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Wie ist es um den Qualitätsjournalismus in Deutschland und den USA bestellt?
Katya-Christina Eckert: Die USA machen uns vor, wie stark die Wirtschaftskrise und die digitalen sowie strukturellen Veränderungen den Print-Sektor beeinflussen. Nach einer Statistik des US-Handelsministeriums aus dem Jahr 2010 gehen die Erlöse der Zeitungshäuser in den USA kontinuierlich zurück, zuletzt um bis zu zehn Prozent. Auch wenn die deutsche Presselandschaft mit ihrer Vertriebsstruktur und ihrer stark öffentlich-rechtlichen Finanzierung mit den USA nicht unmittelbar vergleichbar ist, haben derlei Entwicklungen auch Rückkopplungseffekte auf den Mediensektor in Deutschland.
Wo lassen sich diese Effekte in Deutschland beobachten?
Eckert: Nach Jahren der wachsenden Medienvielfalt und des Nebeneinanders der Print- und Online-Medien werden in Deutschland erste Zeitungsschließungen, wie zum Beispiel die der Financial Times Deutschland im Dezember 2012, vermeldet. Auch die Frankfurter Rundschau ist insolvent, zeitgleich hatte die Süddeutsche Zeitung Einsparungen angekündigt. Ursachen dafür sind einerseits die in Folge der Wirtschaftskrise wegbrechenden Vertriebs- und Anzeigenerlöse und andererseits strukturelle Veränderungen, die einen tiefgreifenden sozio-kulturellen wie technologischen Wandel umfassen.
In den USA fördern Stiftungen öffentlich-rechtliche Medien und Plattformen wie Pro Publica mit Millionenbeiträgen. Wie lässt sich dieses starke Engagement von Stiftungen erklären?
Eckert: Die US-amerikanische Medienlandschaft ist zwar primär privat finanziert, dennoch spielt der gemeinnützige Sektor seit jeher eine wichtige Rolle für das Presse- und Mediensystem und dessen Ausrichtung und Entwicklung. So gäbe es ohne Stiftungen in den USA keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da dieser durch den Staat nur in einem geringen Maße unterstützt wird. Der Markt schafft es auch nicht mehr aus eigener Kraft, eine qualitativ hochwertige und unabhängige journalistische Berichterstattung sicher zu stellen. Eine staatliche Förderung des Journalismus wäre zwar eine Lösung, aber aus historischen und verfassungsrechtlichen Gründen ist das nicht zu erwarten. Stiftungen wird als Akteuren der Zivilgesellschaft vom Staat eine große Verantwortung zugewiesen.
Worin besteht der Vorteil dieser Stiftungsfinanzierung?
Eckert: Die unabhängigen Nachrichtenplattformen ProPublica und The Center for Investigative Reporting unterstützen in den USA einen Journalismus, der die Demokratie fördert, der investigativ und unabhängig und von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist. In Deutschland sieht das ein bisschen anders aus, was nicht verwunderlich ist, wenn man sich das noch sehr geringe Ausmaß der privatwirtschaftlichen Finanzierungsform anschaut.
Wie unterscheidet sich die Förderungslogik deutscher Stiftungen von amerikanischen?
Eckert: Auffällig ist, dass in Deutschland unzählig viele Journalistenpreise ausgeschrieben sind. Diese Form der Förderung hat wenig mit einer systematischen Unterstützung von Journalismus zu tun, so wie es in den USA der Fall ist, sondern ist eher eine Förderung von Journalisten. Das liegt meiner Meinung nach an dem allgemein mangelnden Bewusstsein für die Wichtigkeit des Erhalts des Qualitätsjournalismus und seine Bedeutung für die Demokratie. Den Stiftungen hierzulande fehlt aber auch das finanzielle Budget, um eine Gesamtinstitution zu fördern und nicht nur einzelne Journalisten. Aus etlichen Gründen, die ich ausführlich in meiner Bachelorarbeit beschrieben habe, fördern US-Stiftungen den Journalismus als Ganzes, beispielsweise Nachrichtenplattformen oder You Tube Nachrichten-Channels wie „The I Files“.
Einer der befragten Experten, der SZ-Redakteur Heribert Prantl, sieht durch Stiftungsfinanzierung die Unabhängigkeit der Berichterstattung gefährdet. Ist der Ausbau der Stiftungsfinanzierung des Journalismus in Deutschland überhaupt wünschenswert und wahrscheinlich?
Eckert: Tatsächlich befürchten alle befragten Experten einen Verlust der Unabhängigkeit durch Stiftungsfinanzierung, dennoch wäre der Ausbau des stiftungsfinanzierten Qualitätsjournalismus meiner Meinung nach in Deutschland wünschenswert. Wahrscheinlich, dass die Stiftungsfinanzierung wächst, ist es aber eher nicht. Dazu unterscheiden sich die beiden Länder in ihren Ausgangsbedingungen zu fundamental, besonders in Bezug auf den tertiären und medialen Sektor. Der Non-Profit Sektor ist in den USA deutlich stärker ausgeprägt und auch der Mediensektor muss sich in den USA anderen Herausforderungen stellen, als es in Deutschland der Fall ist.
Was hält die Stiftungen in Deutschland davon ab, den Journalismus als Ganzes stärker zu fördern?
Eckert: Hierzulande fühlen sich Non-Profit-Organisationen und einzelne Mäzene nicht ausreichend angesprochen, die Meinungs- und Pressefreiheit zu fördern. Es fehlt den Stiftungen an Wissen über den Bedarf einer Unterstützung des Journalismus und es fehlt an Aufklärung über den Beitrag, den Stiftungen durch eine Finanzierung des Qualitätsjournalismus zum Erhalt der Demokratie leisten können. Das Stiftungsfinanzierungsmodell in Deutschland steckt noch in seinen Anfängen und Stiftungen hierzulande fördern publizistische Qualität und Meinungsfreiheit nur im Kleinen.