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Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.
Der Nobelpreis ist eine vom schwedischen Erfinder Alfred Nobel gestiftete Auszeichnung, die seit 1901 jährlich vergeben wird. Mit seinem Testament gründete Nobel eine Stiftung, deren Zinsgewinne „als Preis denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. Das Geld wurde in gleichen Teilen für die Gebiete der Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Friedensbemühungen verteilt. Heute gilt der Nobelpreis als höchste Auszeichnung in den jeweiligen Fachrichtungen und wird am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters, in Stockholm verliehen.
In Erinnerung an Alfred Nobel stiftet die schwedische Reichsbank seit 1968 den Preis für Wirtschaftswissenschaften. Er wird gemeinsam mit den Nobelpreisen vergeben, ist mit der gleichen Summe dotiert und wird nach ähnlich Kriterien vergeben. Dadurch wird er oft als Wirtschaftsnobelpreis bezeichnet und auf gleichem Level mit den anderen Auszeichnungen wahrgenommen.
Alfred Bernhard Nobel wurde am 21. Oktober 1833 als Sohn des Architekten und Baumeisters Immanuel Nobel in Stockholm geboren. Nach einer Kindheit in Armen Verhältnissen holte ihn sein Vater nach St. Petersburg, wo er einen florierende Firma aufgebaut hatte und seinem Sohn so eine erstklassige Schulbildung ermöglichen konnte. Nach einer Studienreise durch Europa wurde er im väterlichen Betrieb angestellt, bis dieser 1856 Konkurs anmelden musste. Nobel widmete sich danach der Forschung. 1860 konnte ein sein erstes Patent anmelden; 1867 ließ er sich das Dynamit patentieren. 1875 folge die verbesserte Spreng-Gelantine. Auf dem Höhepunkt seiner Arbeit besaß Nobel über 90 Sprengstofffabriken auf fünf Kontinenten.
1890 ließ sich Nobel in San Remo Nieder, wo er fünf Jahre sein berühmtes Testament unterschrieb und so den Grundstein für den Nobelpreis legte. Nobel starb am 10. Dezember 1896 in San Remo. Erst an seinem Todestag im Jahr 1901 konnte der Preis das erste Mal verliehen werden, nachdem ein Rechtsstreit mit der Familie überwunden war, die sich um ihr Erbe geprellt fühlte.
Der Wirtschaftsnobelpreis wurde in den letzten Jahren besonders häufig an amerikanische Wissenschaftler vergeben. Warum werden die Arbeiten europäischer Forscher so wenig gewürdigt?
Professor Dr. Marcel Tyrell: Amerikanische beziehungsweise an amerikanischen Universitäten lehrende Wirtschaftswissenschaftler haben sowohl die Theorieentwicklung als auch die ökonometrische Forschung in den Wirtschaftswissenschaften in den letzten 40 Jahren maßgeblich geprägt. Deshalb werden mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der ja erst im Jahre 1969 das erste Mal vergeben wurde, überwiegend amerikanischen Wissenschaftler gewürdigt.
Das war übrigens zu Anfang anders. In den ersten 10 Jahren waren über die Hälfte der Nobelpreisträger Europäer. Wenn man die Theorieentwicklung in den Wirtschaftswissenschaften näher betrachtet, wird der Grund offensichtlich: Der Keynesianismus, der stark von europäischen Forschern geprägt wurde, ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als führende Denkschule zunehmend von der Neoklassik und dem Monetarismus abgelöst worden, die im Wesentlichen mit amerikanischen Forschern verbunden werden.
Daran anschließend hat sich in den 80er und 90er Jahren eine Theorierichtung durchgesetzt, die informationsökonomische Argumente mit spieltheoretischen Erkenntnissen verbindet. Hier waren wiederum amerikanische Forscher erkenntnisprägend. In der empirischen Forschung sieht es ähnlich aus.
Die entwickelten empirischen Methoden zur langfristigen Marktbeobachtung haben nach Angaben der Königlich-Schwedischen Akademie wesentlichen praktischen Einfluss auf die Börsen und das Verhalten der Investoren genommen. Können sie anhand eines Beispiels den besonderen Nutzen dieser Forschung darstellen?
Tyrell: Die von Fama, Shiller und Hansen entwickelten Methoden und Erkenntnisse gehören heutzutage zum grundlegenden Handwerkzeug der überwiegenden Mehrzahl der institutionellen Investoren, die das Marktgeschehen auf Börsen prägen. Dies betrifft insbesondere die von Fama und Hansen gewonnenen Erkenntnisse. Sie bestimmen daher fundamental die Anlageentscheidungen der Investoren und damit auch deren Ressourcenallokation.
Dies determiniert die Kapitalkosten der börsengehandelten Unternehmen und hat deshalb starke Auswirkungen auf deren Investitionsentscheidungen. Über die Investitionsentscheidungen wird zudem der realwirtschaftliche Wachstumspfad der Volkswirtschaften mitbeeinflusst. Die realwirtschaftlichen Auswirkungen sind somit offensichtlich, wenn man den plötzlichen Wachstumseinbruch in Folge der Finanzkrise betrachtet.
Die Erarbeitung von Prognosen längerfristiger Preisentwicklungen auf den Finanzmärkten ließ einen der Preisträger, Robert J. Shiller, bereits frühzeitig vor der Spekulationsblase auf dem US – Immobilienmarkt warnen, die letztlich die weltweite Finanzkrise auslöste. Was bringen solche Forschungsergebnisse, wenn Wirtschaftswissenschaftler einer solchen Krise dann hilflos gegenüberstehen?
Tyrell: Es ist richtig, dass Shiller schon frühzeitig vor der Spekulationsblase gewarnt hat. Dies wurde aber auch deshalb nicht von allen Forschern ernst genommen, da es grundsätzlich schwierig ist, Spekulationsblasen von durch Fundmentalentwicklungen determinierten Preisentwicklungen zu unterscheiden. Auch Shiller hat sich in der Hinsicht schon geirrt, dass er in der Vergangenheit zu bestimmten Zeitpunkten Blasen auf Wertpapier- und Vermögensmärkten konstatiert hat, die sich im Nachhinein als Fundmentalentwicklungen herausgestellt haben. Im Nachhinein ist man halt immer schlauer.
Trotzdem ist es meiner Meinung nach zutreffend, dass man in der Vergangenheit systematisch die Möglichkeiten von Spekulationsblasen unterschätzt hat. Dies betrifft die Forscher aber auch die wesentlichen geldpolitischen und regulativen Instanzen wie beispielsweise Zentralbanken und Bankenaufsichten. Das bedeutet aber nicht, dass man der Krise hilflos gegenüberstand. Die doch in Teilen erfolgreiche Krisenbewältigung ist im Wesentlichen dem zielgerichteten Handeln der Zentralbanken geschuldet und die haben diesbezüglich wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse fundamental genutzt. Die Politik hat eher hilflos agiert.
Können aus den Forschungsergebnissen auch Erkenntnisse gewonnen werden, die zukünftige Finanzkrisen früher erkennbar und so vermeidbar machen?
Tyrell: Ja, das ist mit Sicherheit so. Insbesondere Fama hat die empirische Kapitalmarktforschung so weit entwickelt, dass wir heute sehr viel besser Bescheid wissen, welche Fundamentalfaktoren Wertpapierpreise bestimmen. Starke Abweichungen der Preisentwicklung von diesen Determinanten deuten somit heutzutage zielgenauer auf Blasenentwicklungen hin und hierzu hat Hansen wichtige Erkenntnisse beigesteuert. Zudem richtet sich das Augenmerk viel stärker als früher auf die Frage, wie Anlagen auf Finanz- und Vermögensmärkten refinanziert werden. Wenn dies durch Fremdkapital und dazu noch kurzfristig erfolgt, ist die Basis für den Ausbruch einer Finanzkrise gelegt. Die von Shiller konstatierten „animal spirits“ wirken dann noch als Brandbeschleuniger. Ich bin mir sicher, dass diese im Vorfeld von Finanzkrisen beobachtbaren Entwicklungen heutzutage besser verstanden werden und damit eine proaktive Gegensteuerung frühzeitig möglich machen.
Auch wenn der Wirtschaftspreis nicht von Alfred Nobel, sondern von der schwedischen Reichsbank gestiftet wurde, sollte doch bedacht werden, dass nach Nobels willen derjenige den Preis erhalten sollte, der „im vorhergehenden Jahr der Menschheit den größten Nutzen erwiesen hat“. Worin liegt der besondere Nutzen gerade dieser Forschung für die Menschheit?
Tyrell: Ich glaube, es ist durch die Beantwortung der vorherigen Fragen deutlich geworden, worin der Nutzen dieser Forschung für die Menschheit besteht: Wir haben durch die Erkenntnisse der drei Wissenschaftler ein wesentlich genaueres Bild der Funktionsfähigkeit und Funktionsbedingungen von Kapitalmärkten mit weitreichenden Implikationen für die Finanzmarktstabilität und das volkswirtschaftliche Wachstum gewonnen. Die von Alfred Nobel formulierte Bedingung des „Nutzens im vorhergehenden Jahr“ entspricht meiner Meinung nach nicht der Forschungsrealität. Ob eine bestimmte Forschungsaktivität einen Nutzen stiftet, stellt sich typischerweise erst langfristig heraus. Die Existenz des Higgs-Teilchens wurde auch schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts konstatiert.
Titel: e2reneta (CC BY-NC 2.0)
Text: Nobel Media AB 2012 (Alexander Mahmoud) | Eigener Screenshot (Youtube & Nobelprize.org)