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Mietzner studierte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Betriebswirtschaftslehre. 2008 promovierte er an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel über „Changes in Corporate Governance and Corporate Valuation“. Vor seinem Wechsel an die ZU war er an der Technischen Universität Darmstadt tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Themen aktivistische Aktionäre, Corporate Governance sowie die sogenannten „Special Purpose Acquisition Companies (SPACs)“, also börsennotierte Gesellschaften ohne eigenes operatives Geschäft mit dem Ziel von Unternehmensübernahmen, und „Credit Default Swaps (CDS)“, die Kreditderivate zum Handel von Ausfallrisiken von Krediten.
In der Studie „Das Verhalten von Familienunternehmen gegenüber ihren Stakeholdern, Familienunternehmen und Stiftungen“ untersuchten Juniorprofessor Dr. Mark Mietzner und Professor Dr. Marcel Tyrell das Verhalten von börsennotierten Familienunternehmen im Vergleich zu börsennotierten Publikumsgesellschaften in rezessiven Phasen. Es ging bei der Untersuchung um 202 Familienunternehmen und 615 Nichtfamilienunternehmen.
Zu den Ergebnissen aus der Studie zählt neben der Erkenntnis, dass Familienunternehmen in Krisen seltener Mitarbeiter entlassen, auch, dass sie in rezessiven Phasen ein höheres bewertungsrelevantes Risiko aufweisen. Aus beiden Ergebnissen zusammengenommen schließen die Forscher, dass Familienunternehmen strukturell anders sind als Publikumsgesellschaften.
Mietzner, Mark, Tyrell, Marcel: Das Verhalten von Familienunternehmen gegenüber ihren Stakeholdern, Familienunternehmen und Stiftungen (FuS), 2012 (3): 108-113.
Sie kommen in einer ersten deutschlandweiten Studie über das Verhalten von Familienunternehmen in wirtschaftlichen Krisen zu dem Ergebnis, dass diese seltener als andere Unternehmen Mitarbeiter entlassen. Wie würden Sie das erklären?
Juniorprofessor Dr. Mark Mietzner: Familienunternehmen unterscheiden sich nicht nur beim Umgang mit Humankapital von Nichtfamilienunternehmen. Die Literatur ist sich auch weitgehend einig, dass sich Familienunternehmen sogar strukturell anders verhalten, weil die Eigentümer ihr Vermögen überwiegend in das eigene Unternehmen investiert haben. Damit ist zugleich auch das Wohlergehen der Unternehmerfamilie an die Weiterentwicklung und das Fortbestehen der Unternehmung gebunden. Die Manager agieren also risikoaverser, sind kooperativer im Umgang mit verschiedenen Anspruchsgruppen und haben meistens auch einen langfristigeren Entscheidungshorizont, um die Vermögensbasis der Familie letztlich nicht zu gefährden.
Warum wirkt sich das gerade auf Entlassungen aus?
Mietzner: Familienunternehmen sind typischerweise in arbeitsintensiven Branchen und seltener in kapitalintensiven Industrien zu finden. Das heißt, dass das firmen- und fachspezifische Wissen ihrer Mitarbeiter für sie besonders wertvoll ist. Durch ein ineffizientes Freisetzen von wichtigen Facharbeitern in konjunkturellen Schwächephasen befürchten Familienunternehmen, genau dieses für sie besonders wertvolle Humankapital zu verlieren. Aus diesem Grund entlassen die von uns untersuchten Familienunternehmen seltener und in einem geringeren Maße.
Sie stützen Ihre Aussagen nicht auf Daten über tatsächliche Entlassungen, sondern auf deren Ankündigungen in Pressemitteilungen. Vielleicht gehen Familienunternehmen einfach anders mit Nachrichten über Entlassungen um?
Mietzner: Grundsätzlich wäre das schon denkbar. Um diesen Effekt auszuschließen, haben wir hier nur börsennotierte Familienunternehmen und Nichtfamilienunternehmen in unsere Untersuchung einbezogen. Für börsennotierte Unternehmen gilt, dass alles veröffentlicht werden muss, das in irgendeiner Hinsicht bewertungsrelevant erscheint. Deshalb müssen auch Familienunternehmen eine entsprechende Mitteilung herausgeben.
Haben Sie denn auch erforscht, inwieweit sich die stärkere Risikoaversion auf Familienunternehmen auswirkt?
Mietzner: Obwohl uns Zahlen zu Insolvenzen in Krisenzeiten nicht vorliegen, zeigt sich die stärkere Risikoaversion der Familienunternehmen doch sehr deutlich an ihrer Kapitalstruktur. Im Vergleich zu Nichtfamilienunternehmen weisen Familienunternehmen eine konservativere Finanzierungspolitik auf, die in einem geringeren Verschuldungsgrad und einer höheren Liquidität zum Ausdruck kommt. Durch diese Finanzierungsform sind Familienunternehmen auch grundsätzlich weniger anfällig für konjunkturelle Einbrüche.
Sie schließen aus ihrer Forschung, Familienunternehmen könnten als gesamtwirtschaftlich stabilisierender Faktor wirken – haben somit Krisen in Ländern mit einem höheren Anteil an Familienunternehmen weniger starke Auswirkungen?
Mietzner: Die restriktivere Finanzierungsstruktur von Familienunternehmen ermöglicht es ihnen zunächst einmal, ihre Arbeitnehmer bei starken Konjunkturschwankungen gegen Arbeitsplatzverluste abzusichern. Schon deshalb lässt sich eine gesamtwirtschaftlich stabilisierende Rolle mit Bezug auf den Arbeitsmarkt konstatieren. Andererseits kann aber gerade diese Absicherung sehr teuer werden, wenn wir es mit einer sehr lang anhaltenden Krise zu tun haben. Dann könnte es sogar sein, dass die Krisenanfälligkeit zunimmt, weil Familienunternehmen einfach nicht mehr über die Ressourcen verfügen, um die Absicherung zu gewährleisten.
Neben den Zahlen aus Deutschland haben Sie inzwischen auch Ergebnisse aus den USA – gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Erkenntnissen?
Mietzner: Erstaunlicherweise finden wir hier ganz ähnliche Ergebnisse, obwohl wir doch wissen, dass die Finanz- und Wirtschaftssysteme sehr unterschiedlich aufgebaut sind. Dies spricht eher dafür, dass der gemeinsame Nenner von Familienunternehmen auch in unterschiedliche Länder vergleichenden Untersuchungen eine entscheidende Determinante ist.
Bild: born1945/flickr