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Professor Dr. Dennis L. Meadows ist emeritierter Professor in Systems Management an der Universität New Hampshire und renommierter Experte zu Fragen des Wachstums und nachhaltiger Entwicklung – unter anderem bekannt als Co-Autor der einflussreichen Studie „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972.
Das European Center for Sustainability Research an der Zeppelin Universität veranstaltete am 1. Dezember 2012 das Symposium „The doubts of growth. The growth of doubts.“ im Berliner Technikmuseum. Nach einem Grußwort des Bundesumweltministers Peter Altmaier sprach Professor Dr. Dennis L. Meadows, Co-Autor der Publikation „Grenzen des Wachstums“, zum Thema: „Updating Concepts of sustainable development for use in the 21st century” und Prof. Lord Robert Skidelsky, Wirtschaftshistoriker und Keynes-Biograph, sprach über sein Buch: „Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens“.
Die 1972 veröffentlichte Studie „The Limits to Growth“ war der erste Bericht des Club of Rome, der 1968 als elitäres Dikussionsforum gegründet worden war. 2004 wurde ein Update der Studie mit dem Titel „Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel“ veröffentlicht. Kürzlich erschien „2052 – eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“ vom norwegischen Klimaforscher Jorgen Randers, der auch an der ersten Studie mitgearbeitet hatte.
Dieses Konzept dient dazu, für Unternehmen das richtige Maß des Umweltverbrauches zu finden, das einigermaßen in Einklang ist mit ökonomischen Belastungsgrenzen. Dahinter steckt die Logik des ökologischen Fußabdrucks. Zur Berechnung des richtigen Maßes wird der Emmission von CO2 verwendet. Die Wissenschaftler haben ihrer Maßzahl die Menge an CO2 zugrunde gelegt, die noch ausgestoßen werden darf, damit die Erderwärmung die 2-Grad-Grenze nicht überschreitet. Anhand des Wertschöpfungsanteils einer Branche oder eines Unternehmens an der Gesamtbruttowertschöpfung der Weltwirtschaft lässt sich errechnen, welches Emissionsbudget einer Branche oder einem Unternehmen zur Verfügung steht.
Während Professor Dennis Meadows noch vor 40 Jahren als Panikmacher abgetan wurde, gilt er heute als Pionier. Anlässlich des Jubiläums der Veröffentlichung der Studie „Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 sprach der Wissenschaftler in Berlin darüber, wie Entscheidungsträger dringlicher denn je nachhaltige Entwicklung neu denken und anders definieren müssten.
Im Auftrag des Club of Rome hatten Meadows und seine Kollegen am MIT damals mithilfe der Theorie zur Systemdynamik und dem Computermodell „World3“ den Versuch angestellt, die langfristigen Konsequenzen des Wachstums der Weltbevölkerung und der materiellen Seite der Wirtschaft zu ermitteln. Ihre Prognose war, dass sich der Verbrauch der Ressourcen auf die Entwicklung im 21. Jahrhundert verheerend auswirken wird. Mit der Folge, dass sehr viel mehr Kapital investiert werden muss, um Ressourcen zu gewinnen und die Konsequenzen der Gewinnung abzufedern. Meadows sagt heute: „1972 gab es zwei mögliche Zukunftsszenarien für die Welt: entweder die stetige Überschreitung der Kapazitäten der Erde, oder eine nachhaltige Entwicklung. Leider haben wir keinen Wandel eingeleitet und sind den Weg der Ausbeutung weiter gegangen.“
Belegt wird das durch die Maßzahl des ökologischen Fußabdrucks, der angibt, wieviel Ressourcen ein Individuum im Leben verbrauchen darf. Dabei darf die Größe 1 nicht überschritten werden, damit Ressourcen regeneriert werden können. Heute misst der Fußabdruck 1.6. Dass diese Entwicklung trotz der Prognosen nicht abgewendet wurde, liege nicht zuletzt daran, dass der Begriff „sustainable development“ – nachhaltige Entwicklung – von Politikern definiert worden sei, deren Zeithorizont nur bis zur nächsten Wahl reiche, sagt Meadows.
Die Brundtland Commission, ein von der UN ins Leben gerufenes Gremium zur Zusammenarbeit der Länder in Fragen der nachhaltigen Entwicklung, etablierte den Begriff. Eine Nachhaltige Entwicklung sei gegeben, wenn in der Gegenwart Ressourcen zur Bedürfnisbefriedigung verwendet werden, ohne dadurch zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Bedürfnisse zu verwirklichen. Meadows kritisiert, dass so ein viel zu großer Spielraum eröffnet worden sei, denn übersetzt heiße diese Definition: „Politiker können alle Deine Bedürfnisse jetzt erfüllen, und um die Zukunft brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Die Zukunft kann sich um sich selbt kümmern.“
Meadows fordert somit ein Ende der Kurzsichtigkeit der Politiker und tritt für eine neue Definition der nachhaltigen Entwicklung ein. Um besser einschätzen zu können, was jeder einzelne zur Verbesserung der Lage tun kann, empfiehlt Meadows die Probleme der Welt in zwei Kategorien zu unterteilen: universale und globale Probleme. Zu erster Kategorie zählen für ihn Probleme wie Wasser- und Luftverschmutzung, zur zweiten zum Beispiel der Klimawandel. Der Unterschied liege nun darin, so Meadows, dass universale Probleme vor Ort in jedem Teil der Welt gelöst werden könnten. Wohingegen globale Probleme durch kollektives Handeln aller Erdbewohner angegangen werden müssten.
Stärker ins Blickfeld gerückt werden sollten zudem kulturelle und soziale Transformationen wie der demographische Wandel. Zu stark versteife man sich auf die Effizienzsteigerung durch die Weiterentwicklung von Technologien. Damit geht einher, dass sich Akteure laut Meadows vielmehr auf die Bildung von Resilienz statt Nachhaltigkeit fokussieren müssen, um künftige Probleme zu antizipieren und Lösungsmechanismen zu entwickeln. Aber letztlich nützten alle Worte nichts: „Wir müssen weniger reden und mehr handeln“, so Meadows.
Die Schwierigkeit, den globalen Herausforderungen zu begegnen, liegt zum Großteil darin, dass verschiedenste Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf einer Ebene zusammenarbeiten müssen – ohne verbindliche Koordinationsinstanz. Wie mühsam es ist, auf globaler Ebene gegen den Klimawandel zu kämpfen, zeigen die UN-Klimakonferenzen wie die, aktuell mit einem Minimalkonsens abgeschlossene, Konferenz von Doha. Politische Willensbekundungen und Zielsetzungen haben sich zwar als wichtig, aber wenig effizient erwiesen.
Dr. André Reichel, Wissenschaftler am European Centre for Sustainability (ECS) der ZU, ist davon überzeugt, dass die Unternehmen als Agenten des Wandels stärker ins Blickfeld gerückt werden müssen: „Ein neues Bewusstsein wird durch neue Produkte und Dienstleistungen erzeugt. Denn wenn wir schauen, was unser tägliches Leben beeinflusst, dann sind es die Produkte, die angeboten werden.“ Um zu beurteilen, wann Unternehmen umweltverträglich wirtschaften, entwarf Reichel gemeinsam mit Kollegin Barbara Seeberg von der Universität Stuttgart in der Publikation „The Ecological Allowance of Enterprise“ einen ökologischen Fußabdruck für Unternehmen.
Da auch Unternehmen derzeit die Belastungsgrenzen der Natur überschreiten, braucht es neue Geschäftsmodelle, die Ressourcen schonen und weiterhin ökonomische Attraktivität versprechen. An einer einfachen Wahrheit führe dennoch nichts vorbei, so Reichel: „Weniger Produkte gleich welcher Art sind immer besser als mehr.“ Doch sei die Frage, wie man weniger Produkte produzieren könne, ohne immense Verluste zu erleiden. Die eine Lösung sei laut Reichel, dass Produkte durch Dienstleistungen ergänzt würden, wie das Beispiel Carsharing zeige. Eine andere Lösung sei, die Lebenszeit des Produktes zu verlängern, um dieses möglichst lang im Wirtschaftskreislauf zu halten. Das lässt sich realisieren, in dem Produkte modularer aufgebaut werden, um immer wieder erneuert werden zu können: „Damit verschiebt ein Unternehmen seine Wertschöpfung in den Lebenszyklus hinein.“ Und Anreiz hierfür gebe es genug. Andre Reichel: „Die Unternehmen, die sich als erste darauf einstellen, werden den Übergang am besten meistern.“
Und dennoch könnte diese Entwicklung zu langsam verlaufen, weil der Mensch und somit auch Wirtschaft und Politik nicht in der Lage sind, durch Wohlstand anerzogenen Gewohnheiten zu verändern. Denn wenn man sich, wie kürzlich in Doha geschehen, mit der Einsparungen von zwei Millionen Blatt Papier und nicht mit weitreichenden Entscheidungen rühmt, bleibt wenig Raum für Optimismus.
Fotos: kaibieler / photocase.com; Energiestiftung.ch