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„Zwischen Maggi- und Knorr-Tütensoßen würde ich den Unterschied nicht schmecken. Ich denke, der ist auch nicht so groß“, erklärt Fachner. „Also muss diese Unterscheidung irgendwie in der Werbung geschaffen werden.“
„Wir hier in Italien“, beginnt der sympathische Profi-Koch mit italienischem Akzent, der schon nach ein paar Jährchen Berufserfahrung aussieht. „Da ist alles klar, dem glauben wir sowieso“, sagt Fachner. „Aber in der familienorientierten Maggi-Werbung reicht es nicht, wenn die Frau sagt: `Hier, das ist lecker´. Die Hausfrau braucht die Familie als Bestätigung.“ Kinder, die jubeln. Ehemänner, die anerkennend dreinblicken. Eine wichtige Erkenntnis aus Fachners Hausarbeit: „Es gibt immer noch dieses klassische Familienbild: Die Frau macht den Haushalt, und wenn es der Familie gefällt, dann macht sie es gut. Dass dieses Rollenbild, zwar abgewandelt und in moderner Form, in der aktuellen Werbung immer noch transportiert wird, hat mich doch ganz schön überrascht“, gibt Fachner zu. US-amerikanische Studien zu Geschlechterrollen in der Werbung hatten das zwar schon in den 1980er Jahren gezeigt, aber seitdem hat sich offenbar nicht viel getan.
Wissenschaftlich gesehen steckt hinter dieser Beobachtung die Frage, wer eigentlich in der Werbung als Experte gilt. Beim Weißkittel, der im Werbesport eine Einblendung bekommt, in der steht, dass er Dr. Soundso und Zahnarzt sei, ist die Sache klar. Ebenso bei dem pragmatischen Anpacker im Blaumann, der durch behände Arbeitsschritte in seiner Werkstatt beweist, dass er schon tausend Windschutzscheiben repariert hat. Hier zeugen Berufskleidung und Arbeitsumfeld vom Expertentum – auch, wenn die Protagonisten fiktiv sind.
Fachner unterteilt in seiner Arbeit in zwei Kategorien von Experten: „Einmal gibt es diejenigen, die durch objektive Zuschreibungen zum Experten werden, durch akademische Titel zum Beispiel oder durch eine professionelle Ausbildung.“ Daneben werden Personen durch menschgemachte Zuschreibungen zum Experten. „Weil sie Marathon laufen, kennen sie sich gut mit dem Training aus. Weil sie schon seit 20 Jahren malen, wissen sie mehr als andere über künstlerische Techniken.“ Wenn mehrere Menschen bestimmte Skills bestätigen können, kann auch Otto Normalo, der kein Profi auf einem bestimmten Gebiet ist, zum Experten avancieren. Fachner erklärt am konkreten Fall: „Wir alle haben Erfahrungen mit dem Kochen. Deswegen gelten wir aber noch lange nicht als Experten. Die Maggi-Frau wird erst dadurch zur Expertin, dass die Familie ihr Können bestätigt. Der Knorr-Koch mit dem italienischen Akzent ist auf dieses Feedback nicht angewiesen. Seine Kochjacke und sein Beruf weisen ihn aus.“
Schritt 1 der Hausarbeit: Fragestellung finden. Schritt 2:Die Termini Experte und Expertise definieren. Als Schritt 3 stellt Fachner sich die Frage, welche Wirkung die Zeichen haben, die die Werbung übermittelt. So landet er beim Begriff Identifikation. „Weil“, erklärt der CCM-Student, „womit ich mich identifiziere und wem ich vertraue, dem glaube ich.“ Beide Werbesports transportieren so eine glaubhafte Botschaft. Gleichzeitig grenzen sich hier beide Werbebotschaften voneinander ab: „Wenn du das Produkt von Maggi kaufst, bist du soundso, und wenn du das von Knorr kaufst, soundso.“
Wir sind wohl alle keine Fremden in der Welt der Fertigprodukte. Unterhaltsam ist es allemal, sich der Welt der Tütensoßen von wissenschaftlicher Seite aus zu nähern. Und vielleicht hat dieser Artikel einen Mehrwert für Studineulinge: Frage präzisieren, Begriffe aus dem Themenfeld definieren, andere Forschungsarbeiten studieren, passende Theorie applizieren, methodisches Vorgehen beschreiben und ab in die konkrete Analyse. So geht Hausarbeit! Lecker.
Titelbild: Katrin Gilger / flickr.com (CC BY-SA 2.0)
Bilder im Text: Knorr Deutschland (2013): TV Spot – KNORR Fix Bolognese Typisch Italienisch!; Maggi Kochstudio (2013): Maggi TV-Spot: fix&frisch Spaghetti Bolognese