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Prof. Dr. Markus Rhomberg
Prof. Dr. Markus Rhomberg studierte Journalismus in Stuttgart und Weingarten, anschließend Politikwissenschaft, Theaterwissenschaft sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien. Nach seiner Promotion arbeitete Rhomberg unter anderem in Friedrichshafen und Hamburg. 2010 kehrte Rhomberg an die Zeppelin Universität zurück und übernahm dort im August 2013 den Lehrstuhl für Politische Kommunikation. Seit Juli 2014 ist er wissenschaftlicher Leiter des neuen Forschungszentrums Politische Kommunikation am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen.
Dr. Alexander Ruser
Nach seinem Studium der Soziologie, Philosophie und südasiatischen Geschichte wechselte Ruser zunächst in die Praxis, bevor er 2010 zu "Rentenreformen in Deutschland und Großbritannien" promovierte. Nach Stationen in Mannheim und Berlin ist er nun Akademischer Mitarbeiter am Karl-Mannheim-Lehrstuhl für Kulturwissenschaften an der Zeppelin Universität.
War es der Schmähruf der „Lügenpresse“, der die Medien so provoziert und dazu gebracht hat, mediale Aufmerksamkeit ins fast Unermessliche zu steigern? Wenn dem so ist, dann haben die Strategen bei „Pegida“ fast alles richtig gemacht. Denn insbesondere das mediale Feuer hat ihre Sympathisanten in den kalten Winternächten in Dresden und in anderen Städten gewärmt. Der Großteil der Medien hat mitgespielt, mediale und Protesterregung schaukelten sich hoch. Nur wenige haben sich mit den „Pegida“-Argumenten auseinandergesetzt. Zugegeben, es ist schwer sich mit Statistik-Verweigerern argumentativ auseinanderzusetzen. Aber auch das hätte ein Thema sein können.
Ihre Unsicherheit, den richtigen Grad der Auseinandersetzung mit „Pegida“ zu finden, zeigte auch die Politik. Die Kanzlerin versuchte es mit Abgrenzung („Folgen Sie denen nicht“), die SPD zunächst mit Ausgrenzung und später mit Diskussion. SPD-Chef Sigmar Gabriel musste sich zwar Schelte von innen und außen anhören, sein Versuch, „Pegida“ in Argumente zu verstricken und die Akteure in diskussionswürdige und nicht-diskussionswürdige zu trennen, hat die Organisation „Pegida“ vermutlich selbst implodieren lassen
Mit Ruhm bekleckert hat sich auch die Wissenschaft nicht. Angetrieben vom medialen Hype haben sich auch Forscher auf die Straße gewagt, um zu eruieren, was die „Pegida“-Demonstranten antreibt und welchen Milieus diese entspringen. Der lobenswerte Versuch, aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen, hat der Forschung mal wieder gezeigt, dass ihr die Instrumente und die Köpfe dazu fehlen.
Ist das Ende von „Pegida“ aber nun das Ende der Berichterstattung über eine bürgerliche Ausländerfeindlichkeit, mit all den Erklärungsproblemen für Politik und Wissenschaft? Oder erleben wir das Ende der medialen Aufmerksamkeit für ein Problem, das älter ist als „Pegida“ selbst und auch einen möglichen endgültigen Tod der Dresdner Proteste überleben wird? Offenbar taugen weder die Zahl der „Pegida“-Demonstranten noch die mediale Aufmerksamkeit, die ihrem Anliegen zuteil wird, als Seismograph für die Schwere und Dringlichkeit eines gesellschaftlichen Problems. Auch darf das nachlassende Medieninteresse nicht mit der Bewältigung des Problems verwechselt werden.
Dass Medien Probleme verändern, indem sie sie aufgreifen, ist ein alter Hut. Dass medial befeuerte Debatten Wissenschaft und Politik dazu bringen, schnell und manchmal auch vorschnell Stellung zu beziehen ebenfalls. Was am „Fall Pegida“ zu denken geben sollte, ist, dass er in Reinkultur ein Muster vorführt, in dem ein im Wechselspiel zwischen klassischen und neuen Medien erzeugter Empörungszusammenhang eine vielstimmige und lärmende Sprachlosigkeit nach sich zieht. Die dann, wenn die stetig kürzer werdende Halbwertzeit medialer Aufmerksamkeit überschritten ist und in den Berliner Talkshowstudios und auf Twitterfeeds längst wieder über anderes gestritten wird, allgemeine Ratlosigkeit und diskreditierte Experten aus Wissenschaft und Politik zurücklässt. So lange ernstzunehmende und besorgniserregende gesellschaftliche Prozesse, wie „Pegida“ im Modus der schnellen Folge herbeigerufener Geister und rechtschaffener Nachrufe verhandelt werden, bleibt die Gefahr, dass sie letztlich unverstanden bleiben müssen.
Titelbild: Kurosawa Michiyo / flickr.com (CC BY-SA 2.0)
Bild im Text: Caruso Pinguin / flickr.com (CC BY-NC 2.0)
Civitas Libertatis / twitter.com (Screenshot)
Beitrag: Prof. Dr. Markus Rhomberg und Dr. Alexander Ruser
Redaktionelle Bearbeitung: Florian Gehm und Alina Zimmermann