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Papst und Patriarch

Ziemlich beste Freunde?

„Das Treffen ist angesichts der vielen Krisenherde in der Welt, die auch christliche Glaubensgemeinschaften existentiell betreffen, Ausdruck einer gemeinsam geteilten Sorge um den Frieden der Religionen untereinander und natürlich ein notwendiges Plädoyer für die sichtbare Einheit der Christenheit gegen jede Form der Instrumentalisierung von Religion.“

Dr. Ramona M. Kordesch
Akademische Mitarbeiterin am Civil Society Center | CiSoC
 
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    Zur Person
    Dr. Ramona M. Kordesch

    Ramona Maria Kordesch wurde 1986 in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Nach dem Studium der katholischen Theologie und der angewandten Relgionswissenschaften in Graz und Tübingen, fokussierte sie sich im Rahmen ihrer Promotion auf den interdisziplinären Dialog zwischen Theologie und Wirtschaft. Zusätzlich analysierte Kordesch im Rahmen ihrer Arbeit aktuelle wirtschafts-ethische Fragen der Kirche.
    Seit Mai 2013 arbeitet Kordesch an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forscht dort als Mitglied des CISoC's zusammen mit Prof. Dr. Stephan A. Jansen über innovatiove Systeme für Wohlfahrtsorganisationen im Rahmen einer Projekt-Kooperation mit dem Diözesancaritasverband Rottenburg-Stuttgart. 

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Wie bewerten Sie die Begegnung zwischen dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill und Papst Franziskus?

Dr. Ramona M. Kordesch: Eine Zusammenkunft des russisch-orthodoxen Patriarchen und des römisch-katholischen Papstes nach dem sogenannten „morgenländischen Schisma“, das Jahrhunderte – bald tausend Jahre – andauerte, ist zweifelsohne ein historisches Ereignis. Ich denke, auch viele Ostkirchenexperten haben nicht damit gerechnet, dass diese Begegnung so schnell zu Stande kommen würde. Das Treffen ist angesichts der vielen Krisenherde in der Welt, die auch christliche Glaubensgemeinschaften existentiell betreffen, Ausdruck einer gemeinsam geteilten Sorge um den Frieden der Religionen untereinander und natürlich ein notwendiges Plädoyer für die sichtbare Einheit der Christenheit gegen jede Form der Instrumentalisierung von Religion.


Mit Blick auf die historisch enge Verflechtung der russischen Orthodoxie mit der Politik, können kritische Nachfragen natürlich nicht ausbleiben. Ich denke aber, dass die im Nachgang des Treffens viel diskutiere Sorge, der Papst lasse sich durch dieses Treffen von der russischen Propaganda vereinnahmen, unbegründet ist. Dafür ist die Lage vieler Christen aller Konfessionen rund um den Globus einfach zu ernst.

Papst Franziskus gilt als besonnen und reformwillig – doch auch als echtes Politikum. Selten mischte sich ein Papst so offen in aktuelle weltpolitische Geschehnisse ein wie Franziskus. Ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama und dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, Sticheleien im Wahlkampf gegen Republikaner Donald Trump und eine Rede vor den Vereinten Nationen. Nachdem zwischen Papst und Patriarch jahrzehntelange, politische Funkstille herrschte, ist das Treffen nun also nicht nur die Verabredung zweier Glaubensgemeinschaften, sondern auch ein Politikum. Und das in Havanna – einem Ort, der nach jahrzehntelanger Abschottung in den nächsten Jahren nach Öffnung der USA zu neuem Leben erwachen könnte.
Papst Franziskus gilt als besonnen und reformwillig – doch auch als echtes Politikum. Selten mischte sich ein Papst so offen in aktuelle weltpolitische Geschehnisse ein wie Franziskus. Ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama und dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, Sticheleien im Wahlkampf gegen Republikaner Donald Trump und eine Rede vor den Vereinten Nationen. Nachdem zwischen Papst und Patriarch jahrzehntelange, politische Funkstille herrschte, ist das Treffen nun also nicht nur die Verabredung zweier Glaubensgemeinschaften, sondern auch ein Politikum. Und das in Havanna – einem Ort, der nach jahrzehntelanger Abschottung in den nächsten Jahren nach Öffnung der USA zu neuem Leben erwachen könnte.

Warum ist die Zusammenkunft der beiden Kirchenoberhäupter (kirchen-)historisch so bedeutsam?

Kordesch: Man muss nur einen Blick auf die Geschichte werfen, um zu sehen, dass die Kirchenspaltung von 1054 Konsequenzen kollateraler Art nach sich zog, die auch für die Entwicklung Europas als Ganzes folgenreich waren. Das, was wir als Westeuropäer als entscheidende zivilisatorische Errungenschaft Europas bezeichnen würden – etwa die Aufklärung, die Reformation und die Gegenreformation – haben die Länder der Ostkirchen daraufhin nicht mitvollzogen. Jener Teil Europas, der bis zu diesem Zeitpunkt byzantinisch beherrscht und kulturell geprägt war, hat sich in der Folgezeit endgültig dem Orient zugewandt.


Dabei muss angemerkt werden, dass dem Jahr 1054 eine lange Geschichte gegenseitiger Verwerfungen und zunehmender Entfremdungsprozesse kultureller und politischer Art vorausgehen. Letztendlich führten nicht nur die theologischen Streitigkeiten um die rechte Interpretation der „einen“ Wahrheit, sondern auch die politischen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen Byzanz und den italienischen Seestädten zum endgültigen Bruch. Als trauriger Höhepunkt muss vor allem das Jahr 1204 gelten, das von der Zerstörung Konstantinopels überschattet war. Damit war die endgültige Trennung von Ost und West besiegelt. Die wechselseitig ausgesprochene Exkommunikation von Papst Leo IX. und dem Patriarchen von Konstantinopel Michael Kerullarios im Jahr 1054 gilt also nicht nur als entscheidender Bruch innerhalb der christlichen Welt – ich denke, das dies für einen angemessenen Zugang zur Geschichte Europas einfach wichtig zu beachten ist.

Wie würden Sie das gegenwärtige Verhältnis zwischen der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche bezeichnen?

Kordesch: Dazu muss man den Verlauf der ökumenischen Bewegung beleuchten, denn hier sind einige Differenzierungen notwendigerweise vorzunehmen. Die unheilvolle Geschichte seit dem Jahr 1054 hat mit der Aufhebung der Bannbullen durch Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras im Jahr 1965 eine entscheidende Wende genommen. Die Konsolidierung des gemeinsamen Glaubensfundaments sowie die Feststellung weiterer Übereinstimmungen in Bezug auf das Glaubensbekenntnis und die Bedeutung der Sakramente haben die Dialoge rasch voranschreiten lassen. Der Vorwurf des Uniatismus – also der aktiven Mission in Form der Errichtung von ordentlichen Kirchenverwaltungen für römisch-katholische Minderheiten innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes der orthodoxen Kirche vor allem in Russland – haben die ökumenischen Bemühungen wieder an Grenzen gebracht, die unüberwindbar schienen.


Funkstille herrschte aus politischen Gründen während des Pontifikats von Johannes Paul II., der ja am schnellen Verfall des kommunistischen Systems maßgeblichen Anteil hatte. An dieser Stelle hatte man oftmals einen feindlichen Akt interpretierend heraufbeschwört, da der Fall der Sowjetunion natürlich auch konfessionelle Abwanderungen Richtung unierter Kirche – die von nun an nicht mehr illegal war – nach sich zog.

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Was änderte sich mit dem Pontifikat von Benedikt XVI.?

Kordesch: Erst das Pontifikat von Benedikt XVI. hat den Gesprächen mit der russischen Orthodoxie wieder eine neue und theologisch- entscheidende Richtung gegeben. Die von ihm beauftragte Kommission stellte sich der zentralen Frage im Rahmen des Zustandekommens von wechselseitiger Kirchengemeinschaft, nämlich der Frage nach der exklusiven Stellung des Bischofs von Rom. Von da an stand und steht fortwährend das Verhältnis von Primat und Synodalität in den Kirchen zur Diskussion, über das man auch bei der alles übertönenden Freude über die aktuellsten Entwicklungen in beiden Kirchen nicht hinwegsehen darf.


Wieso gelingt Papst Franziskus, was fast 1000 Jahre zuvor keinem Papst gelang?

Kordesch: Man muss schon auch sehen, dass das tatsächliche Zustandekommen des Treffens der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Weges wechselseitiger Anstrengungen ist, auf die beide Kirchenoberhäupter nun aufbauen. Seit 30 Jahren ist römisch-katholischerseits ein Treffen immer gewollt gewesen, jedoch von Seiten des russischen Patriarchats immer abgelehnt worden. Die hohe Wertschätzung des Patriarchen für Benedikt XVI. hat die Hoffnung genährt, dass die ökumenischen Bemühungen auch mit dem neuen Pontifikat weiter fortgesetzt und intensiviert werden können. Ich denke also, der Erfolg dieses Treffens ruht auf vielen Schultern – hinzukommt, dass die bedrohliche Lage der Christenheit im Nahen Osten dieses Treffen zu einer dringenderen Agenda hat werden lassen.

Eine Überraschung ist nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Ort der Begegnung: Warum Kuba?

Kordesch: Kuba ist für ein solches Treffen ein recht unbelasteter Ort – weit weg von allen historischen Belastungen und Prägungen, die das Verhältnis der beiden Kirchen zerrüttet haben. Ich glaube nicht, dass die Ortswahl von politischen Motiven beeinflusst war: Kyrill hat Kuba besucht und Franziskus Mexiko. Auch wenn der Papst Lateinamerikaner ist, denke ich nicht, dass er über die Ortswahl strategisch – also im realpolitischen Sinn – nachgedacht hat. Er unterstreicht nur die Perspektivenerweiterung der römisch-katholischen Kirche, die sich mit Franziskus – quasi vom Haupt her – mehr und mehr als Weltkirche versteht.


Am Ende des Treffens stand eine gemeinsame, 30 Punkte umfassende Erklärung. Welche Botschaften sind darin enthalten?


Kordesch: Die gemeinsame Erklärung spricht in den Hauptpunkten vor allem den Schutz der Christen vor Verfolgung und Vertreibung im Nahen Osten und in Nordafrika an. Insbesondere die Punkte 10 und 11 beziehen Stellung zum Bürgerkrieg in Syrien und dem Ukraine-Konflikt und nehmen die Internationale Gemeinschaft in die Pflicht, sich gegen Krieg, Verfolgung, Gewalt und Terrorismus zu vereinen. Kyrill und Franziskus stellen den Wert der Religionsfreiheit exklusiv heraus und verurteilen die Instrumentalisierung des Gottesnamens für menschenfeindliche, terroristische Aktionen einer fanatischen Minderheit mit einem Bibelwort aus 1 Korinther 14, 33 klar: „Gott ist nicht ein Gott der Unterordnung, sondern ein Gott des Friedens.“

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Was darf man für das zukünftige ökumenische Gespräch erwarten?

Kordesch: Ein fortwährender, konsequent-ehrlicher ökumenischer Dialog muss berücksichtigen, dass hier ein an die nationale Kultur gebundenes orthodoxes Kirchenverständnis und ein universal geprägtes katholisches Kirchenverständnis nach wie vor unausgeglichen nebeneinander stehen. Dennoch darf bekräftigt werden, was die Gesten der beiden Kirchenoberhäupter in der kubanischen Hauptstadt Havanna deutlich gezeigt haben: Der Seins- und Wesensgrund der einen Christenheit, nämlich das Bekenntnis zum einen Herrn Jesus Christus und der daraus inspirierte kirchliche Auftrag in der Welt ist ein einheitlicher, weshalb von tief gespaltenen Kirchen nicht mehr die Rede sein kann.


Ich finde es für die Folgezeit nun spannend, wie sich die katholische Kirche zum bevorstehenden panorthodoxen Konzil verhalten wird, das im Juni auf Kreta stattfindet. Letztendlich kommt es ja nicht nur auf Gesten an, sondern auf die belastbaren Ergebnisse des ökumenischen Gesprächs, das mit der freundschaftlichen Zusammenkunft in Havanna unter guten Vorzeichen steht. Mit Blick auf erste Schritte zu einer gemeinsamen Sozialverkündigung ist viel erreicht, das ökumenische Ziel aber wird noch längeren Atem von beiden Seiten einfordern.

Titelbild: 

| Republic of Korea / flickr.com (CC BY-SA 2.0)


Bilder im Text: 

| The White House / Pete Souza (Public Domain

| Kremlin.ru / The President of Russia (Media announcements)

| Martin Schulz / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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