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Dipl.-Pol. Sebastian Jungkunz ist seit Juli 2019 akademischer Mitarbeiter am Zentrum für Politische Kommunikation im Projekt „Bildung und Partizipation“ an der Zeppelin Universität. Seit 2014 ist er zudem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Soziologie der Universität Bamberg. 2013 schloss er das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Bamberg mit dem Diplom ab, nachdem er sich zwischenzeitlich auch an der University of South Carolina in Columbia, USA, aufhielt. 2014 war er als Mitarbeiter im DFG-Projekt „Außen- und sicherheitspolitische Orientierungen in den USA und der Bundesrepublik" am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) beschäftigt. Von April bis Mai 2019 erfolgte ein Forschungsaufenthalt an der Waseda University in Tokyo. Derzeit gibt er Lehrveranstaltungen zu konzeptionellen Gebieten der Politischen Soziologie sowie einführenden und fortgeschrittenen Methoden der quantitativen Datenanalyse auf Bachelor- und Masterniveau. Er forscht zu Themen der quantitativen Methoden der Datenanalyse, Politischer Psychologie, Sozialpsychologie sowie Meinungs- und Einstellungsforschung in den Bereichen Populismus und Extremismus.
Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem darauf, wie die Interessen der beiden Gruppen politisch vertreten werden und welche Parteien von den jeweiligen Gruppen gewählt werden. So findet man in der Forschung oft Befunde dafür, dass Personen, die von der Globalisierung benachteiligt werden, Anhänger der Rechten sind, während Profiteure der Globalisierung linken oder grünen Parteien nahestehen.
Der von Marc Helbing und mir verfasste wissenschaftliche Artikel „Social Divides in the Age of Globalization“ und der darauf basierende Beitrag „
“ schließen nun an genau diesem Punkt an. So stellen wir uns nicht nur die Frage, inwiefern diese Zugehörigkeit zu zunehmender Spannung oder sogar Spaltung im Politikbetrieb führt, sondern wir interessieren uns auch dafür, inwiefern sie negative Auswirkungen auf das soziale Leben haben kann. Konkret fragten wir uns also: Wie nehmen sich diejenigen, die von Globalisierung profitieren, und diejenigen, die davon benachteiligt werden, gegenseitig wahr? Ist es tatsächlich so, dass mittlerweile Vorurteile zwischen beiden Gruppen existieren oder ist diese Tatsache vernachlässigbar? Auch Medien wie die New York Times oder die Süddeutsche Zeitung haben diese Fragen immer wieder aufgegriffen.
Wir dagegen führten ein Umfrageexperiment in Deutschland und Österreich durch, in welchem wir allen Befragten eine fiktive Person vorstellten. Diese Person hatte verschiedene Charakteristika (Bildungsgrad, Nationalität oder Parteizugehörigkeit), welche wir von Befragtem zum Befragten rein zufällig variierten. Somit konnten wir feststellen, wie Befragte andere Personen aufgrund bestimmter Kriterien bewerten.
Insgesamt fanden wir heraus, dass es tatsächlich zu einer veränderten Wahrnehmung der jeweils anderen Seite kommt. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn man Personen mitteilt, welcher Partei das jeweilige Gegenüber anhängt. Allein die Tatsache, dass eine Person nicht der gleichen Partei nahesteht, wie man selbst, führt bereits zu einem Rückgang an Sympathie. Zeigt sich jedoch, dass man es mit jemandem zu tun hat, der einer Partei nahesteht, welche die jeweils andere Gruppe vertritt (also Profiteure oder Benachteiligte von Globalisierung), dann sinkt die Sympathie beträchtlich. Oder anders formuliert: Wir sehen, dass Anhänger der großen gemäßigten Parteien und Anhänger von rechtspopulistischen Parteien gegenseitig deutlich weniger positiv gestimmt sind – allein aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit. Ganz interessant ist, dass wir allerdings auch sehen, dass dieser Rückgang an Sympathie asymmetrisch ist: Anhänger der großen Parteien finden Wähler von AfD und FPÖ deutlich unsympathischer als dies umgedreht der Fall ist.
Im zweiten Beitrag erweiterten wir diese Untersuchung und interessierten uns dafür, inwiefern populistische Einstellungen diese Erkenntnisse beeinflussen. Darunter verstehen wir zunächst einmal eine Art und Weise, wie man die Welt wahrnimmt: nämlich, dass es eine böse, meist nicht weiter spezifizierte Elite gibt, welche sich gegen das „gute“ Volk verschworen hat. Globalisierung wird dabei oft als willentliche Entscheidung der Elite angesehen, welche die gut Gebildeten und die oberen sozialen Klassen begünstigt auf Kosten der einfachen Leute. Unsere daraus abgeleitete Fragestellung war: Ist eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft erkennbar, wenn populistische Einstellungen stärker werden?
In unseren Ergebnissen spiegelt sich diese Annahme jedoch nur zum Teil wider. So finden wir zunächst, dass sich vor allem Anhänger rechtspopulistischer Parteien stärker mit ihrer Gruppe identifizieren. In Österreich geht ein hoher Grad an populistischen Einstellungen auch mit einer stärkeren Ablehnung der jeweils anderen Gruppe einher; in Deutschland dagegen zeigt sich, dass sich Parteianhänger der Bevorzugten und Benachteiligten von Globalisierung ganz grundsätzlich ablehnen. Somit könnte man annehmen, dass die Etablierung von populistischen Parteien zu einer gewissen Destigmatisierung der Parteianhängerschaft führt. Gleichzeitig führt der aufgeheizte politische Diskurs jedoch dazu, dass die Gesellschaft mehr gespalten wird. Die Erkenntnisse deuten somit auf die zunehmende Relevanz der Polarisierung öffentlicher Meinung hin.
Titelbild:
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Bild im Text:
| Andrew Butler / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Beitrag (redaktionell unverändert): Sebastian Jungkunz
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm