere Meeresorganismen, die in ihrer Existenz von intakten Korallenriffen abhängen, werden davon akut bedroht. Ohne Korallenriffe geht das ökologische Gleichgewicht verloren und der Artenreichtum verringert sich dramatisch. Plötzlich entstehen Kipppunkte. Du denkst, der Tierwelt geht es ganz gut, dann passiert mit einem Schlag etwas und alles stirbt. Es liegt daran, dass all diese Dinge auf unerwartete Weise zusammenkommen.“


Lara Kalisch auf Félicité hat dafür ein trauriges Beispiel, das die Echten Karettschildkröten zum Aussterben bringen könnte: „Die Erwärmung der Ozeane und Strände könnte ihr sensibles Geschlechtergefüge stören.“ Denn die Sandtemperatur entscheidet über die Geschlechtsentwicklung in den befruchteten Eiern – und nicht der Gencode wie beim Menschen. Wärmere Temperaturen lassen den Anteil der Weibchen zu Lasten der Männchen steigen. Im Extremfall könnten sogar nur Weibchen geboren werden. Das könnte die Fortpflanzungsfähigkeit einer ganzen Art beeinträchtigen. Während die Tourist:innen bereits wieder am Strand liegen, messen Lara und Lucie die Temperaturen der Eikammer und erheben andere wichtige Daten für die Forschung.


Sie wissen, dass die Zeit nicht auf ihrer Seite ist. Von sieben Meeresschildkrötenarten sind zumindest sechs gefährdet. Umso wichtiger ist es, dass Naturschutz und Tourismus eng zusammenarbeiten, wie es Félicité und einige andere Beispiele vorleben. Nachhaltigkeitsmanagement – wie hier von Lucie Bennett vorangetrieben – kann zwar die globale Meeresverschmutzung und die Auswirkungen des Klimawandels nicht beeinflussen, aber immerhin dafür sorgen, dass auf einer ganzen Insel kein zusätzlicher Plastikmüll anfällt. Zudem klärt sie die Sonnenhungrigen über die Dos and Dont‘s im Umgang mit Schildkröten sowie die Gefahren von Sonnenöl für die Riffe auf. Wenn eine Insel wie Felicité eine eigene Glasflaschenproduktion für sauberes Trinkwasser bauen kann, warum dann nicht der Rest der Seychellen.

Wie kaum eine andere Insel der Seychellen steht die von dichter Vegetation bedeckte Round Island für die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit, Artenschutz und Tourismus.
Wie kaum eine andere Insel der Seychellen steht die von dichter Vegetation bedeckte Round Island für die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit, Artenschutz und Tourismus.

Falsche Gegensätze

Beispiele wie Félicité auf den Seychellen belegen, dass Nachhaltigkeit, Artenschutz und Tourismus keine notwendigen Gegensätze sind, wie manchmal behauptet. Selbst ein kleines Hotelresort wie jenes von Round Island mit gerade einmal zwölf Bungalows kann über eine leistungsstarke Kläranlage verfügen. Ihr Abwasserkanal bewässert eine kleine Bananenplantage sowie die renaturierte Vegetation der Insel. Statt im Meer zu landen, wird alles Wasser direkt auf der Insel recycelt.


Sunil Shah dazu: „Alle reden über Umwelt, Umwelt, Umwelt. Doch die Umwelt hängt zu einem großen Teil auch von der Finanzierung ab. Beides geht Hand in Hand und schließt sich nicht gegenseitig aus. Das bedeutet, dass ein Luxusresort nicht zwingend die Umwelt vergewaltigt. Es bedeutet auch nicht, dass, sagen wir, eine Backpackerpension immer sensibel mit der Umwelt verfährt. Nachhaltigkeit ist so ein großes Wort. Es ist ein sehr mächtiges Wort. Aber jeder Mensch erschafft sich seine eigene Welt. Du bist der Architekt deines Glücks oder Unglücks. Wenn man das im Hinterkopf hat, ist Nachhaltigkeit einfach. Du erschaffst deine eigene kleine Welt, aber deine Welt ist mit der Welt als Ganzes verbunden. Das ist die einzige Welt, die wir haben. Alles, was man tut, muss daher nachhaltig sein.“

Titelbild und Bilder im Text:

| Angelica V. Marte und Werner Zips (Alle Rechte vorbehalten)

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