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Günter Gloser studierte Rechts- und Politikwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg und war später als Rechtsanwalt tätig. Von 1994 bis 2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach seiner Tätigkeit als europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war er von 2005 bis 2009 im Kabinett Merkel I Staatsminister für Europa und zudem Beauftragter für deutsch-französische Angelegenheiten.
Aus dem Interesse an internationaler Politik und nicht zuletzt der Passion für "Model United Nations"-Konferenzen erwuchs im Herbst 2010 der Friedrichshafener Club of International Politics an der Zeppelin Universität. Der gemeinnützige Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, Studenten, Schülern und Bürgern kulturelles, wirtschaftliches wie politisches Wissen auf internationaler Ebene zu vermitteln. Mit aktuell rund 130 Mitgliedern ist der Club fester Bestandteil des politischen Hochschulbetriebs und organisiert regelmäßig unterschiedliche Veranstaltungsformate, darunter auch den "SmallTalk", der einer kleinen Gruppe interessierter Teilnehmer die Gelegenheit gibt, mit Persönlichkeiten aus der Politik in direkten Diskurs zu treten.
Die „neue deutsche Außenpolitik“ wurde zum thematischen Einstieg des Abends und Moderator Julian-Müller Kaler griff auch dort ebendiese Worte des Bundespräsidenten auf, die Anfang dieses Jahres noch für Aufsehen gesorgt hatten. Gloser nutzte diese Gelegenheit und unterstützte diese progressive Denkweise stärkeren Engagements, wobei er ebenso auf die Ansprüche deutscher Bündnispartner aufmerksam machte. So zitierte er den polnischen Außenminister, dessen Landsleute, entgegen der Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts, Ängste vor einer außenpolitischen Inaktivität Deutschlands hegten. Die Frage sei, ob man sich als deutscher Staat noch aus internationalen Konflikten heraushalten könne, bemerkte der ehemalige Staatsminister. Dass diese Frage überaus rhetorisch war und die Antwort kein pauschales „Ja!“ sein könne, wurde nicht erst deutlich, als der Redner die bisher praktizierte „Strategie der militärischen Zurückhaltung“ kritisch kommentierte. Ebenso nachdenklich äußerte er sich auch ob der Relevanz von Außen- und Sicherheitspolitik im gesamtgesellschaftlichen Diskurs: „Das Format eines Gullydeckels in Kommunen ist hierzulande vielen oft wichtiger als die deutsche Außenpolitik“, machte der die Problematik auf sehr plakative Art deutlich. Nichtsdestotrotz gelte es, außenpolitische Entscheidungen unabhängig von Ressentiments der Bevölkerung zu treffen. Schließlich seien die politischen Entscheidungsträger nur einer übergeordneten Instanz verpflichtet: ihrem eigenen Gewissen.
"Da haben wir zu spät reagiert", machte Günter Gloser zum Thema Ebola klar und zeigte nicht nur an dieser Stelle deutliche Selbstkritik. Ob bei der Bekämpfung von Epidemien, der Lösung der Flüchtlingsproblematik oder der Neuausrichtung der Ost-Politik müsse sich die Deutsche Regierung mit ihren Handlungen wesentlich stärker mit ihren europäischen Partner abstimmen, nur gemeinsam könne man erfolgreich werden. Doch genau darin sieht das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages ein Problem. Durch zu viele Partikularinteressen sei es schwierig geworden, eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu gestalten, merkt der gebürtige Franke an und wirft damit das Licht auf das Bestreben des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, eine Mittelmeer-Union zu errichten. Gleichzeitig müssten klassische Denkmuster wie die "Achse des Bösen" über Bord geworfen werden und individuelle Maßnahmen für außenpolitische Interventionen entwickelt werden, so beispielsweise im Israel-Palästina-Konflikt. "Wir haben eine Verantwortung für Israel, aber genauso gut für die palästinensische Bevölkerung. Schlussendlich müssen wir mit unseren europäischen Partnern eine gemeinsame Lösung finden."
Gefragt nach den deutschen Interessen in der internationalen Gemeinschaft, nennt Gloser schließlich ein friedliches Zusammenleben aber auch wirtschaftliche Interessen. Vor allem für ersteres müsse die Bundesrepublik mehr Verantwortung übernehmen, selbst stärker aktiv werden und damit die ihr nachgesagte politische Zurückhaltung überwinden. "Wir müssen der Bevölkerung klarmachen, dass damit nicht per se eine militärische Intervention gemeint ist", fordert der Ex-Staatsminister, ist sich aber der in einigen Fällen gegebenen Notwendigkeit solcher Einsätze dennoch bewusst. Ganz auf einer Linie mit Bundespräsident Gauck stellt sich Gloser hier partiell gegen die Position seiner ehemaligen Fraktionskollegen, die einen Eingriff im Libyen-Konflikt seinerzeit ablehnten. Selbstverständlich gehe das Völkerrecht immer vor, in bestimmten Situationen sei die Suche nach alternativen Wegen, und damit auch der Schutz der Bevölkerung gewisser Regionen, trotz allem unerlässlich. Am Ende des Abends zeichnet sich ein ambivalentes Bild der außenpolitischen Zukunft Deutschlands, wohl auch, weil es sie nicht mehr gibt, die eine deutsche Außenpolitik.
Titelbild: von Das österreichische Außenministerium (Arbeitsbesuch
Berlin Uploaded by Ailura) [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons
Bilder im Text: The U.S. Army / flickr.com (CC-BY-2.0)
Felix Lennart Hake / Zeppelin Universität
Redaktionelle Umsetzung: Felix Lennart Hake