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Regierungsbildung

Im Schwitzkasten der "GroKo"

Die Änderung des Grundgesetzes ist aus staatsrechtlicher Perspektive sicher nicht erforderlich.

Professor Dr. Georg Jochum
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Georg Jochum

    Professor Dr. Georg Jochum ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Steuer- und Europarecht und Recht der Regulierung. Seine Schwerpunkte liegen bei europäischem Gemeinschaftsrecht und dort speziell dem Finanz- und Währungsrecht.

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Eine funktionierende Demokratie braucht eine starke Opposition. Bei einer großen Koalition würde die Opposition gerade einmal 20 Prozent der Abgeordneten stellen. Sehen sie hierin eine Gefahr für die Demokratie?


Prof. Dr. Georg Jochum: Diese Gefahr sehe ich nicht. Bei der ersten Großen Koalition von 1966 bis 1969 war die Mehrheit sogar noch erdrückender, da die Koalition über 90 Prozent der Sitze Inne hatte. Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn die große Koalition in dieser Form zum Dauerzustand würde. In der Regel sorgen aber allein schon die Wähler für Abwechslung.

Wichtige parlamentarische Kontrollfunktionen erfordern einen Antrag von 25 Prozent der Mitglieder des Bundestages. Sollte da das Grundgesetz nicht geändert werden?


Jochum: Die Änderung des Grundgesetzes ist aus staatsrechtlicher Perspektive sicher nicht erforderlich. Denn nicht nur die Opposition, beispielsweise auch die Landesregierungen haben die Möglichkeit zur Normenkontrollklage und auch die Möglichkeit der Individualverfassungsbeschwerde besteht. Es gibt damit keine Rechtsschutzlücke.

Der Bundestag bei seiner konstituierenden Sitzung am 22. Oktober. Die schmalen Sitzreihen gehören der Opposition, der größten Platz beansprucht die Unionsfraktion.
Der Bundestag bei seiner konstituierenden Sitzung am 22. Oktober. Die schmalen Sitzreihen gehören der Opposition, der größten Platz beansprucht die Unionsfraktion.

CDU und SPD haben signalisiert, die Rechte der Opposition zu achten. Eine Selbstverpflichtung ist aber keine rechtliche Vereinbarung. Welche Möglichkeit bietet beispielsweise die Geschäftsordnung für die Oppostion?


Jochum: Die Geschäftsordnung und eine mögliche Selbstverpflichtung sind dasselbe, da sie beide keine klagbaren Rechte gewähren. Das kann dann doch nur das Grundgesetzt. Aber gegen eine Selbstverpflichtung von Union und Sozialdemokraten spricht verfassungsrechtlich nichts.

Trotzdem könnte die Große Koalition wie in anderen EU-Staaten zur Regel werden Sehen sie eine Gefahr, dass rechte oder linke Gruppen der außerparlamentarischen Opposition hierdurch unbeabsichtigt eine Aufwertung erfahren?


Jochum: Das Erstarken rechter und linker Extremisten war tatsächlich ein Phänomen der ersten großen Koalition von 1966 bis 1969. Unter der zweiten Großen Koalition hat sich diese Tendenz allerdings nicht gezeigt. Ich sehe diese Gefahr nicht, da sich die Mehrheit der Bevölkerung die große Koalition schließlich wünscht. Betrachtet man allerdings Die Linke und die Alternative für Deutschland als Extremisten, dann könnten diese Gruppierungen schon erstarken.

Vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages beginnt das große Stühlerücken im Plenarsaal. So wenig Platz wie dieses Mal hatte die Opposition lange nicht mehr.
Vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages beginnt das große Stühlerücken im Plenarsaal. So wenig Platz wie dieses Mal hatte die Opposition lange nicht mehr.

Die große Mehrheit der Koalition würde für Änderungen des Grundgesetzes vollkommen ausreichen. Müssen die Bürger in den nächsten Jahren befürchten, beispielsweise mehr Hoheitsrechte an die Europäische Union zu verlieren?


Jochum: Von befürchten würde ich wohl eher nicht reden, sondern eher von erhoffen. Die Große Koalition könnte zum Beispiel endlich die Föderalismusreform vollenden und die Finanzbeziehungen zwischen Bund- und Ländern grundlegend reformieren. Auch eine Reform der Europäischen Union wäre mit einer solchen Koalition leichter machbar.

Die Opposition könnte nicht einmal eine Bundestagssitzung beantragen und würde von 60 Minuten Redezeit gerade 12 Minuten beanspruchen können. Ist das wirklich im Sinne einer parlamentarischen Demokratie?


Jochum: Das ist zunächst eine Frage der Geschäftsordnung. Ich halte aber auch dies für keine wirkliche Gefahr. Das Interesse des gemeinen Volkes an Parlamentsdebatten ist auch dank der rhetorischen Fähigkeiten der meisten Parlamentarier kaum messbar. Die Präsenz in Talkshows hingegen ist schon viel effektiver.


Titel: Eigener Screenshot (ZDF heute-show / ZDF Mediathek)

Text: 2 x Deutscher Bundestag (Lichtblick / Achim Melde)

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