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Professor Dr. Eckhard Schröter ist Inhaber des Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhls für Verwaltungswissenschaft (insbesondere Verwaltungsmodernisierung) an der Zeppelin Universität und ständiger Gastwissenschaftler am Institute of European Studies der University of California, Berkeley.
Die Idee kam spontan: Warum nicht auf der Messe MODERNER STAAT 2013 eine gläserne Redaktion einrichten? Messen und Kongresse sind Orte der Kommunikation. Was liegt näher, von solchen temporären Orten Informationen zu transportieren zwar nicht in Form von Vorträgen oder Folien, sondern durch Reportagen, Geschichten und Interviews. Vier Studentinnen und Studenten der Zeppelin Universität Friedrichshafen, Otto-Friedrich Universität Bamberg und der Technischen Universität Darmstadt schreiben in den 48 Stunden des Kongresses MODERNER STAAT 2013 ein E-Book. Herausgekommen sind interessante Berichte über Frauen in Führungspositionen, E-Government in Österreich, einer App mit der man Schlaglöcher stopfen kann oder Bürgerpartizipation, um nur einige zu nennen, die in diesem Buch veröffentlicht werden. Wie man auch das Thema E-Government spannend darstellen kann, zeigt besonders die Geschichte von Florian Gehm über einen Angriff auf das Ratsinformationsnetz der Stadt Köln durch einen Hacker.
Der Highttech-Verband "BITKOM" gilt als das Sprachrohr der IT-, Telekommunikations- und Neue-Medien-Branche und vertritt mit 1.200 Direktmitgliedern insgesamt mehr als 2.000 Unternehmen. Darunter fallen alle wichtigen Global Player der Branche sowie 800 leistungsstarke Mittelständler und zahlreiche gründergeführte, kreative Unternehmen. Die BITKOM-Mitglieder erwirtschaften 140 Milliarden Euro Umsatz und exportieren Hightech im Wert von 50 Milliarden Euro, womit der Verband ca. 90 Prozent des deutschen ITK-Markts repräsentiert.
Aufgaben des Verbands sind die bereitsstellung eines großen, leistungsfähigen Netzwerkes und die Organisationeines permanenten Austausch zwischen Fach- und Führungskräften, sowie die Bildung einer Plattformen zur Kooperation untereinander und für den Kontakt mit wichtigen Kunden.
Wichtige Themen von BITKOM sind Bildung und Fachkräftenachwuchs, Netzpolitik, Datenschutz und -sicherheit, E-Government und E-Health, Mittelstand und Start-ups, Urheberrecht, Softwaretechnologien, Consumer Electronics, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und altersgerechte Gestaltung sowie eine neue Telekommunikations- und Medienordnung. Im Sinne der digitalen Konvergenz fördert BITKOM die Zusammenarbeit aller Unternehmen mit ITK-Bezug.
Eine Reportage von Florian Gehm
Dienstag, 04:45 Uhr. Der Wecker klingelt. Eine gute Stunde später führt mich mein Weg für zwei Tage nach Berlin. Einmal im Jahr treffen sich dort die Spitzen des öffentlichen Sektors: Abteilungsleiter aus Ministerien, Branchenverbände, Bürgermeister, Service-Dienstleister. „Moderner Staat“ heißen Messe und Kongress, die in diesem Jahr unter dem Thema Nachhaltigkeit stehen. Ich bin skeptisch, denn die Kombination aus Verwaltung und Nachhaltigkeit klingt weder innovativ noch spannend. „Nachhaltigkeit ist ein vielfältiges Thema – mit einer zentralen Bedeutung für Politikanwendung und die Organisationsentwicklung des öffentlichen Sektors“, erklärt mir ZU-Professor Eckhard Schröter. Die Zeppelin Universität ist in diesem Jahr einer der wichtigsten Partner für die Veranstalter. Uns so bin schließlich auch ich in Berlin gelandet.
Vier Kongressräume, einige Messeforen und unzählige Stände bieten der Besucherschar eine Menge Anlaufstellen. Auf Podien und an runden Tischen wird über den Nachwuchs in der Verwaltung diskutiert, darüber gesprochen, welche Vorteile der neue Personalausweis für den Bürger bringen kann, erörtert, wie man Verwaltungsprozesse durch elektronische Akten beschleunigen kann und erklärt, wie Menschen im Sinne von Transparenz und offenen Ämtern ihre Anliegen möglichst direkt kundtun können. Das klingt deutlich greifbarer als ich es mir gedacht habe – und vor allem deutlich relevanter. Ich setze mich in einen der Kongressvorträge – es geht um erfolgreiche E-Government-Modelle und auf dem Podium steht ein Vertreter aus Köln, der über seine Erfahrungen berichtet.
Eines Montags war Dirk Blauhut, der sich als Abteilungsleiter für Onlinedienste der Stadt Köln vorstellt, ins Büro gekommen und hatte dort seine Kollegen in heller Aufregung angetroffen. Interne Informationen waren von einem „Hacker“ auf das frei zugängliche Portal „Offenes Köln“ gestellt worden. „Gebt uns eure Daten, sonst holen wir sie uns“, hat man Blauhut damals gedroht. Kurze Zeit später trifft sich Blauhut mit dem vermeintlichen Angreifer, lässt sich von seinen Idealen überzeugen und befeuert seit dem die Bereitstellung von Verwaltungsdaten für die Öffentlichkeit.
Die Plattform „Offenes Köln“ existiert noch heute, steht vor einem großen Relaunch und visualisiert seit drei Jahren kontinuierlich verstecktes Verwaltungshandeln. Und Blauhut macht mit: Die knapp 60 anderen Dienststellen der Stadt Köln davon zu überzeugen, ihre Daten ebenfalls zu veröffentlichen, ist für ihn mittlerweile zu einer kleinen Lebensaufgabe geworden. Selbst Kinder begeistert er inzwischen für offene Daten: Mit 20 Fünf- bis Zwölfjährigen bastelte er zur Bundestagswahl einen Quiz aus dem offenen Daten-Pool der Stadt. Auch solche Erlebnisse und Geschichten fallen unter die Begriffe „Open Data“ oder „E-Government“ und werden auf der Messe erzählt. Für mich funktioniert das, ist gar nicht kompliziert und vor allem praxisnah.
Nach den ersten Vorträgen und Gesprächen verstehe ich die Idee des Kongresses und treffe beim Pressegespräch auf Vertreter des Hightech-Verbandes BITKOM, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Beschaffungsamtes des Bundesinnenministeriums. Wieder geht es um Nachhaltigkeit, schließlich gibt die öffentliche Hand jährlich über 20 Milliarden Euro für die Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechniken aus. „Die öffentliche Hand steht für rund ein Fünftel des Business-Markts in der Branche“, erklärte Marco Junk, Mitglied der Geschäftsleitung des Branchen-Verbands BITKOM, bei der Präsentation der Zahlen und verweist auf rund 30.000 deutsche Beschaffungsstellen.
Gerade deshalb spiele Nachhaltigkeit für den Verband eine besondere Rolle. So lässt sich auch die eigene Erklärung zur Nachhaltigkeit in der Beschaffung von Hardware erklären, die kürzlich formuliert wurde. Bald wolle man die Idee generelle auf sämtliche IT-Dienstleistungen ausweite, erklärt Junk. Das Gesamtvolumen für Technologie-Ausgaben in Deutschland beläuft sich auf 250 Milliarden Euro. Bereits einen Prozent zu ökonomisieren, wäre ein großer Fortschritt, wünscht sich Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am Ende des Gesprächs: „Davon könnte ich Ihnen schon eine ganze Menge Kindergartenplätze finanzieren“, sagt er und lacht.
Für den Nachmittag ist schließlich eine Preisverleihung anberaumt. Dort soll eine Internet- und Smartphone-Anwendung als „Ausgezeichneter Ort“ im Wettbewerb „Land der Ideen“ prämiert werden. Und auch hier beweist die Verwaltung, wie Innovationen funktionieren können und, dass das Ganze sogar „ziemlich cool“ ist, wie mir ein Beamter zuraunt. „Mängelmelder“ heißt das Programm, um das es geht. Die Smartphone-Applikation ermöglicht es Bürgern, Mängel in ihrer Kommune direkt an die zuständigen Behörden zu melden. Über 9.000 Einträge haben aufmerksame Bürger bis jetzt über die Anwendung verfasst – täglich kommen dutzende Beiträge hinzu. „Löcher in der Fahrbahndecke“ oder „Drei Straßenleuchten defekt“ heißen die Hinweise, die direkt und unabhängig von den Öffnungszeiten an die zuständige Verwaltungsstelle kommuniziert werden.
Als „ein richtungsweisendes Projekt für die Stadt von morgen“, loben die Laudatoren die Idee, die sich gegen 1.000 weitere Beiträge im Wettbewerb durchsetzen konnte. Tobias Klug, der „Mängelmelder“ 2010 ins Leben rief, fasst die Stärken der Anwendung zusammen: „Die Bürger erfassen ihre Meldungen selbstständig, durch die Lokalisierung via GPS lassen sich doppelte Beiträge verhindern und Probleme umgehend lokalisieren. Die Fotos runden das Gesamtpaket ab und erleichtern die Einschätzung des Problems ohne eine erste Kontrollfahrt.“
„Wenn die Meldungen direkt an die Kommune weitergeleitet werden, fühlt sich der Bürger einfach ernst genommen“, erklärt Klug die hohe Beteiligung. So werde verborgenes Verwaltungshandeln endlich für alle sichtbar – und das Stadtbild ganz nebenbei auch noch verschönert. Mittlerweile hat Klug fast alle Kommunen in seiner Datenbank registriert; immer häufiger nehmen auch die Gemeinden selbst die Dienste der Applikation für sich in Anspruch.
„Der abstrakte Begriff konnte in den Kongressforen von `Moderner Staat´ 2013 praxisnah und fachlich anspruchsvoll konkretisiert werden.“ Nach den zwei Kongresstagen zieht nicht nur Verwaltungswissenschaftler Schröter von der ZU eine positive Bilanz, sondern ich auch. Doch so schön die Innovationen und nachhaltigen Ideen auch sind, die bei „Moderner Staat“ vorgestellt wurden, umso schwerer wird es, möglichst viel davon umzusetzen. Über viereinhalb Millionen Voll- und Teilzeitbeschäftigte arbeiten im öffentlichen Dienst. Nur einige hundert von ihnen waren bei den Vorträgen in Berlin zu Gast. Schröter identifiziert vor seiner Abreise ein ähnliches Problem: „Ein nachhaltiger Austausch über Verwaltungsverfahren bedeutet auch, dass diese Stimmung aus dem Kongress in die Institutionen hineingetragen werden muss“, gibt er zu Bedenken. Dieser Aufgabe gilt es, innerhalb des nächsten Jahres anzugehen. Denn neue Innovationen lassen nicht auf sich warten und spätestens am 2. und 3. Dezember 2014 wird es neuen Input aus Berlin geben. Da findet „Moderner Staat 2014“ statt – und ich habe mir den Termin bereits rot im Kalender notiert.
Titelbild: MODERNER STAAT (Pressearchiv)
Bilder im Text: MODERNER STAAT (Pressearchiv)