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Professor Dr. Jarko Fidrmuc ist gebürtiger Slowake und absolvierte zunächst ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in seiner Heimatstadt Bratislava, bevor er 2000 an der Universität Wien promoviert wurde. In seiner Doktorarbeit befasste er sich mit der Integration Osteuropas in die Europäische Union. Im Jahr 2005 wurde er als Professor für Politische Ökonomie mit Schwerpunkt Osteuropa an die Volkswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. 2013 hat Fidrmuc an der Zeppelin Universität seine Arbeit als neuer Inhaber des ZEPPELIN-Lehrstuhls für Internationale Wirtschaftstheorie und -politik aufgenommen.
Fabian Reck ist seit 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZEPPELIN Lehrstuhl für International & Digital Economics. Sein Forschungsschwerpunkt ist Entwicklungsökonomie mit Fokus auf Institutionen und gute Regierungsführung.
Er studierte im Bachelor Internationale Entwicklung mit dem Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Im Master studierte er International Business and Economics an der Universität Hohenheim. Danach arbeitete er zwei Jahre für Industrie- und Handelskammern in Deutschland, Brasilien und Irland.
Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hat Mexiko eine der höchsten Mordraten der Welt. Mexiko war im Jahr 2020 auf Platz vier der tödlichsten Länder der Welt, direkt nach Jamaika, Honduras und Südafrika und weit vor anderen mittelamerikanischen Ländern wie Panama und Costa Rica.
Nach einem kurzen Rückgang der Gewalt zwischen 2011 und 2014 steigt Mexikos Mordrate wieder an. Sie liegt im Jahr 2020 mit 28,37 getöteten Menschen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf einem sehr hohen Niveau. Im Gegensatz zum Beginn des mexikanischen Drogenkrieges im Jahr 2006 mit einem Wert von 9,72 Menschenopfer pro 100.000 hat sich die Mordrate fast verdreifacht.
In unserem Forschungsbeitrag mit dem Titel „Impact of the drug war on regional social capital in Mexico“ haben wir eine historisch-politische mit einer quantitativ-ökonomischen Analyse verbunden. Unter Sozialkapital versteht der französische Soziologe Pierre Bourdieu das Produkt sozialer Netzwerke und Beziehungen. Darüber hinaus bezeichnet der US-amerikanische Soziologe Robert Putnam Sozialkapital als heterogene Merkmale der sozialen Organisation wie Vertrauen und Normen, die die Effizienz der Gesellschaft verbessern können. Sozialkapital ist daher eine relevante Determinante von ökonomischer Entwicklung.
Weil in Kriegsgebieten keine verlässlichen Datenquellen über das Sozialengagement der Bevölkerung vorhanden sind, haben wir für unser Forschungsvorhaben auf eine innovative Messgröße von Sozialkapital zugegriffen, die auf Daten von Google Trends basiert. Um die Suchanfragen zu nutzen, wurde ein eigener Google-Index entwickelt, der das Sozialkapital für die folgenden vier Themenbereiche misst: (1) „Freiwilligenarbeit und soziale Hilfe“, (2) „Gemeinschaftsleben“, (3) „Wohltätigkeit“ und (4) „politisches Engagement“. Der resultierende Index wurde auf 100 normiert. Die von uns genutzten Daten umfassen die 32 Bundesstaaten Mexikos und decken den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2016 ab.
Mit diesen Daten analysierten wir den Gewaltausbruch seit dem Amtsantritt des mexikanischen Ex-Präsidenten Felipe Caldéron. Dieser initiierte eine international unterstützte Bekämpfung der Drogenkartelle mit Militär und Polizei. Darauf reagierten die Drogenkartelle mit dem Aufbau eigener Privatarmeen und einem immer höheren Ausmaß an Gewalt. Vom Beginn der Amtszeit Calderóns bis Ende 2014 forderte der Krieg gegen die Drogen offiziell mehr als 60.000 Menschenleben in Mexiko. Das führte in der mexikanischen Gesellschaft und Wirtschaft zu einem Zustand allgemeiner Angst und Verletzlichkeit.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Mordrate in den mexikanischen Bundesstaaten negativ mit unserem Google-basierten Sozialkapitalindex korreliert. Dies bestätigt, dass Sozialkapital in Mexiko also tatsächlich aufgrund des Drogenkrieges abnahm.
Dennoch ist es wichtig, die Ergebnisse unserer Forschungsarbeit mit Vorsicht zu genießen, da unser Sozialkapitalindex vor allem einen allgemeinen Trend abbildet. Trotz einer bestimmten Unsicherheit über die genauen Effekte besteht dennoch kein Zweifel über die Richtung der Auswirkungen. Gewalt schafft Mistrauen und erhöht die Armut in den betroffenen Regionen. Dies ist insbesondere auch mit Hinblick auf den Krieg in der Ukraine relevant. Auch dort wird aufgrund der Gewalt das Sozialkapital verfallen. Es ist daher wichtig, Militärkonflikte und Gewalt zu vermeiden beziehungsweise so schnell wie möglich zu beenden. Dabei ist besonders wichtig, dass keine sich verstärkende Spirale der Gewalt und Armut entsteht. Das sollte ein Ansporn für Regierungen sein, die Rechtssicherheit in Mexiko wie auch der Ukraine möglichst bald wieder einzuführen.
Titelbild:
| Jeremy Lwanga / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Bilder im Text:
| Prof. Dr. Jarko Fidrmuc / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm