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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt. Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Wie funktioniert so eine CO2-Bepreisung überhaupt?
Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: Eine CO2-Steuer kann relativ leicht über die Anpassung der in Deutschland bereits erhobenen Energiesteuer etabliert werden. Ziel der CO2-Bepreisung ist ja, auch in den Sektoren, die nicht vom europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS abgedeckt werden, eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes herbeizuführen. Dies betrifft den Verkehr, die private (und kleinbetriebliche) Nutzung von Energieträgern für Wärme und sonstige Zwecke und eigentlich auch die Landwirtschaft. Dort gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt im Sinne einer bereits bestehenden spezifischen Verbrauchssteuer. Eine eigene CO2-Steuer neu einzuführen, wäre grundsätzlich auch möglich, dürfte aber angesichts der bundesrepublikanischen Finanzverfassung eher ein mühsames und langwieriges Unterfangen sein.
In Berlin werden aktuell verschiedene Modelle für die Bepreisung diskutiert. Könnten Sie uns einen Überblick über die unterschiedlichen Modelle geben?
Eisenkopf: Bereits seit Längerem wird in der Wissenschaft über eine CO2-Steuer als Alternative zum Emissionshandel diskutiert. Ein sehr prominenter Vertreter dieser Idee ist der mittlerweile mit dem sogenannten Wirtschaftsnobelpreis geehrte William Nordhaus: Er schlägt für ein wohlfahrtsmaximierendes Szenario eine weltweite Besteuerung mit 30 US-Dollar je Tonne CO2 vor, wobei der Steuersatz im Zeitablauf mit der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden soll.
Während die Bundesregierung derzeit noch heftig darum ringt, ob überhaupt eine zusätzliche CO2-Besteuerung eingeführt werden soll, und wenn ja, in welcher Höhe, sind die Grünen bereits mit einem konkreten Vorschlag vorgeprescht. Sie wollen für Verkehr und Wärme eine Bepreisung in Höhe von 40 Euro je Tonne CO2 einführen; mittelfristig sollen sich die CO2-Preise an den „realen Schadenskosten“ orientieren. Der Vorschlag verspricht aufkommensneutral zu sein, denn im Gegenzug soll die Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz abgesenkt und ein Energiegeld von 100 Euro pro Kopf eingeführt werden.
Auch das Umweltbundesamt schlägt eine solche Steuer vor, die mit einem moderaten Eingangssatz beginnen und schrittweise steigen soll. Entlastet werden sollen die Bürger durch eine Senkung der EEG-Umlage und spezifische Hilfestellungen wie Zuschüsse zum Kauf energiesparender Waschmaschinen oder Kühlschränke. Die FDP und Teile der CDU lehnen eine spezielle CO2-Steuer dagegen nach wie vor ab und plädieren für eine Einbeziehung der betroffenen Sektoren in das EU-ETS.
Am vergangenen Freitag hat zudem Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Ergebnisse dreier Gutachten vorgestellt, in denen die Effekte einer CO2-Steuer untersucht werden, die von 35 Euro je Tonne im nächsten Jahr bis auf 180 Euro im Jahr 2030 ansteigt. In diesen Gutachten geht es insbesondere um die sozialverträgliche Ausgestaltung einer CO2-Steuer, aber auch um die Auswirkungen auf Energieverbrauch und Emissionen.
Die Bepreisung eines Stoffes ist letztlich nichts anderes als eine Steuer. Könnten Sie an einem Beispiel verdeutlichen, welche Auswirkungen dies auf ein konkretes Gut oder eine Dienstleistung hätte?
Eisenkopf: Man kann das relativ leicht am Beispiel Benzin oder Diesel festmachen. Die Verbrennung von einem Liter Superbenzin führt zu einer Emission von 2,37kg CO2, bei Diesel beträgt die Emission aufgrund der höheren Energiedichte 2,65kg. Mit dem Dreisatz findet man sofort heraus, dass sich bei einem Steuersatz von 40 Euro je Tonne CO2 Benzin um 9,5 Cent und Diesel um 10,6 Cent je Liter verteuern müsste. Allerdings ist noch die auch auf die Mineralölsteuer erhobene Mehrwertsteuer zu addieren, dann landen wir bei Mehrkosten von 11,3 beziehungsweise 12,6 Cent je Liter. Diese Beträge entsprechen etwa den täglich an deutschen Tankstellen zu beobachtenden Preisschwankungen. Hieraus klimarelevante Verhaltensänderungen der Autofahrer abzuleiten, halte ich für abenteuerlich. So schätzt zum Beispiel auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in der am Freitag vorgestellten Studie, dass durch eine CO2-Steuer in Höhe von 35 Euro im Verkehrssektor kurzfristig nur rund 1 Million Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden; dies ist deutlich weniger als ein Prozent der aktuellen Emissionen des Verkehrssektors.
Vergleichbare Zusatzbelastungen ergeben sich beim Erdgas für Zwecke der Heizung und Warmwasserbereitung. Erdgas wird derzeit mit 0,55 Cent je kWh Wärmegehalt besteuert und weist laut Angaben des Umweltbundesamtes einen spezifischen CO2-Ausstoß von 55,9 Tonnen CO2 je Terajoule auf. Dies entspricht 0,2kg CO2-Emissionen je KWh; der von den Grünen vorgeschlagene Steuersatz verteuert Erdgas um 0,8 Cent je kWh. Über alle Haushalte gemittelt kann man von einem durchschnittlichen jährlichen Haushaltsverbrauch von 22.000 kWh ausgehen und kommt so zu Mehrkosten von 177 Euro p.a. (rund 13 Prozent).
Ist der Vorstoß überhaupt sozial gerecht? Wer gewinnt und wer verliert?
Eisenkopf: Bei solchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen gibt es immer Gewinner und Verlierer. Man muss zunächst festhalten, dass eine CO2-Steuer allein insbesondere kleinere Einkommen belastet. Hier steigt der Anteil der Ausgaben für Verkehr und Energie überproportional. Ein Kopfgeld von 100 Euro je im Haushalt lebender Person oder die Absenkung der Stromsteuer beziehungsweise Senkung der EEG-Umlage können das gegebenenfalls kompensieren. Das erwähnte Gutachten des DIW zeigt anhand von empirisch durchaus fundierten Simulationsrechnungen, dass die Verteilungswirkungen einer CO2-Steuer mit „Klimaprämie“ und eventuell Energiesteuerermäßigung sogar progressiv wirken, das heißt Haushalte mit höherem Einkommen leicht belastet werden, während Haushalte mit geringerem Einkommen etwas profitieren. Nicht beachtet werden in dieser Rechnung allerdings die kostentreibenden Effekte der Steuer bei anderen Konsumgütern. Tendenziell besser stehen kinderreiche Familien und Familien ohne eigenen Pkw. Sehr viel stärker belastet werden Vielfahrer, Fernpendler, Nutzer hochmotorisierter Pkw und Bewohner großer Immobilien.
Wie beurteilen Sie einen solchen Vorschlag aus wirtschaftspolitischer Sicht?
Eisenkopf: Eine Betrachtung der Gewinner und Verlierer einer solchen Maßnahme ist zwar aufschlussreich, geht aber am Kern des Problems vorbei. Es kann nicht darum gehen, mit der CO2-Steuer Klimapolitik als neue Umverteilungspolitik zu etablieren, sondern die Ressourcenallokation zu verbessern. Deren Balance ist empfindlich gestört, wenn Externalitäten wie CO2-Emissionen bei den verschiedenen Energieträgern völlig unterschiedlich bepreist werden. Dies bedeutet einen Verstoß gegen das Äquimarginalprinzip der Umweltökonomie.
Bereits heute wird zum Beispiel der Kraftfahrzeugverkehr in erheblicher Weise belastet. Der Steuersatz der Energiesteuer (vulgo Mineralölsteuer) beträgt derzeit 65,45 Cent je Liter Benzin (47,04 Cent für Diesel) bei Verwendung in Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Im Zuge der ökologischen Steuerreform ab 1999 wurde die Erhöhung der Steuersätze (fünfmal 6 Pfennige = 3,07 Cent im Jahresrhythmus) sogar explizit mit einer beabsichtigten Reduzierung der CO2-Emissionen begründet. Somit wird jede Tonne CO2 bei Superbenzin implizit mit 276 Euro besteuert, für Diesel liegt der implizite Steuersatz bei 177 Euro. Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer auf die Mineralölsteuer kommt man sogar auf rund 329 Euro je Tonne CO2 (211 Euro für Diesel). Für Erdgas macht der entsprechende implizite Steuersatz dagegen nur 27,50 Euro je Tonne aus, während der aktuelle Preis für ein Emissionsrecht im EU-ETS bei gut 25 Euro je Tonne CO2 liegt.
Eine wichtige Aufgabe der Politik wäre demnach eine Harmonisierung der Besteuerung von CO2-Emissionen und dies nicht nur im nationalen Kontext, um sich im Sinne von Nordhaus einer optimalen Bepreisung zu nähern.
Ist eine CO2-Bepreisung eine passende Antwort auf den Klimawandel? Wenn nicht, was wären aus wissenschaftlicher Sicht bessere Konzepte?
Eisenkopf: Was derzeit vorgeschlagen wird, ist eher eine Alibi-Handlung mit sozialpolitischem Anstrich, da die stärksten Belastungen von den tendenziell „Wohlhabenden“ zu tragen sind. Die Klimawirkungen einer CO2-Steuer in Höhe von 35 Euro oder 40 Euro je Tonne CO2 im Verkehrssektor liegen dagegen kurzfristig im Bereich der Schätzunsicherheiten der zugrundeliegenden Elastizitäten. Dies ist angesichts der bereits sehr hohen aktuellen Besteuerung auch unmittelbar plausibel. Etwas stärker, aber immer noch sehr überschaubar, sind die Effekte im Bereich der Wärmenutzung von Öl und Gas.
Erst bei einem Preis von 80 Euro und insbesondere bei dem für 2030 antizipierten Preis von 180 Euro kommt es zu quantitativ bedeutsamen Lenkungswirkungen. Dies wird aber dann für viele Betroffene deutlich teurer und nur bedingt kompensierbar. So stellt das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in seinem Gutachten fest, dass bei einem Steuersatz von 180 Euro selbst eine Kombination aus Klimaprämie von 100 Euro pro Person und EEG-Umlage- beziehungsweise Stromsteuersenkung nicht ausreicht, um eine volle globale Kompensation der Steuerlast umzusetzen.
Offensichtlich traut sich niemand, den Bürgern zu sagen, dass eine kurzfristige, spürbare Reduktion der CO2-Emissionen nur mit Verzicht und Einschränkungen der auf der Nutzung von fossilen Energieträgern basierenden Wirtschafts- und Freizeitaktivitäten und damit unseres Wohlstands erreichbar ist. Zudem zeigen die Vorschläge wenig wirtschaftspolitischen Sachverstand. So gehört es zum Einmaleins der Mikroökonomie, dass eine eventuell pauschale Einkommenserhöhung durch eine „Klimaprämie“ auch wieder eine Nachfrage nach CO2-relevanten Aktivitäten (zum Beispiel Freizeit- und Urlaubsreisen) auslöst oder verwendet wird, um das bisherige Niveau der Mobilität und der Energienutzung aufrechterhalten zu können. Die Analyse abstrahiert zudem von generellen Realeinkommenssteigerungen, welche die Energienachfrage befeuern. Die Erwartung spürbarer Verhaltensänderungen durch eine CO2-Steuer in Höhe von 35 oder 40 Euro ist angesichts aller vorliegenden empirischen Befunde einfach nur naiv; sie geht eine traurige Liaison mit der unterkomplexen Vorstellung ein, man könne auf einen festen Weltmarktpreis für Energie einfach so einen Betrag draufsatteln, ohne das Verhalten der Energieanbieter zu berücksichtigen.
Sicherheit für den Emissionspfad zumindest in Europa würde dagegen die Einbeziehung von Verkehr, Wärmemarkt und Landwirtschaft in das Europäische Emissionshandelssystem EU-ETS bieten. Dies ist für den Kraftstoff- und Wärmemarkt über einen Upstream-Ansatz relativ einfach möglich. Weder CO2-Steuer noch Emissionshandel werden jedoch positive Auswirkungen auf das Klima haben, wenn Deutschland oder die EU diese Vorhaben im Alleingang betreiben und der Rest der Welt sich entspannt zurücklehnt.
Titelbild:
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Bild im Text:
| Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit / Photothek / Thomas Trutschel | Pressebilder
Redaktionelle Betreuung und Umsetzung: Florian Gehm