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Victor Trofimov ist seit September 2019 Student im Masterstudiengang General Management an der Zeppelin Universität. Während seiner Teilnahme am Kurs „Digitale Welt und Finanzen“ bei Dr. Tim Alexander Herberger bekam er die Möglichkeit, sich intensiv mit der Digitalisierung und digitalen Transformation der Finanzbranche auseinanderzusetzen. Im Anschluss an diesen Kurs verfasste er den Forschungsbeitrag „Mobile Payments in Deutschland – Eine Untersuchung zu möglichen Nutzen und Kosten für die deutschen Konsumenten“, die in dem von Herberger herausgegebenen Sammelband „Die Digitalisierung und die Digitale Transformation der Finanzwirtschaft“ erschien. Bevor er aufgrund der Corona-Krise vorzeitig nach Deutschland zurückkehren musste, konnte er in den USA in einem Praktikum im Controlling von Mercedes Benz wertvolle Auslandserfahrungen machen. Zurzeit bereitet er sich auf sein letztes Semester und die Masterarbeit vor.
Woher kommt die Bargeldliebe der Deutschen?
Victor Trofimov: Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da hier viele Faktoren eine Rolle spielen. Bargeld bietet einerseits die Möglichkeit, „anonym“ zu bleiben. Weder Staat noch Unternehmen können unsere Bargeldzahlungen nachverfolgen. Bei bargeldlosen Zahlungen dagegen werden weit mehr (digitale) Spuren hinterlassen, die dann der Staat oder Unternehmen nutzen können, um unser Zahlungsverhalten zu analysieren. Andererseits sind wir einfach an unser Bargeld gewöhnt, auch weil es einfach funktioniert: Man kann etwa seinen Pin nicht vergessen, wenn man an der Kasse mit Bargeld zahlt. Schließlich sind viele davon überzeugt, dass sie so eine bessere Übersicht über ihre Finanzen und Ausgaben behalten können. Es ist aber keineswegs ein rein deutsches Phänomen: Eine 2017 publizierte Studie der Europäischen Zentralbank konnte zeigen, dass Spanier, Italiener und Österreicher sogar noch häufiger mit Bargeld bezahlen als wir.
Wie hat sich in den vergangenen Jahren die Bargeldzahlung im Vergleich zur Kartenzahlung entwickelt?
Trofimov: Dazu ist 2012 eine interessante Studie der Bundesbank erschienen. Darin haben die Autoren festgestellt, dass die Deutschen 2008 nur bei 17,5 Prozent aller Transaktionen die bargeldlose Zahlungsoption bevorzugten und 2011 dieser Wert auf 18 Prozent anwuchs. Zudem hat sich gezeigt, dass das Zahlungsvolumen dieser Transaktionen 2008 nur 42,1 Prozent ausmachte, aber 2011 schon auf 46,9 Prozent anstieg. Es konnte also sowohl in der Summe der Transaktionen als auch in ihrem Volumen ein Trend hin zum bargeldlosen Bezahlen ermittelt werden. Passend dazu wurde herausgefunden, dass gerade bei größeren Transaktionen oft von der Kartenzahlung Gebrauch gemacht wird. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, weil das Mitführen von größeren Bargeldmengen gewisse Risiken für den Einzelnen birgt. Hinzuzufügen ist der Umstand, dass die Kartenzahlung an sich im Durchschnitt teurer und zeitaufwendiger für den Verbraucher ist. Deshalb bieten viele kleinere Einzelhändler, die zunächst die Kosten dieser Zahlungsoption tragen, den Service entweder gar nicht oder erst ab einer gewissen Summe an.
Wie kommen jetzt Mobile- und Instant-Paymentdienste ins Spiel?
Trofimov: Mobile- und Instant-Paymentdienste versprechen ihren Nutzern eine schnellere, sicherere und kostengünstigere Zahlungsabwicklung. Über das Smartphone kann mithilfe verschiedener Anbieter, wie Venmo, PayPal oder Google Pay, an der Kasse kontaktlos bezahlt werden: Oftmals reicht es aus, sein Smartphone vor das Kartenlesegerät zu halten und die Zahlung erfolgt. Dabei wird zugleich durch biometrische Authentifizierung per Fingerabdruckscanner eine sichere Abwicklung gewährleistet. Außerdem bieten diese Apps auch viele weitere nützliche Dienste für ihre Nutzer an.
Was sind das für Dienste?
Trofimov: Durch diese weiteren Dienste wird der Zahlungsausgleich zwischen Privatpersonen auch ohne Banküberweisung oder Bargeldaustausch ermöglicht. Geld kann auf der Digital Wallet – also der digitalen Geldbörse, die einem Girokonto ähnelt – per Überweisung, Prepaid-Guthaben oder Einzug hinterlegt und dann unkompliziert einem anderen App-Nutzer überwiesen werden, wenn etwa auf einer Online-Plattform wie Ebay etwas gekauft wird. Des Weiteren können nun Schulden unter Freunden aus gemeinsamen Einkäufen oder Restaurantbesuchen ausgeglichen werden. Dies ist meiner Meinung nach äußerst nützlich, da Online-Überweisungen aufwendiger sind und nicht jeder immer die passende Menge an Bargeld bei sich trägt, wenn die gemeinsame Zahlung ausgeglichen werden muss.
Dennoch stehen deutsche Verbraucher diesen Paymentdiensten skeptisch gegenüber: Was sind die Gründe?
Trofimov: Das hängt vermutlich mit einigen Risiken und Nachteilen dieser Apps zusammen. Einige Digital Wallets bündeln die Informationen über alle Bankkonten und deren Bestände an einer Stelle. So gibt der Verbraucher sensible Daten über seine Konten und deren Deckung sowie seine Zahlungsgewohnheiten preis, die zu seinen Ungunsten genutzt oder an Dritte verkauft werden können. Andere Apps werben darüber hinaus für Investitionsmöglichkeiten, die für finanziell ungebildetere Verbraucher schädlich sein können.
Eine Studie konnte zeigen, dass sich die deutschen Verbraucher vor genau diesen Risiken fürchten: So gaben sie als meistgenannten Grund für die Ablehnung solcher Apps die Angst um ihre Daten an; der zweitmeistgenannte Grund war jedoch, dass die meisten Verbraucher sich mit diesen Diensten noch gar nicht beschäftigt hatten, während der drittmeistgenannte Grund die Angst vor Hackerangriffen war. Durch die biometrische Authentifizierung per Fingerabdruck ist zwar eine hohe Sicherheit des „Passwortes“ gewährleistet, doch selbst dadurch ist man nicht immer sicher vor solchen Attacken, wenn etwa die biometrischen Daten unverschlüsselt abgespeichert oder übertragen werden. Für den Einzelnen kann infolgedessen ein großer finanzieller Schaden entstehen.
Wie sollten diese Dienste gestaltet werden, um mehr Akzeptanz bei den Endkunden zu finden?
Trofimov: Sie müssten die oben genannten Punkte ansprechen. Zum einen müsste der Verbraucher davon überzeugt werden, dass er nicht mit seinen Daten, sondern vielleicht mit marginalen Transaktionskosten bezahlen würde. So könnte bei jeder Überweisung über zehn Euro ein Cent an den Zahlungsdienstleister gehen. Aufgrund der kostengünstigen digitalen Skalierbarkeit dieser Dienste und der hohen Zahlungsvolumen könnten auf diese Weise auch ohne den Datenverkauf hohe Umsätze erwirtschaftet werden. Zum anderen müssten die Verbraucher besser über die Funktionen dieser Apps informiert werden, was das mangelnde Wissen vieler Verbraucher über diese Dienste vermindern würde. Zuletzt müsste den Verbrauchern zugesichert werden, dass ihre Daten – vor allem die biometrischen Daten – bei den Dienstleistern sicher sind. Dies könnte durch einen Ausbau der Cybersicherheit und eine Überprüfung derselbigen durch externe Prüfstellen gewährleistet werden.
In Europa haben wir längst Instant-Payment. Doch wo steht global die Entwicklung hin zu Echtzeit-Zahlungen?
Trofimov: Das europäische Bankensystem wurde in den vergangenen Jahrzehnten massiv ausgebaut. Zahlungen können praktisch innerhalb von wenigen Stunden abgewickelt werden, wodurch sich wiederum viele neue Geschäftsmodelle ergeben. Beispielsweise könnte ein Skifahrer noch Stunden vor seinem Skiurlaub eine Mikroversicherung gegen Skiunfallschäden abschließen. Da Versicherungen erst dann gelten, wenn die erste Zahlung eingegangen ist, kann durch Instant-Payment garantiert werden, dass die Versicherung auch wirklich gültig ist, wenn sie so kurz vor dem Urlaub abgeschlossen wird.
Als ich vor kurzem in Amerika war, habe ich hautnah miterlebt, dass andere Länder noch nicht so weit sind. Das amerikanische Bankensystem ist vor allem im ländlichen Bereich eher antiquiert; die Abwicklung der Zahlung zwischen den Banken dauert mehrere Tage bis Wochen. Doch gerade dies hat dazu beigetragen, dass sich dort Dienstleister, wie Cash App oder Venmo, stärker als in Europa durchgesetzt haben und dort quasi Instant-Payment möglich gemacht haben.
Was denken Sie? Wird es infolge der Corona-Krise zu einem Umdenken in der Gesellschaft hin zum bargeldlosen Bezahlen kommen?
Trofimov: Wie vorhin erwähnt, gibt es ohnehin einen Trend zum bargeldlosen Bezahlen. Ich denke, dass es durchaus dazu kommen könnte, dass die Corona-Krise zu einer Steigerung der Akzeptanz von Mobile Payment beitragen wird – doch es muss nicht so kommen. Zwar muss beim mobilen Bezahlen nur das Smartphone vor das Zahlungsterminal gehalten werden, wodurch die Übertragung von Keimen vermieden werden kann. Doch diesen Vorteil bieten auch viele kontaktlose Kreditkarten, die mit NFC-Technologie arbeiten. Daher wird meiner Meinung nach der Effekt der Corona-Krise auf die Akzeptanz eher gering ausfallen. Vielmehr werden die bereits genannten drei Gründe Datenschutz, Unbekanntheit und Cybersicherheit eine bedeutendere Rolle für die Entwicklung der Akzeptanz spielen. Zudem glaube ich, dass einige Verbraucher sich schlicht niemals vom Bargeld trennen werden, da sie einfach daran gewöhnt sind oder glauben, so besser ihre Finanzen und Ausgaben im Überblick behalten zu können.
Blicken wir zehn Jahre in die Zukunft. Wie könnte Ihrer Meinung nach die Payment-Zukunft aussehen? Werden wir womöglich irgendwann überhaupt kein Bargeld mehr haben?
Trofimov: Ich glaube, dass wir – und dabei vor allem die Jüngeren unter uns – in zehn Jahren in Deutschland sehr viel öfter mit unserem Smartphone bezahlen werden. Wir werden weniger Bargeld bei uns tragen, wir werden unsere Schulden untereinander bargeldlos mit einer App begleichen und unser Leben wird dadurch auf viele Arten einfacher werden. Ich glaube aber nicht, dass alles bargeldlos sein wird. Es wird zwar prognostiziert, dass das Volumen des mobilen Bezahlens an der Kasse jährlich um 33 bis 45 Prozent wachsen wird, doch wird es so 2023 immer noch nur etwa 1 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen.
Wie viel Bargeld wir in zehn Jahren noch nutzen werden, wird aber auch davon abhängen, wie die Unternehmen und die Politik den Risiken der Apps für den Verbraucher begegnen werden. Zudem wird es darauf ankommen, wie der Einzelne persönlich dazu steht, was mit seinen Daten geschieht. Einige hätten bestimmt kein Problem damit, mit ihren Daten zu „bezahlen“; andere würden nur Dienste nutzen, die Transaktionskosten erheben. Es wird aber sicherlich auch Verbraucher geben, die diese Dienste gar nicht nutzen wollen oder können: Dazu werden vor allem ältere oder technisch weniger versierte Verbraucher gehören.
Am Ende eine persönliche Frage – Wie bezahlen Sie persönlich am liebsten: Bargeld, Kreditkarte oder App?
Trofimov: Früher habe ich sehr oft mit der Karte gezahlt. Ich fand es einfach praktisch, nicht ständig Geld abheben und vorhalten zu müssen. Als ich anfing, mich mit Mobile Payment zu beschäftigen, habe ich dann auch verschiedene mobile Bezahldienste ausprobiert. Privat nutze ich seit langem PayPal für viele Zahlungen im Internet oder um Schulden an Freunde zurückzubezahlen.
Für die Zahlung in Geschäften habe ich Google Pay ausprobiert. Vor allem im amerikanischen Ausland habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr angenehm sein kann, mit diesem Dienst zu bezahlen. In Deutschland habe ich es auch ausprobiert, doch aufgrund technischer Störungen lief nicht jedes Mal alles reibungslos. Außerdem war in Amerika im Vergleich zu Deutschland die Infrastruktur stärker ausgebaut und man konnte fast überall mobil bezahlen. Wenn dies auch in Deutschland überall und reibungslos möglich ist, werde ich wohl auch hierzulande sehr viel öfter mit dem Smartphone bezahlen.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm