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Digitalkompetenzen

Die Lücke schließen!

von Miray Salman | Zeppelin Universität
27.11.2020
Um Genderparität im Bereich wirtschaftlicher Teilhabe und Chancen voranzubringen, muss die Schließung der digital gender gap gemeinsam durch den Privatsektor, Politik und Gesellschaft adressiert werden. Dadurch können Talentpools mit hohen Digitalkompetenzen gesichert und vergrößert werden.

Miray Salman
ZU-Alumna und Trägerin des Gips-Schüle Student Research Awards
 
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    Zur Person
    Miray Salman

    Miray Salman brennt für Themen an der Schnittstelle neuer Technologien und Gesellschaft und digitale Innovation. So führte sie ihr Weg bisher bereits durch spannende Praktika in Digitalisierungs- und Strategiebereichen, unter anderem in großen Konzernen, renommierten Organisationen und internationalen Parlamenten. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie über das Management von KI-Governance in Firmen. Miray Salman liebt es, Wissenschaft und Praxis zu vereinen. So initiiert sie als Global Shaper des Weltwirtschaftsforums mit ihren Co-Shapers ein Projekt zur Förderung von fortgeschrittenen Digitalkompetenzen bei Frauen, und stützt sich damit auf die Ergebnisse ihrer Humboldt-Arbeit an der Zeppelin Universität. Für ihre Forschung und ihr Engagement ist sie bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Miray Salman hat vor, ihre Coding-Kompetenzen in einem Technologieprogramm in Singapur weiterzubilden. Ihr langfristiger Wunsch ist es, ihre Forschungsinteressen während eines Doktorstudiums vertiefen zu können. Sie träumt davon, ihren Doktor im Ausland zu absolvieren. 

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Ohne etwas vom Internet zu verstehen oder nachvollziehen zu können, wie Analysen mit Maschinellem Lernen funktionieren, wird es nicht einfach, informierte und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Wie müssen Gesetze entworfen werden, sodass sie uns vor möglichen Risiken neuer Technologien schützen und unsere Menschenrechte wahren? Wie müssen Prozesse der Innovation und Entwicklung stattfinden, um Produkte und Dienstleistungen hervorzubringen, die keine Gefahr für die Menschheit darstellen und zugleich Vorteile bringen? Das Verständnis von der Funktionsweise von Algorithmen und Digitalkompetenzen auf einem fortgeschrittenen Niveau sind Eintrittsbarrieren zur Mitgestaltung dieser Fragen.


In Europa ist die Demografie der Frauen in Gruppen mit fortgeschrittenen Digitalkompetenzen stark unterrepräsentiert. Damit ist die Möglichkeit ihrer Teilhabe an der Gestaltung der Zukunft nicht garantiert. Der Bedarf an IT- Fachkräften steigt. Die Vernachlässigung von 50 Prozent an unangetasteter Ressource wäre somit auch aus wirtschaftlicher Perspektive nicht fortschrittbringend. Ebenso werden die Vorteile von Diversität in Politik und Wirtschaft immer deutlicher. Die Gleichstellung ist sowohl eine Frage der Menschenrechte und der Friedenserhaltung als auch ein stark unterschätzter Wirtschaftsfaktor.


Mit welchen Lösungskonzepten können der private und der öffentliche Sektor die sogenannte „digital gender gap“ effektiv adressieren? Wie können private und öffentliche Institutionen so gestaltet werden, dass die Chancen und Möglichkeiten, die neue Technologien bringen, alle erreichen? Welchen Beitrag können Unternehmen dazu leisten, den Pool an Talenten mit fortgeschrittenen Digitalkompetenzen sowohl diverser zu gestalten als auch zu erweitern? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es erforderlich, die Gründe und Ursachen für die digital gender gap zu untersuchen.

Die Initiative D21 und das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit haben im Januar dieses Jahres mit Daten und Fakten untermauert, wie groß die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Digitalisierungsgrad, aber auch in der Arbeitswelt hinsichtlich technischer Ausstattung und Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten sind. Die Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Studie „Digital Gender Gap – Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt“ zusammengefasst. Ein zentrales Ergebnis: Frauen erreichen einen geringeren Digital-Index als Männer. Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten liegen Frauen bei einem durchschnittlichen Digitalisierungswert von 51 Indexpunkten, Männer bei 61 Indexpunkten. Die Studie untersucht, in welchem Umfang die Geschlechter die Digitalisierung adaptieren, nimmt Ursachen und Zugangsbarrieren in den Blick und bietet Ansatzpunkte zur Überwindung der Genderungleichheiten. Bei den inhaltlichen Säulen Zugang, Einstellung/Offenheit, Kompetenz und Vielfalt der Nutzung weisen Frauen geringere Werte als Männer auf. Sowohl bei der Einschätzung ihrer Fertigkeiten zur Bedienung einzelner Anwendungen wie Office-Programmen und der Kenntnis von Fachbegriffen, aber auch beim Interesse an Digitalthemen oder der Wissensaneignung erzielen Frauen jeweils geringere Werte. Bei den älteren Generationen sind die Unterschiede dabei deutlich stärker ausgeprägt als bei den jüngeren, doch auch bei den 14- bis 24-Jährigen sind sie sichtbar.
Die Initiative D21 und das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit haben im Januar dieses Jahres mit Daten und Fakten untermauert, wie groß die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Digitalisierungsgrad, aber auch in der Arbeitswelt hinsichtlich technischer Ausstattung und Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten sind. Die Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Studie „Digital Gender Gap – Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt“ zusammengefasst. Ein zentrales Ergebnis: Frauen erreichen einen geringeren Digital-Index als Männer. Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten liegen Frauen bei einem durchschnittlichen Digitalisierungswert von 51 Indexpunkten, Männer bei 61 Indexpunkten. Die Studie untersucht, in welchem Umfang die Geschlechter die Digitalisierung adaptieren, nimmt Ursachen und Zugangsbarrieren in den Blick und bietet Ansatzpunkte zur Überwindung der Genderungleichheiten. Bei den inhaltlichen Säulen Zugang, Einstellung/Offenheit, Kompetenz und Vielfalt der Nutzung weisen Frauen geringere Werte als Männer auf. Sowohl bei der Einschätzung ihrer Fertigkeiten zur Bedienung einzelner Anwendungen wie Office-Programmen und der Kenntnis von Fachbegriffen, aber auch beim Interesse an Digitalthemen oder der Wissensaneignung erzielen Frauen jeweils geringere Werte. Bei den älteren Generationen sind die Unterschiede dabei deutlich stärker ausgeprägt als bei den jüngeren, doch auch bei den 14- bis 24-Jährigen sind sie sichtbar.

In meiner Humboldt-Arbeit mit dem Titel „Digital Literacy and Equality in the Fourth Industrial Revolution“ habe ich erforscht, welche Faktoren einen Einfluss auf technologiebezogene Karriere- oder Bildungsentscheidungen von jungen Studentinnen haben. Daraus lassen sich Empfehlungen ableiten.


Der Prognose des Weltwirtschaftsforums (WEF) zufolge wird es etwa 257 Jahre dauern, bis Genderparität erreicht ist. In Europa ist insbesondere die langsame Entwicklung zur Gleichstellung im Bereich wirtschaftlicher Teilhabe und Chancen zu adressieren. Frauen sind in Berufen überrepräsentiert, die abgebaut werden. Andererseits sind sie in wachsenden Rollen stark unterrepräsentiert. So machen sie lediglich 12 Prozent der Fachkräfte im Bereich Cloud Computing, 15 Prozent im Bereich Engineering und 26 Prozent im Bereich Daten und Künstliche Intelligenz aus – laut dem aktuellen „Global Gender Gap Report“ des WEFs.


Für den Zugang zu Arbeitsplätzen in den wachsenden Rollen in Technologiebereichen und Entscheidungspositionen sind fortgeschrittene Digitalkompetenzen erforderlich. Damit sind sie der Schlüssel zur Gestaltung und Teilhabe in der Vierten Industriellen Revolution.


Der Forschungsstand im Bereich „digital skills gaps“ (zu Deutsch: Digitalkompetenzlücken) zeigt, dass die digital gender gap seit mehr als 15 Jahren besteht. Technologien und technologische Möglichkeiten haben sich in dieser Zeit weiterentwickelt. So haben sich auch die Digitalkompetenzen, die ein fortgeschrittenes Kompetenzniveau definieren, gewandelt und verändert. Dennoch gibt es keine signifikanten Veränderungen in der digital gender gap.

Genderspezifische Unterschiede bezüglich fortgeschrittener Digitalkompetenzen liegen also nicht an den Komplexitäts- oder Schwierigkeitsgraden der Technologien und Kompetenzen. Die Erforschung der Gründe und Ursachen ist notwendig, um die Lücke in fortgeschrittenen Digitalkompetenzen effektiv adressieren zu können. Einige Gründe werden für zukünftige Forschung vorgeschlagen, beispielsweise im Bereich der digital skills gaps und der sozialpsychologischen Forschung zur genderspezifischen Berufswahl und Stereotype gegenüber bestimmten Kompetenzen.


Kategorisiert man die möglichen Gründe, so lassen sich vier übergeordnete Konzepte definieren. Die Einflüsse dieser Konzepte (oder Oberkategorien) auf technologiezugewandte oder technologieablehnende Entscheidungen von jungen Frauen bezüglich ihrer Bildung und Karriere sind in der Humboldt-Arbeit untersucht worden. Hierzu wurden qualitative Fokusgruppeninterviews mit weiblichen Master- und Bachelorstudentinnen durchgeführt.

  1. Konzept 1 lässt sich als „Interesse an technologie-bezogenen Fortbildungsmöglichkeiten und Berufen“ zusammenfassen.
  2. Konzept 2 wird als „praktische Erfahrung mit technologischen Themen, Technologien oder Programmierkenntnissen zu einem jeglichen Lebenszeitpunkt“ definiert.
  3. Die Beschreibung als „Selbstvertrauen in Bezug auf Technologiethemen und -kompetenzen“ umschreibt das Konzept 3.
  4. Konzept 4 untersucht „die gesellschaftliche Unterstützung oder Unterstützung einer Gemeinschaft“.

Die vier Konzepte beinhalten mehrere Variablen.

Auch im Berufsleben gibt es strukturelle Unterschiede, ist ein Ergebnis der „Digital Gender Gap“-Studie. Zumindest vor der Corona-Krise arbeiteten Männer öfter im Homeoffice und waren zudem deutlich häufiger als Frauen mit mobilen Geräten ausgestattet. „Frauen und Männer müssen die gleichen Chancen haben, von mobilem Arbeiten, also räumlicher und zeitlicher Flexibilität, zu profitieren. Das können Arbeitgebende durch die richtige Ausstattung befördern. Wir empfehlen, die geschlechtergerechte Ausstattung mit mobilen Geräten in ihren Institutionen zu evaluieren und die Kriterien der Vergabe zu hinterfragen. Digitale Geräte wie Laptop und Smartphone müssen normales Arbeitswerkzeug sein, kein Statussymbol für bestimmte Positionen im Job“, forderte Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21, bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Auch im Berufsleben gibt es strukturelle Unterschiede, ist ein Ergebnis der „Digital Gender Gap“-Studie. Zumindest vor der Corona-Krise arbeiteten Männer öfter im Homeoffice und waren zudem deutlich häufiger als Frauen mit mobilen Geräten ausgestattet. „Frauen und Männer müssen die gleichen Chancen haben, von mobilem Arbeiten, also räumlicher und zeitlicher Flexibilität, zu profitieren. Das können Arbeitgebende durch die richtige Ausstattung befördern. Wir empfehlen, die geschlechtergerechte Ausstattung mit mobilen Geräten in ihren Institutionen zu evaluieren und die Kriterien der Vergabe zu hinterfragen. Digitale Geräte wie Laptop und Smartphone müssen normales Arbeitswerkzeug sein, kein Statussymbol für bestimmte Positionen im Job“, forderte Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21, bei der Vorstellung der Studienergebnisse.

Die Ergebnisse unterstützen einige evidente Thesen. Beispielsweise kann die mangelnde Attraktivität der bestehenden Bildungsangebote während des gesamten Lebens (Schulzeit, Erststudium) eine Distanzierung gegenüber Technologiethemen verursachen. Die Verfügbarkeit von Programmierkursen und -möglichkeiten allein reicht nicht aus, um Frauen (und Mädchen) den Zugang zu technologiebezogenen Bereichen und Einflussmöglichkeiten zu verschaffen. Wie müssen die Angebote gestaltet werden, um den Zugang für alle zu sichern?


  • Organisationen können mit einer Kombination unterschiedlicher Maßnahmen eine große Rolle dabei spielen, den weiblichen Technologiedialog mitzugestalten. Hierzu sollten sie ein unterstützendes Umfeld sichern und gleichzeitig Möglichkeiten der praktischen Erprobung von Technologiethemen und (fortgeschrittenen) Digitalkompetenzen bieten.
  • Leitende Angestellte können den Weg zur Mitgestaltung ebnen, indem sie mit Weiterbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Bereich von Technologien und digitalen Kompetenzen aktiv an Frauen herantreten und sie zur Teilnahme an den Möglichkeiten ermutigen.
  • Auch entsprechende Hinweise und Tipps während Coachings und karrierebezogenen Gesprächen haben einen starken Einfluss auf Berufs- und Bildungswahländerungen von Frauen zugunsten von Technologiebereichen.
  • Kolleginnen und Kollegen sollten Unterstützung bieten und signalisieren. Hierzu sollten sie auch auf eine ernsthafte und unterstützende zwischenmenschliche Kommunikation achten.

Um Genderparität im Bereich wirtschaftlicher Teilhabe und Chancen voranzubringen, muss die Schließung der digital gender gap gemeinsam durch den Privatsektor, Politik und Gesellschaft adressiert werden. Dadurch können Talentpools mit hohen Digitalkompetenzen gesichert und vergrößert werden. Sie gewinnen auch an Diversität und Innovationspotenzial. Dies beeinflusst auch die Gleichstellung in Gestaltungs- und Führungspositionen und ultimativ Genderparität insgesamt.

Titelbild: 

| Karl Magnuson / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| XPS / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

| ThisisEngineering RAEng / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Miray Salman

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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