Sie befinden sich im Archiv von ZU|Daily.

ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.

Schule

Jungs müssen anders motiviert werden

Damit Jungen ihre Potentiale in der Schule mehr entfalten können, gilt es, ein differenziertes Bild von Gründen für sogenanntes Underachievement zu erarbeiten.

Professorin Dr. Anja Achtziger
 
  •  
    Zur Person
    Professorin Dr. Anja Achtziger

    Im August wurde Professorin Dr. Anja Achtziger auf den Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie der Zeppelin-Universität berufen. Sie verstärkt dabei neben der Forschung auch die Studienprogramme im Bereich der Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften an der ZU. Zuvor vertrat sie an der Uni Konstanz mehrfach die Professur für Sozialpsychologie und Motivation. Im Jahr 2008 habilitierte sie sich zum Thema „Erfolgreiches Handeln aus einer sozialkognitiven Perspektive: Rubikonmodell, Vorsatztheorie und mentales Kontrastieren“.

  •  
    Factbox
    Mehr dazu in der Studie „Bildungs(miss)erfolge von Jungen“

    Die Studie „Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen / männlichen Jugendlichen“ von Jürgen Budde wurde 2008 veröffentlicht. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte sie in Auftrag geben.
    Dabei wurde zum Beispiel deutlich: Je geringer qualifizierend die Schulform, desto höher der Anteil an Jungen. Diese müssen unabhängig von Schulform häufiger eine Klasse wiederholen. Besonders schwierig ist der Bildungsverlauf bei Jungen mit Migrationshintergrund. Einige junge Männer haben große Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Für Migranten verstärkt sich der Effekt.
    Die Studie geht dabei auf Bildungsbeteiligung im Allgemeinen, Leistungen in unterschiedlichen Fächern, den Übergang von der Schule in Ausbildung und Studium sowie Männlichkeit, Identitätsbildung und Schulkultur ein. Außerdem werden aktuelle Diskurse wie Geschlechterverteilung im Lehrberuf, Lehrkräfte als Vorbilder oder getrennten Unterricht als Chance für Jungen aufgegriffen.

  •  
     
    Hä...?
    Haben Sie Fragen zum Beitrag? Haben Sie Anregungen, die Berücksichtigung finden sollten?
    Hier haben Sie die Möglichkeit, sich an die Redaktion und die Forschenden im Beitrag zu wenden.
  •  
    Teilen

Warum und wann leisten so manche Kinder und Jugendliche in der Schule weniger als sie könnten? Und weshalb sind diese sogenannten Underachiever häufiger männlich als weiblich? Diese Fragen treiben Forscher in der gesamten westlichen Welt um, sagt Professorin Dr. Anja Achtziger, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Zeppelin Universität. Auch ihre Forschung soll dazu beitragen, ein differenziertes Bild zu schaffen. Der überschaubare Teil: Nicht nur in Deutschland, auch in den USA oder in Großbritannien schreiben Mädchen in der Schule immer bessere Noten, Jungen fallen dagegen in ihren Leistungen gegenüber den weiblichen Altersgenossinnen immer mehr ab. Doch daran, dass Jungs dümmer sind als Mädchen, liegt es nicht, das beweisen sogenannte Schulleistungstests. Diese Tests vergleichen das Leistungsvermögen und die daraus resultierenden erwartbaren Leistungen mit den tatsächlich erbrachten. Und auch hier ist das Ergebnis klar: Jungs sind genauso clever wie Mädchen, können ihre Intelligenz aber sehr häufig nicht in entsprechende schulische Leistungen umsetzen. Der Grund dafür könne nur mangelnde Motivation sein, so Achtziger.

Bei Mädchen beispielsweise wirkt laut der Forscherin Lehrerlob häufiger motivierend – die Anerkennung einer erbrachten Leistung führt dazu, dass sich Mädchen in den eigenen Fähigkeiten bestätigt fühlen und sich künftig noch mehr anstrengen. Jungs dagegen sehen in der Schule mehr einen sozialen Raum, in dem es gilt, sich zu beweisen. Auf ihnen lastet ein größerer Druck, cool zu sein und sich die Anerkennung der Peers, also der Gruppe von Ähnlich-Gestellten, zu sichern. Zwar gibt es Unterschiede zwischen männlichen Peergroups, Lob und Anerkennung für schulische Leistungen stehen dem Ziel der Statussicherung aber meist im Wege.

Außerdem scheint die Kultur innerhalb von Schulen nicht förderlich zu sein. Studien legen nahe, dass insbesondere weibliche Lehrkräfte die Schulkultur prägen, das gilt vor allem an Grund- und Hauptschulen. Wenn Frauen in der Subkultur dominieren, wird vermutlich auch mädchentypisches Verhalten eher belohnt und gefördert als jungentypisches. Das stellte eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fest.

Mehr dazu in der Studie „Bildungs(miss)erfolge von Jungen“


Auch ist die Fähigkeit zur Selbstkontrolle bei Jungen weniger ausgeprägt als bei Mädchen, wie Achtziger in einer Studie an verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg festgestellt hat. „Die Ursachen hierfür sind jedoch noch recht unbekannt. Fest steht aber, dass sich das Phänomen auf alle Schultypen bezieht und häufig schon in der Grundschule beginnt“, sagt sie. Bis zum Abitur gehe die Schere noch weiter auf. Auch an der Universität seien Studentinnen mittlerweile besser als Studenten.

Laut Achtziger ist beispielsweise wichtig, wovon Schüler ihren Erfolg abhängig machen. Gelten externe Faktoren wie Zufall oder gute Laune des Lehrers als ausschlaggebend, wirkt sich dies negativ auf die eigene Lernmotivation und Selbstregulierung aus. Ein Schüler, der in erster Linie seinen erbrachten Arbeitsaufwand als wichtig erachtet, wird sich mehr anstrengen. Weiterhin gilt: Wer schulischen Misserfolg auf die eigenen Fähigkeiten bezieht, wird sich weniger anstrengen, als jemand, der nur seinen mangelnden Arbeitseinsatz als Grund ansieht. Letzterer besitzt Kontrolle über das Geschehen. Wenn er sich mehr anstrengen würde, so ist er überzeugt, könnte er besser sein. Dadurch ergibt sich ein Handlungsspielraum. Wenn eine Attribution von Misserfolgen jedoch auf eigene Fähigkeiten geschieht, entstehen im Kopf Glaubenssätze wie: „Daran kann ich sowieso nichts ändern, meine Fähigkeiten sind nicht mehr veränderbar, also bringt mich auch Anstrengung nicht weiter.“

Anja Achtziger macht deutlich, dass man solchen demotivierenden Mechanismen entgegensteuern kann – durch sogenannte Reattributionstrainings. Dabei üben Psychologen mit Schülern und auch sogenannten Risikostudenten, wie diese mit Erfolgen und Misserfolgen in Schule und Hochschule so umgehen können, dass daraus eine Leistungssteigerung erfolgt. Diese Trainings kann man auch speziell auf Jungs und Männer fokussieren, so Achtziger.

Wie am Beispiel der weiblichen Schulkultur oder des Drucks durch Peergroups deutlich wurde, gibt es neben der falschen Attribuierung von Leistungen aber auch etliche andere Gründe für männliches Underachievement. Allesamt sind sie noch relativ unerforscht. Gegenmaßnahmen werden demzufolge kaum ergriffen.

„Damit Jungen ihre Potentiale in der Schule mehr entfalten können, gilt es, ein differenzierteres Bild von Gründen für Underachievement zu erarbeiten. Nur dann kann man individuell helfen“, so Anja Achtziger. Die Wissenschaftlerin wird an der Thematik weiterhin forschen, psychologische Faktoren für männliches Underachievement untersuchen, eine Abgrenzung vornehmen und herauszufinden suchen, wie bei den verschiedenen Ursachen dem Underachievement entgegengesteuert werden kann. „Ideal wäre natürlich“, so Achtziger, „wenn sich Schulen finden ließen, die als Projektschulen mit uns gemeinsam am Thema Underachievement arbeiten. Nach einer Bestandsaufnahme und Diagnosephase könnten wir dann Interventionen für betroffene Schüler ermöglichen.“



Bild: flickr (familymwr)

10
10
 
 
Zeit, um zu entscheiden

Diese Webseite verwendet externe Medien, wie z.B. Videos und externe Analysewerkzeuge, welche alle dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Dabei werden auch Cookies gesetzt. Die Einwilligung zur Nutzung der Cookies & Erweiterungen können Sie jederzeit anpassen bzw. widerrufen.

Eine Erklärung zur Funktionsweise unserer Datenschutzeinstellungen und eine Übersicht zu den verwendeten Analyse-/Marketingwerkzeugen und externen Medien finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.