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Luca Messerschmidt hat an der Zeppelin Universität Politics, Administration & International Relations studiert. Ein Auslandssemester führte ihn an die Universität San Diego in die USA. Praktische Erfahrungen sammelte er als Tutor bei Studybees, bei der Friedrich Ebert Stiftung in Washington und beim Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth.
Marcel Schliebs studiert Politics, Administration & International Relations an der Zeppelin Universität. Sein Auslandssemester absolvierte er in Paris. Anfang 2019 zieht es ihn ins Hauptquartier der NATO, bisherige praktische Erfahrungen konnte er etwa an verschiedenen Lehrstühlen der Zeppelin Universität oder bei einem Praktikum an der Deutschen Botschaft in Paris gewinnen.
Die seit mehr als 60 Jahren existierende internationale Entwicklungszusammenarbeit ist seit jeher ein Konglomerat aus außenpolitischen Eigeninteressen, altruistischen Motiven, aber auch ökonomischen Kalkülen zwischen Geber- und Empfängerländern. Entwicklungstransfers fungieren dabei nicht nur als Stimulation neuer Handelsbeziehungen, sondern können dabei helfen, machtpolitische Ansprüche zu legitimieren und Einflusssphären zu manifestieren. Zu Beginn der 2000er-Jahre kristallisierte sich nicht nur Subsahara-Afrika als explizites Zielland der monetären bi- und multilateralen Geldtransfers heraus, sondern neue Geberländer traten auf die Bühne – mit dabei China, Brasilien und andere BRICS-Länder.
Mit den neuen Akteuren veränderte sich die Konstellation rund um den „Entwicklungsmarkt“, in dem Länder um die Intensivierung von Beziehungen zu Empfängerländern buhlen – Ressourcen, Handelspakete, Investitionen mit den „new economies“ aus Afrika sind dabei wichtige Antreiber. Erst Anfang September hat China afrikanischen Ländern eine Fördersumme von mehr als 60 Milliarden Dollar versprochen – rund 25 Prozent davon sogar, ohne das Gegenleistungen erwartet werden. Gemessen an den bisherigen Investitionssummen Chinas, aber auch der traditionellen Geberländer – 2017 gaben OECD-Länder rund 150 Milliarden an Unterstützung – ein deutliches Zeichen: Der Wettbewerb um Einflussbereiche in Subsahara-Afrika scheint zuzunehmen.
Diese These konnten wir auch in unserer Studie über die Interaktion nationalstaatlicher Akteure im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit beobachten. Der Frage nachgehend, wie sich der gestiegene ökonomische und politische Wettbewerb („competition“) auf die gegenseitige Reaktionsfreudigkeit der Geberländer auswirkt, haben wir untersucht, ob ein Land (zum Beispiel die USA) auf gestiegene Entwicklungstransfers eines anderen Landes (zum Beispiel China) reagiert und wenn ja, welche Rolle die ökonomische oder politische Konkurrenz dabei spielt.
Dabei sind wir auf unsere vermuteten Zusammenhänge gestoßen: Die zunehmende ökonomische und politische Konkurrenz hat einen signifikanten Einfluss auf die Reaktion der Geberländer und führt dazu, dass Länder ebenfalls ihre Entwicklungstransfers steigern. Mittels Räumlichkeits-Panel-Regressionsanalysen konnten wir nachweisen, dass Länder wie China, Japan und die USA ihre Gelder aus Wettbewerbsgründen erhöhen, wohingegen Frankreich, Schweden und die Niederlande sich dann auf andere Empfängerländer konzentrieren. Letzteres könnte auf ein kooperatives Verhalten hinweisen, bei dem bestimmte Länder mehr aus humanitären Gründen handeln und Entwicklungstransfers darauf abstimmen.
Natürlich sind nicht alle Länder gleichermaßen attraktiv für eine Reaktion von bestimmten Geberländern. Insbesondere Länder, die ein hohes Rohstoffaufkommen haben (zum Beispiel Namibia oder Kongo) oder geopolitische und handelsbezogene Wichtigkeit besitzen (zum Beispiel Kenia) stellen Reaktionspunkte dar. In der Grafik ist die gegebene Entwicklungshilfe der USA (blaue Linie) und Chinas (rote Linie) für das Land (dunkle Linie) und in ganz Afrika (helle Linie) aufgezeigt. Wenn man die beiden dunklen Linien vergleicht, ist erkennbar, dass Reaktionen in einer Periodizität erfolgt sind.
Doch warum ist diese Erkenntnis hilfreich? In der Frage, wo Ineffizienzen im Entwicklungssystem liegen, lohnt es sich, nicht nur auf die Verwendung von Entwicklungsgeldern durch Empfängerländer zu schauen, sondern auch über die Allokation und Distribution durch Geberländer zu reflektieren. Wenn Länder als Resultat ökonomischer und politischer Wettkämpfe aufeinander zu reagieren scheinen, kann die humanitäre Notwendigkeit eines Entwicklungstransfers einem machtpolitischen Wettkampf untergeordnet sein. Diese Konstellation kann inhärente Ungleichheiten und Ineffizienzen mit sich tragen und führt zur Reproduktion ineffektiver Verteilung von Entwicklungsgütern, die durch die Deklaration von Paris und anderen Absprachen eigentlich verbessert werden sollte.
Mit dem Wissen, dass und wie Länder aufeinander reagieren, steht die bilaterale Entwicklungshilfe zwangsläufig in der Kritik: Wenn alle Länder vorwiegend eigenen machtgeleiteten Eigeninteressen folgen würden, könnte der dadurch ausgelöste Wettkampf dazu führen, dass Entwicklungsländer strukturell klein gehalten werden und sich der jeweilige Kontinent in der Breite nicht in dem Maße weiterentwickeln kann, wie es andernfalls möglich wäre. Ein Ausweg aus dieser Zwickmühle stellt die vermehrte Koordination von Entwicklungszusammenarbeit über multilaterale Institutionen dar. Über diese könnten Länder Entwicklungshilfe einzahlen und beziehen, nicht machtpolitische, sondern humanitäre Indikatoren würden ins Zentrum rücken. Nur welches Land will sich die Möglichkeit schon nehmen lassen, bilaterale Entwicklungshilfen gegen konkrete „benefits“ einzutauschen? In der momentanen Lage globaler Steuerungssysteme scheint diese Forderung vielmehr Utopie als Realität zu sein.
Titelbild:
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Bilder im Text:
| Zeppelin Universität (Alle Rechte vorbehalten)
Beitrag (redaktionell unverändert): Luca Messerschmidt und Marcel Schliebs
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm