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Seit Mitte 2012 ist Prokopczuk Inhaber des ZU-Lehrstuhls für Empirische Kapitalmarktforschung & Ökonometrie. Marcel Prokopczuk beschäftigt sich in seiner Forschung hauptsächlich mit der Analyse und Bewertung von Rohstoffderivaten. Zuvor war er an der Henley Business School der University of Reading (UK) tätig.
Er hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe sowie der University of California in Santa Barbara studiert und an der Universität Mannheim promoviert.
Ökonomisches Wissen, etwa der Zusammenhang zwischen Nachfrage und Einkommen, ist eine Abstraktion des ökonomischen Geschehens. Mittel, dieses Wissen zu gewinnen, ist das statistische Instrumentarium, das für diesen Zweck im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt wurde und als ökonometrische Methode bezeichnet wird.
Unter Ökonometrie versteht man jenen empirischen Bereich der ökonomischen Wissenschaften, der sich der Anwendung eines speziellen, statistischen Instrumentariums auf empirisches Beobachtungsmaterial bedient, um Fragestellungen der ökonomischen Theorie oder Praxis zu beantworten.
Die Elemente einer ökonometrischen Analyse sind dementsprechend:
(Siehe Peter Hackl (2008): Einführung in die Ökonometrie)
We propose historical anti-Jewish sentiment as a proxy for distrust in financial markets. Households in German counties where Jews were persecuted the most as far back as in the Middle Ages are less likely to invest in stocks today. A one-standard-deviation increase in historical anti-Jewish violence leads to a 7.5% to 12% drop in the average stock market participation. Results are similar when we use the votes for the Nazi party as a proxy for anti-Jewish sentiment. For identification, we exploit the forced migrations of Ashkenazi Jews out of the Rhine Valley after the 11th century. The distance of a county from the Rhine Valley instruments for the existence of a Jewish community during the Black Death (1349) and hence the early emergence of anti-Jewish sentiment. Distrust in finance has transmitted across generations independently from antisemitism: the effect of historical antisemitism on current antisemitism declines with education, whereas the effect on stockholdings does not.
Dass sich Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion oder Geschlecht negativ auf den Wohlstand der Diskriminierten auswirkt, haben sozialwissenschaftliche Studien zum Arbeits- und Kreditmarkt bereits gezeigt. Die bei der Diskriminierung auftretenden negativen Effekte treffen jedoch nicht nur die Diskriminierten sondern auch den Diskriminierenden. Wer aufgrund von Vorbehalten gegen eine bestimmte Personengruppe bei Bewerbungen oder Kreditvergaben auf den vielversprechendsten Kandidaten verzichtet, bekommt den schlechteren Arbeitnehmer oder am Ende seinen Kredit nicht zurück. Prof. Prokopczuk und seine Kollegen stellten sich die Frage, ob sich die Einstellung der Diskriminierenden direkt auf ihren eigenen Wohlstand auf Wegen auswirkt, die unabhängig von der diskriminierten Minderheit selbst sind. Eine interessante Frage, da ein „ja“ auf diese Frage eine Anti-Diskriminierungspolitik rechtfertigen würde, die unabhängig von ethischen Gesichtspunkten argumentiert.
Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher, wie sich Diskriminierung langfristig auf Finanzentscheidungen privater Haushalte auswirkt. Unter Zuhilfenahme moderner statistischer Verfahren wird der Zusammenhang zwischen Ressentiments gegen Juden und der Entscheidung in Aktien zu investieren quantitativ untersucht. Die Auswertung der Aktienkäufe stützt sich dabei auf die Daten des Sozio-ökonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Messgrößen für Diskriminierung sind historisch dokumentierte Fälle von Antisemitismus, wie die Pogrome während der Pestjahre im 14. Jahrhundert. Bei deren genaueren Betrachtung zeigt sich, dass Haushalte in Landkreisen, in denen besonders viele Pogrome stattfanden, mit einer um zwei Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit in Finanzmärkte investierten. Diese Ergebnisse sind äußerst robust und können weder durch klassische Determinanten der Finanzmarktpartizipation, wie etwa Einkommen oder Bildung, noch durch historische Determinanten, zum Beispiel dem ökonomisches Wachstum, erklärt werden.
Durch eine detaillierte ökonometrische Analyse kann eine Kausalität zwischen Antisemitismus und Aktienkäufe aufgezeigt werden. Dabei weisen Prokopczuk und Kollegen nach, dass aus Vertreibungen resultierende Abwanderung von Juden vom Rheinland in Richtung Osten und Süden später zu Pogromen in südlichen und östlichen Gebieten führte. Noch heute lässt sich in diesen Gebieten eine verringerte Bereitschaft zu Aktienkäufen beobachten.
In einem anderen Verfahren untersuchten die Forscher Finanzmarktpartizipation in Zusammenhang mit einem alternativen Maß für anti-jüdische Einstellung in Form der politischen Unterstützung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) zum Zeitpunkt der letzten Wahl vor Hitlers Machtergreifung. Da die Unterstützung für die NSDAP nicht nur auf Antisemitismus, sondern auch auf wirtschaftliche Unzufriedenheit zurückzuführen war, wurden jene Landkreise untersucht, die weniger stark von der wirtschaftlichen Krise betroffen waren. Damit konnten die Forscher die politische Unterstützung der NSDAP in diesen Landkreisen auf den vorherrschenden Antisemitismus zurückführen. Unter Ausschluss dieser ökonomischen Einflussgröße zeigte sich erneut ein negativer Zusammenhang zwischen den Stimmanteilen der NSDAP und Aktienkäufen.
Somit konnten D’Acunto, Prokopczuk und Weber nachweisen, dass es eine signifikante Beziehung zwischen historischen anti-jüdischen Sentiments und der Bereitschaft von Haushalten sich am Aktienmarkt zu beteiligen gibt. Vor dem Hintergrund, dass sich eine stärkere Aktien-Beteiligung von Haushalten positiv auf deren Wohlstand auswirkt, ergibt sich hieraus eine Grundlage für Anti-Diskriminierungspolitik, die über den Schutz der Rechte des Einzelnen hinausgeht.