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Unter dem Motto „Ich bin dann mal weg“ oder „Gekommen um zu bleiben?“ trafen am 24. und 25. April 2015 FamilienunternehmerInnen aus ganz Deutschland mit Gleichgesinnten, Studierenden und Wissenschaftlern zu einem generationsübergreifendem Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft zusammen. Im Mittelpunkt stand dabei in diesem Jahr der Begriff des „Unternehmergeistes“ und dessen Rolle beim Aufbau, dem Führen sowie der Übergabe eines Familienunternehmens. Dabei ergänzten sich inhaltlich Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, um den Austausch von Ideen und Innovationen zu ermöglichen.
Es folgt ein wissenschaftlicher Vortrag von Prof. Dr. Josef Wieland, Direktor des „Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ)“, zum Thema „Unternehmergeist und gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“. Ein Überblick über die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet hebt dabei hervor, dass sich Familienunternehmen im Gegensatz zu Aktiengesellschaften beispielsweise vor allem bei der Ausbildung von Mitarbeitern, durch Corporate Social Responsibility oder umweltfreundliches Wirtschaften auszeichnen. Während in der normalen Wirtschaft eher Kennzahlen von Relevanz sind, seien es in Familienbetrieben oft vor allem auch Mitarbeiter und Arbeitsplätze, die als wichtige Anspruchsgruppe im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stünden.
Wie sehr sich der vielschichtige Begriff des Unternehmergeists interdisziplinär erforschen lässt, zeigt der nächste Redebeitrag: Zwei Felder der Unternehmensforschung verbindend verdeutlicht Prof. Dr. Bernd Grottel, Professor für Finance und Accounting der TU München sowie Partner bei KPMG, wie sich der Geist eines Unternehmens im Jahresabschluss messbar machen lässt. Da sich dieses außenkommunikative Element an alle Anspruchsgruppen richtet, sei es besonders wichtig, jegliche wichtige Einflussfaktoren einzubeziehen. Obwohl sich die meisten Kennzahlen dabei auf die Vergangenheit beziehen, sei dennoch in Teilen ein Ausblick möglich: Während sich die Bilanzierung nach den Prinzipien ordnungsgemäßer Buchführung richtet, wird alles, was darüber hinaus reicht, nicht erfasst. Vielmehr steht für Grottel auch das Individuum hinter den Entscheidungen im Mittelpunkt: „Die wertvollste Ressource für jedes Unternehmen ist - wenngleich schwer im Jahresabschluss bilanzierbar- der Mensch und das in ihm steckende Vertrauenskapital“, so der Hochschuldozent und Unternehmensberater, der langjährige Erfahrung sowohl aus Wissenschaft als auch Praxis vorweisen kann.
Zum Abschluss der Vortrags-Triologie kommen Transformationsprozesse in der Führung von Unternehmen und die damit verbundenen emotionalen Folgen zur Sprache. Der ehemalige Unternehmensberater und heutige Geschäftsführer eines Familienunternehmens, Robert M. Kerl, berichtet von den Herausforderungen, die bei einer Führungsweitergabe – sowohl innerhalb der Familie als auch extern – entstehen können: Für die Übernahme eines Familienunternehmens gebe es viele Gründe und Eigenschaften, die zusammenkommen können. Der Nachfolger mag den Konzern satt sein, sich als Generalist unverstanden fühlen, sich eigene Verantwortung wünschen, alles besser wissen, ein Macher oder eine Mischung aus all dem sein. Neben Talent, Innovation, einer „Stay-Hungry-Mentalität“, Durchhaltevermögen und Mut seien dabei auch „cojónes“ und die nötige, richtig dosierte kontrollierte Aggressivität wichtig. Dabei bestünden die Herausforderungen vor allem im essentiell wichtigen Aufbau von Netzwerken sowie den zunehmend unsicheren Faktoren geopolitischer Markt- und Währungsschwankungen.
In der Pause entwickeln sich unter den Teilnehmern interessante Gespräche. Während der Nachwuchs die Hüpfburg bearbeitet, tauschen die Erwachsenen Ideen aus und knüpfen Partnerschaften. „Es sind die familiäre Atmosphäre und die Gespräche mit Leidensgenossen wie Forschern und der damit verbundenen Überbrückung von Praxis und Forschung, die den Familienfrühling zu einem so tollen Event macht“, fasst ein Teilnehmer, der als Vertreter eines erfolgreichen hessischen Unternehmens den Weg an den See gefunden hat, zusammen. „Darüber hinaus fühlen wir uns von der Uni und vor allem den studentischen Helfern sehr herzlich aufgenommen.“
Nach Kaffee und Kuchen am Strand der guten Hoffnung beginnt schließlich das zweite Format des Nachmittags, die sogenannte Diskussionsarena. Moderiert von Prof. Dr. Reinhard Prügl, der den Kongress gemeinsam mit Institutskollegin Dr. Ursula Koners leitet, diskutieren Vertreter aus Politik und Wirtschaft über die Bedeutung des Unternehmergeists für verschiedene Bereiche wie die Politik oder aber Familienmitglieder aus Unternehmerfamilien. Hannelore Spangler, die für ihre Verdienste und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln mit der bayrischen Staatsmedaille ausgezeichnet wurde, betont, dass Entscheidungen stets von einem Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter geprägt seien. Deshalb sei eine ständige Einbindung der Belegschaft im Rahmen eines Open Innovation Systems nicht nur ein Zugeständnis von Arbeitgeberseite, sondern eine sinnvolle Zukunftsinvestition, um Betriebsblindheit zu verhindern.
Eine Gefahr für die Stabilität der Gesellschaft sieht Clemens Keller, Geschäftsführer der Seeberger GmbH. Als Reaktion auf die zunehmend auseinanderklaffende Lücke zwischen Lohn und Kapitaleinkünften hat man in der Ulmer Firma ein Konzept geschaffen, bei dem Mitarbeiter in guten Jahren großzügig am Gewinn beteiligt werden. Dies geschieht zum Teil in bis zu zwei zusätzlichen Monatsgehältern, zum Teil in Genussrechten durch Firmenanteile. Zwölf Prozent des Firmenvermögens sind heute auf diese Art finanziert; die Tatsache, dass die Angestellten ihr Geld nicht abziehen, zeigt, dass sie sich in einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis mit ihrem Unternehmen befinden.
Von Seiten der Politik glaubt Susanne Schwaderer, CDU-Direktkandidatin im Bodenseekreis für die Landtagswahl 2016, daran, dass ihr ihr unternehmerisch geprägtes Profil in politischen Entscheidungen helfen kann, was zu einer guten Wirtschaftspolitik führen würde. Die angehende Landespolitikerin stammt selbst aus einem Familienbetrieb und kann auf eine lange Geschichte in der elterlichen Metzgerei zurückblicken. Sie empfiehlt, Kindern und Jugendlichen schon früh wirtschaftliche Bildung und damit auch unternehmerische Werte zu vermitteln.
Dass solch ein Unternehmergeist nicht von Geburt an eingepflanzt ist, sondern selbst erarbeitet werden muss, da sind sich alle Teilnehmer des Podiums einig: Stefan Mecheels, seines Zeichens Leiter der Hohenstein Institute, erinnert sich, dass die Übernahme vom Vater zuerst mehr aus Verantwortung geschah und der Unternehmergeist erst langsam nachwuchs. „Man muss sich das schon selbst erarbeiten, bis man einmal Blut geleckt hat und zum Unternehmer wird“, meint der Wissenschaftler, der zudem als Honorarprofessor an der PH Freiburg tätig ist.
Wie es ist, plötzlich in der Verantwortung zu stehen und Unternehmensgeist zeigen zu müssen, weiß Michaela Aurenz Maldonado gut. Die junge Geschäftsfrau wurde als „Torf-Prinzessin“ bekannt, als sie mit nur 23 Jahren ein großes Blumenerde-Unternehmen vom Vater übernahm. Oft sei sie am Anfang nicht ernst genommen und zum Kaffee holen geschickt worden, erinnert sie sich. Dennoch hat sie sich durchgekämpft und sich schnell die nötige Autorität und Erfahrung erarbeitet. Für sie als junge Chefin war bei der Übergabe das Vertrauen und der Rückhalt ihres Vaters sehr wichtig: „Mein Vater hat zu mir gesagt: ,Du bist 23 und sollst die Firma nicht übernehmen können? Ich war 18 und habe sie aufgebaut!' Das hat mich in meinem Willen bestärkt.“
Was genau Unternehmergeist jetzt ist, darüber wird am Abend noch lange weiterdiskutiert. Doch eines ist bereits klar: Es ist etwas ganz Besonderes, das große Kraft entfalten kann und kein Betrieb missen möchte - ob in der Gründungsphase oder in Spitzenzeiten der Produktion. Bis spät in die Nacht geht es an den Tischen am SeeCampus in Friedrichshafen um Innovation, Mitarbeiterorientierung oder auch die Zukunft der Kapitalmärkte. Man fühlt sich von Mitstreitern verstanden und teilt gerne eigene Erfahrungen. Viele werden 2017, zum nächsten Familienfrühling, wiederkommen. Zu einem Familienkongress zwischen Wissenschaft und Praxis, von Studierenden und Wissenschaftlern organisiert, an eine Universität zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik.
Titelbild & Bilder im Text: Zeppelin Universität / Nicolas Piepenstock
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm & Alina Zimmermann