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Werner Sonne schrieb schon als 15-jähriger Schüler für die lokale Zeitung in Leverkusen. Von der Zeitung kam er zum Hörfunk und schließlich zum Fernsehen. Als ARD-Korrespondent berichtete er aus Washington, Warschau und dem Hauptstadtstudio Berlin. Bis zu seinem Ruhestand 2012 war er Korrespondent des „ARD-Morgenmagazins“.
Deutschland gehöre nicht zu den Tauben, betont der langjährige ARD-Korrespondent in Washington, Journalist und Autor Werner Sonne, während er am 7. Februar als Gast des Club of International Politics e.V. im Graf-von-Soden-Forum der Zeppelin Universität spricht. Der Fokus liegt an jenem Abend auf den Entwicklungen transatlantischer Beziehungen als Reaktion auf die US-Sicherheitsstrategie unter Donald Trump und eine Wiederkehr von Atombomben. Droht eine Aufrüstung wie im Kalten Krieg?
„Die Bayern haben Schuld“ an den gereizten internationalen Beziehungen im Jahre 2018, stellt Werner Sonne zu Anfang seines Vortrages fest. Hätten diese den Großvater des heutigen US-Präsidenten, nachdem er 1858 aus Amerika zurückkam, nicht wegen des geschwänzten Militärdienstes zurück in die USA geschickt, sondern in der kleinen Gemeinde Kallstadt in der linksrheinischen Pfalz, welche damals noch zum Königreich Bayern gehörte, wieder aufgenommen, dann wäre Donald Trump heute vielleicht im Dschungelcamp oder maximal Bürgermeister von Kallstadt – hätte jedoch keine Atomwaffen zur Verfügung.
Da dies jedoch nicht der Fall ist, beschäftigen sich Politiker und Experten für Außen- und Sicherheitspolitik – zu Letzteren zählt Werner Sonne zählt – im Jahre 2018 wieder verstärkt mit der drohenden Gefahr durch Atomwaffen. Gegensätzlich zu der Vermutung, dieses Problem sei mit dem Ende des Kalten Krieges verschwunden, berichtet Sonne von nach wie vor etwa 15.000 Atomsprengkörpern, die auf lediglich neun Nationen aufgeteilt sind, wobei den Vereinigten Staaten und Russland 90 Prozent davon zustehen. Deutschland sei zwar „kein atomares Pulverfass mehr“, doch auch in der Eifel liegen Atomwaffen mit der 26-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Ihre Verfügung untersteht der US Air Force und diese wiederum dem US-Präsidenten.
Doch nicht nur ihre Existenz und Verfügung wirkt bedrohlich, sondern insbesondere die „Renaissance der Atombombe“, die sich aus der US-Sicherheitsstrategie der vergangenen Jahre lesen lässt. Schon unter Obama wurde eine Modernisierung der Atomwaffen ins Auge gefasst, konkreter ist von der Entwicklung kleinerer Atomwaffen in einem Pentagon-Papier zur Atomwaffendoktrin zur Abschreckung Russlands die Rede. Im gleichen Dokument, welches unter der Regierung von Trump bestätigt wurde, werden Russland, China, Nordkorea, Iran und Terroristen als die fünf Schlüsselopponenten im Bereich der amerikanischen Sicherheit gelistet, die es abzuschrecken gilt.
Den USA positiv anzurechnen ist die Bereitschaft zu verhandeln und die angestrebte Kooperation mit der westlichen Allianz, der NATO, in Fragen der Nuklearwaffen. Der fünfte Artikel des Nato-Vertrages – in welchem Abschreckung als legitimes Mittel für Sicherheit im 21. Jahrhundert deklariert wird – wurde zuletzt beim NATO-Gipfel in Warschau mit breiter Unterstützung Deutschlands bestätigt. Auf Initiative der OEWG-Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hin entstand im Frühjahr 2017 ein Atomwaffen-Verbotsvertrag, das Deutschland vehement ablehnte – damit gehörte es allerdings zu einer Minderheit. Zur gleichen Zeit verkündete eine Pressesprecherin des Außenministeriums, dass die Bundesregierung für eine atomfreie Welt stehe und sich in allen Foren, in denen das Thema debattiert wird, dementsprechend positionieren und sich dafür einsetzen werde.
Diese Unentschlossenheit findet sich auch in den Koalitionsverhandlungen, da sich Martin Schulz zuerst dem Ziel einer atomfreien Welt aussprach, dann jedoch im Zuge der Verhandlungen für „Rüstung und Kontrolle als primäres Ziel der Außen- und Sicherheitspolitik“ stimmte. Weiter steht im Koalitionsvertrag, dass Deutschland die Abschreckung in Form von Kernwaffen unterstützt und sich daran beteiligen möchte – Abrüstungsgespräche dagegen seien nur im Falle von erfolgreichen Verhandlungen möglich. Dafür müssen Gespräche erst einmal erfolgreich verlaufen, kritisiert auch Sonne an dieser Stelle. Auch die Semantik von „Rückversicherung“ zu „Abschreckung“ erinnere an ein Aufrüsten wie im Kalten Krieg. Deutschland hat zwar seit 1945 keine alleinige Verfügung über atomare Sprengkörper, aber nimmt deutlich Stellung.
Während erfolgreiche Abrüstungsgespräche anstehen, wird bei der deutschen Luftwaffe und im Ministerium von Ursula von der Leyen heftig über die Modernisierung der vorhandenen Atomwaffen und ihrer Tüchtigkeit gestritten. Als Alternative zum fast 60 Jahre alten „Tornado“ steht ein amerikanisches Modell und der Euro-Fighter. Die Abwägung zwischen beiden klingt stark nach Auf- anstatt Abrüstung.
„Die Entscheidung der US-Regierung für neue taktische Atomwaffen zeigt, dass die Spirale eines neuen atomaren Wettrüstens bereits in Gang gesetzt ist“, erklärte Außenminister Sigmar Gabriel Anfang 2018, doch auch Deutschland gehört nicht zu den Tauben in dieser Sache.
Die geopolitische Lage verändere sich momentan zu stark, um Atomwaffen als Spielzeug zu benutzen. Der Experte und Gast Werner Sonne rät am Mittwochabend zur Ruhe und dazu, sich auf die Gemeinsamkeiten mit den USA zu besinnen – „Wir möchten doch transatlantisch bleiben!“
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Bilder im Text:
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm