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Prof. Dr. Georg Jochum: Bau|Stelle - Reform der Erbschaftssteuer ohne Ende?
"Bau|Werk", "Bau|Wunsch" oder "Bau|Ziel" - zum ZU-Sommerfest am 12. September 2015 standen anlässlich der Einweihung des ZF Campus alle wissenschaftlichen Vorträge unter dem Motto des Bauens. Über den MEHR-Button geht's zur Mediathek.
Derzeit wird die Erbschaftsteuer wieder heiß diskutiert. Der Grund dafür besteht darin, dass das Bundesverfassungsgericht die von der Erbschaftsteuerreform 2009 vorgenommene Privilegierung von vererbten Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt hat. Die Richter erklärten die Verschonung von der Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in den Paragraphen 13a und 13b des Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist bis zum 30. Juni 2016 gegeben, eine neue Regelung für die Privilegierung vorzunehmen.
Das Bundesfinanzministerium hat nun einen Entwurf vorgelegt, der minimalinvasiv die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Mängel beseitigt, aber die Erbschaftsteuer insoweit unverändert lässt. Dies ist enttäuschend. Wieder einmal wird eine Gelegenheit versäumt, grundsätzlich über die Erbschaftsteuer nachzudenken. Die vorgeschlagene minimalinvasive Lösung kann zwar möglicherweise die verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigen, ändert aber nichts daran, dass die Erbschaftsteuer mit ihren zahlreichen Privilegierungen ungerecht ist. Dies zeigt sich schon daran, dass sich trotz der Privilegierung des Betriebsvermögens das Aufkommen der Erbschaftsteuer kaum verändert hat. Im Klartext bedeutet das, dass die Privilegierung für Unternehmenserben von solchen Erben bezahlt wird, bei denen das Glück der Geburt keinen Betrieb in die Wiege gelegt hat.
Grundsätzlich wird die Privilegierung von Betriebsvermögen damit begründet, dass die Erbschaftsteuer die Fortführung des Betriebes und somit Arbeitsplätze gefährden könne. Abgesehen davon, dass es bis jetzt keinen spektakulären Fall gibt, in dem die Erbschaftsteuer zur Insolvenz des Unternehmens und zum Verlust des Arbeitsplatzes tatsächlich geführt hat, während es durchaus namhafte Unternehmen gibt, die das segensreiche Wirken der Erben nicht lange überlebten (zum Beispiel die Quelle GmbH), ist die Begründung sicherlich geeignet, eine Privilegierung zu rechtfertigen. Es gibt allerdings auch durchaus einfachere und gerechtere Möglichkeiten, eine Gefährdung von Unternehmen durch Erbschaftsteuern auszuschließen und das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer zu erhalten.
Dies wäre zum Beispiel dadurch möglich, dass man die Bemessungsgrundlage verbreitert, das heißt insbesondere Freibeträge senkt und Privilegierungen abschafft und dafür deutlich niedrigere Steuersätze verlangt. Der derzeitige Höchststeuersatz beträgt 30 beziehungsweise 50 Prozent bei Nicht-Verwandten. Es ist nachvollziehbar, dass bei einem solchen Höchststeuersatz ein Betrieb gefährdet sein kann. Würde der Höchststeuersatz allerdings nur 5 beziehungsweise 10 Prozent bei Nicht-Verwandten betragen, stellt sich die Frage, ob ein Betrieb, der bei einer solchen steuerlichen Belastung in seiner Existenz bedroht ist, nicht bereits aus anderen Gründen in der Krise steckt. Auch hier konnten großzügige Stundungsregelungen jegliche Gefahr ausschließen. Insgesamt würde dies zu einer gerechteren und tragfähigeren Steuer führen.
Eine andere Möglichkeit wäre natürlich auch, die Steuer ganz abzuschaffen. Auch dies wird vertreten. Dies würde allerdings auch nicht zu einer steuergerechteren Lösung führen. Denn die mit dem Wegfall der Steuer verbundenen Mittelverluste müssten durch andere Steuern oder aber durch den Wegfall von staatlichen Leistungen oder Investitionen kompensiert werden. Letztlich würde die Privilegierung der Erben dann von denjenigen bezahlt, die von ihrer Hände Arbeit leben. Eine solche Einführung eines steuerlichen Feudalprinzips ist mit dem Verständnis eines bürgerlich liberalen Steuerstaates sicher nicht zu vereinbaren.
Eine moderate Erbschaftsteuerbelastung durch niedrige Steuersätze unter weitgehendem Verzicht auf Privilegierungen erscheint als der beste Weg, die Diskussion über eine gerechte Steuerbelastung für Erben zu befrieden. Ob dies gelingen wird, ist allerdings zweifelhaft. Denn egal, wie diese Steuer letztlich ausgestaltet ist, die Diskussion wird sich fortsetzen, weil das Vererben nicht nur ein wirtschaftlicher Vorgang ist, sondern der Erwerb des Erben mit dem Tod des Erblassers verbunden ist. Es geht also regelmäßig um die letzten Dinge im Leben. Insofern verwundert es nicht, dass eine Steuer, die an diese letzten Dinge anknüpft, emotional stärker diskutiert wird als beispielsweise die Umsatzsteuer, die auf den Erwerb eines Gebrauchsgegenstandes mit bereits durch die Einkommensteuer versteuertem Geld erhoben wird.
Titelbild: Bundesverfassungsgericht / Homepage
Bilder im Text: „Karlsruhe Bundesverfassungsgericht“ von Tobias Helfrich. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
Images Money / flickr.com (CC BY 2.0)
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Georg Jochum
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm, Maria Tzankow