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Bodenseeregion

Von Konkurrenten zu Partnern

Gemeinsam erlebte Krisen, wie der sich abzeichnende Fachkräftemangel, sind wichtig, um Konkurrenz-Situationen zu dämpfen und Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Jörg Röber
 
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    Zur Person
    Jörg Röber

    Jörg Röber studierte Politik- und Verwaltungswissenschaft an den Universitäten Konstanz und Nottingham. Seit September 2007 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft der Zeppelin Universität in Friedrichshafen tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der politikwissenschaftlichen Stadt- und Regionalforschung sowie der Public Management Forschung.

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    Factbox
    Mehr zur IGKB: So wurde der Bodensee sauber

    1950 wurde die Internationale Gewässerschutzkommission (IGKB) als Konsequenz des multilateralen Übereinkommens über den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigung gegründet. Der Name ist Programm. Unterzeichner des Abkommens sind das Land Baden-Württemberg, der Freistaat Bayern, die Republik Österreich sowie die Schweizerische Eidgenossenschaft durch die Kantone Thurgau, St. Gallen und Graubünden. Durch den Bau und die technische Verbesserung von Kläranlagen rund um den Bodensee konnte die Phosphorbelastung des Wassers deutlich reduziert werden, womit den die Wasserqualität belastenden Algen ein wichtiger Nährstoff entzogen wurde.

    Des Weiteren versucht die IGKB die Beeinträchtigung des Ökosystems durch Aufschüttungen, Hafenanlagen sowie die Nutzung durch Wassersport und Schifffahrt zu minimieren und verbaute Uferzonen zu renaturieren.

    Mehr zu INTERREG und Euregio

    In manchen Regionen hat INTERREG bestehende lokale Intiativen gestützt beziehungsweise zur Gründung von lokal verankerten Euregios geführt. Eine solche Entwicklung wäre laut Jörg Röber auch am Bodensee möglich gewesen, da sich Anfang der 1970er auch am Bodensee eine Bottom-Up-Initiative für eine Euregio gebildet hatte. Stattdessen wurde aber die durch einen Top-Down-Ansatz entstandene IBK weiterverfolgt und die Euregio Idee zu den Akten gelegt.


    Seit 1990 steht INTERREG für die Integration der Regionen im europäischen Raum. Zwischen 2007 und 2013 investiert die EU mehr als 8,5 Milliarden Euro für die grenzübergreifende Zusammenarbeit in ganz Europa. Finanziert wird INTERREG durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Das Programm fördert grenzübergreifende Maßnahmen der Zusammenarbeit wie Infrastrukturvorhaben, die Zusammenarbeit öffentlicher Versorgungsunternehmen, gemeinsame Aktionen von Unternehmen oder Kooperationen im Bereich des Umweltschutzes, der Bildung, der Raumplanung oder Kultur. 2007 startete die vierte INTERREG-Förderperiode.

    Euregio ist eine Bezeichnung von Regionen in Europa, die grenzüberschreitend überwiegend wirtschaftlich miteinander kooperieren. Eine Euregio kann in unterschiedlichen Rechtsformen auftreten und ist nicht klar definiert.

    Mehr zur Studie: Zukunftsfähig durch Regionsbildung?

     Das Forschungsprojekt „Zukunftsfähig durch Regionsbildung?“, gefördert von der Wüstenrot-Stiftung, untersuchte zwischen 2010 und 2012 drei Fragen:

    • Welche regionalen Kooperation-Strukturen haben sich in der grenzüberschreitenden Bodensee-Region entwickelt?
    • Welche Kooperationskultur hat sich im Rahmen dieser Strukturen bei den politisch-administrativen Entscheidungsträgern und Fachexperten etabliert?
    • Wie wirken sich etablierte Strukturen und die vorherrschende Kooperationskultur auf Entscheidungen in relevanten Politikfelden aus?

    Hierzu wurde ein Katastaster bestehender Kooperationen erstellt, Expertengespräche und eine umfangreiche Einstellungsbefragung unter politisch-administrativen Entscheidungsträgern sowie Fachexperten der grenzüberschreitenden Kooperation in der Region durchgeführt. Letztere beinhaltete eine postalische Befragung von über 900 regionalen Führungskräften.


    Fortgeführt wird das Projekt im Rahmen des Promotionsvorhabens von Jörg Röber.

    Streiten wie in Brüssel?

    Es gibt durchaus Parallelen zwischen der Bodenseeregion im Kleinen und der europäischen Integration im Großen. Laut Röber geht es in beiden Fällen um territorial bezogene, grenzüberschreitende Kooperation. Auch in Brüssel seien es oft Regulierungsthemen auf Expertenebene, die aufgrund von gemeinsamen nationalen Interessen auf einer übergeordneten Ebene bearbeitet würden. Auch hier tauchten Probleme legitimatorischer Art auf. Und zwar dann, wenn es zu einer Ausweitung der Kooperation auf Themenbereiche komme, bei denen nationale Interessen sehr unterschiedlich und mitunter konfliktär zueinander ständen. Wie am Bodensee: „Mit der zunehmenden freizeitsportlichen Nutzung des Bodensees interessierten sich beispielsweise die Schiffahrtskommission und die IGKB für Emissionsvorschriften für Motorboote" sagt Röber. Diese ließen sich zwar in Verordnungen regulieren, lösten aber nicht den dabei zu Tage tretenden politischen Konflikt zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen. „Das führt bis heute zu Spannungen zwischen Umweltschützern, Fischern und Sportbootbesitzern“, so Röber. 

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Welche Vorteile soll es haben, wenn Regionen grenzüberschreitend miteinander kooperieren? Schließlich profitieren sie ja von ihren individuellen Besonderheiten.

Vor dem Hintergrund naturräumlicher Zwänge macht zum Einen die Bereitstellung öffentlicher Güter Kooperationen notwendig. So hat man beispielsweise den Bodensee vor sich. Ein anderer Aspekt ist die Standortattraktivität für Fachkräfte, Unternehmen und Touristen. Doch bei meiner Forschungsarbeit geht es mir nicht darum, diese Motive ausfindig zu machen.

Sondern?

Ich will herausfinden, wie Regionen miteinander vergleichbar gemacht werden können. Mich interessiert, welche Potentiale in den organisationalen Strukturen, die im Zuge der Kooperation entstandenen sind, kollektives Handeln ermöglichen oder auch verhindern. Und ich will wissen, welche Einflussfaktoren die Entstehung und Nutzung dieser Kapazitäten bestimmen. Kennt man diese, kann man regionale Infrastrukturen in grenzüberschreitenden Regionen potentiell auch beeinflussen, um sie noch effektiver zu nutzen.

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Herausgepickt haben Sie sich die Bodenseeregion, von der es heißt, ihre Grenzzäune seien heute höher als vor hundert Jahren...

In manchen Bereichen klappt Kooperation ausgezeichnet – vor allem bei Fragen des Gewässerschutzes. Darüber musste man sich gerade nach dem zweiten Weltkrieg am ehesten Gedanken machen: Der Bodensee drohte in den 1950er-Jahren umzukippen. Deshalb ist beispielsweise eine wichtige Regulierungskommission entstanden. Die Internationale Gewässerschutzkommission IGKB ist seit ihrer Gründung zu einem international hoch angesehenen Vorbild für den effektiven Schutz von Binnengewässern geworden und dient vielen vergleichbaren Organisationen bis heute gewissermaßen als Blaupause.

Wie konnte man so erfolgreich sein?

In 50 Jahren haben Experten aus unterschiedlichen nationalen Fachverwaltungen gemeinsam Erkenntnisse über die verschiedenen Gefahrenquellen für die Reinhaltung des Bodensees gesammelt und mit ihrer Expertise Regulierungsvorschläge erarbeitet. Einmal umgesetzt, haben diese den Bodensee  deutlich sauberer gemacht. Naturräumliche Probleme müssen einfach geregelt werden – und diese Regulierungsthemen wurden hier schon immer sehr erfolgreich angepackt. In den 1960er und 1970er Jahren haben sich aber auch Organisationen und Initiativen gegründet, die sich vor allem mit den zunehmenden Problemen durch Massentourismus, Infrastrukturausbau und den damit verbundenen Konflikten beschäftigten. So ist die Internationale Bodenseekonferenz IBK entstanden, die heute zum Inbegriff grenzüberschreitender Kooperation in der Region geworden ist.

Und welche Folgen hatte das für die Zusammenarbeit?

Es hat sich eine starke intergouvernementale Kooperation zwischen den Staatsverwaltungen der Gliedstaaten entwickelt. Das prägt die Kooperation bis heute. Über viele Jahre haben diese Kommissionen wertvolle Arbeit geleistet. Doch sehr oft ohne zivilgesellschaftliche und kaum kommunale Beteiligung: Den Akteuren wurden somit wichtige identifikationsstiftendeThemen und Unterstützungsressourcen genommen, um sich dauerhaft zu etablieren.

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Wie ist das in anderen Regionen gelaufen?

Teilweise in umgekehrter Richtung, wie an der deutsch-niederländischen Grenze: Dort haben die Kommunen nach dem Krieg die Initiative ergriffen. Lokalpolitiker wollten das auch am Bodensee, doch aufgrund von parteipolitischen Erwägungen und Ebenenkonflikten war das Land Baden Württemberg dagegen. So schufen die Gliedstaaten stattdessen von Staatsverwaltungen getragene Strukturen, wie die IBK, die in der Folge auch Aufgaben wie die Beratung und teilweise auch Durchführung der INTERREG-Projekte übernommen hat.

Das ist doch auch positiv. Welche Nachteile sehen Sie denn bei dieser Entwicklung?

Die intergouvernementale Zusammenarbeit hat viele Probleme, die zum Beispiel auf politischen Interessenkonflikten innerhalb der Region beruhen, nicht gelöst – Probleme im Umweltschutz oder Infrastrukturausbau. Man diskutiert bis heute über den Straßenbau. So einig man sich darin ist, dass es eine bessere Infrastruktur geben sollte, so wenig kann man sich darüber einigen, wer die Kosten dafür tragen und wer in Zukunft mit einer neuen Umgehungsstraße oder Schienentrasse vor der Haustür leben soll.

Warum ist das so?

Gerade bei Infrastruktur geht es häufig um Verteilungs- und Nutzungskonflikte, hier ist es wichtig, dass die Akteure eine starke direkte Legitimation besitzen, um einen sowieso schwierigen politischen Interessenausgleich überhaupt zu ermöglichen. Bei der Regulierung naturräumlicher Probleme, wie Gewässerschutz, reicht oft indirekte Legitimierung aus. Doch die einmal entstandenen organisationalen Strukturen, wie die IGKB oder aber die IBK, sind vorhanden und haben sich bewährt. Es ist schwer, sie grundlegend zu verändern oder ihnen lokal getragene Alternativen gegenüberzustellen.

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Sie haben die Werte der Kooperation betreibenden Akteure untersucht – welche Rolle spielt bei diesen regionale Verwurzelung?

Es gibt am Bodensee keine regionale Identität, die alle eint. Vielmehr lassen sich einzelne Subgruppen unterscheiden, für die mitunter ihr geteiltes Fachwissen deutlich wichtiger ist als die biographische Verbundenheit mit der Bodenseeregion.

Also bringen Zwänge Akteure zu Kooperation…

Funktionale Zwänge sind offensichtlich Auslöser für Kooperationstätigkeiten – auch, wenn Interessenkonflikte vorliegen. Gemeinsam erlebte Krisen, wie die drohende Verseuchung des Bodensees, aber auch Chancen und zukünftige Herausforderungen, wie INTERREG-Gelder oder der sich stärker abzeichnende Fachkräftemangel, sind wichtig, um Konkurrenzsituationen zu dämpfen und Zusammenarbeit zu ermöglichen. Letztlich beeinflussen aber auch immer einzelne Persönlichkeiten den Kontext, in dem manche Chancen genutzt und andere ignoriert werden. Im Rahmen der Projektarbeit habe ich gelegentlich die These gehört, dass es dieser Region, begünstigt durch historisch entstandene Wirtschaftsstrukturen und beeindruckende natürliche Ressourcen, einfach zu gut gehe und somit eine intensivere Kooperation einfach nicht notwendig sei. So sehr diese These für manche heutigen Beobachtungen stimmen mag, stellt sich die Frage, ob dies in Zukunft auch so bleiben wird.


Foto: Internationale Bodensee GmbH / Achim Mende

Streiten wie in Brüssel...?


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Zeit, um zu entscheiden

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