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Die Studie "Trust in U.S. News Media" ist ein Versuch, die Beziehung der Öffentlichkeit zu Nachrichtenmedien tiefer zu untersuchen, insbesondere in einer Zeit weit verbreiteter Kritik und Übergriffe auf Medien. Seit mehr als drei Jahren hat Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten wiederholt in einem konsequenten Sperrfeuer behauptet, dass die Medien der "Feind des Volkes" seien und "gefälschte Nachrichten" verbreiten. ZU-Professor Klaus Schönbach hat mit seinen Wissenschaftskollegen versucht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien zu messen und Aufschluss über Haltungen, Meinungen und Anliegen der Öffentlichkeit zu geben – und schließlich den Nachrichtenmedien selbst zu einem strukturierteren Verständnis für ihr Publikum zu verhelfen.
Wissenschaftlich geleitet wurde die Studie von den international renommierten Medien- und Journalismusforschern Professor Everette E. Dennis von der Northwestern University und ZU-Honorarprofessor Klaus Schönbach.
Fox News und One America News gelten als die Haus- und Hofsender von Präsident Trump. CNN soll Fake News verbreiten, sagt das Staatsoberhaupt. Wie würden Sie die amerikanische Medienlandschaft ganz grundsätzlich beschreiben?
Prof. Dr. Klaus Schönbach: Vom Medienangebot her zunächst einmal ganz ähnlich wie unsere: Da gibt es wie bei uns lokale und nationale Tageszeitungen, Radiosender, Nachrichtenmagazine und Nachrichtenkanäle im Internet. Die Fernsehlandschaft ist allerdings anders: Viel mehr lokale Sender, die allerdings – gleichsam als Franchisenehmer – meistens den großen nationalen Ketten wie ABC, CBS und NBC angeschlossen sind; öffentlich-rechtliche Medien mit der Bedeutung von ARD und ZDF dagegen gibt es in den USA praktisch nicht.
Worin wir uns aber am meisten unterscheiden: Den Nachrichten „meistens“ vertrauen nur 29 Prozent der Amerikaner – weit unter dem Durchschnitt (38 Prozent) von insgesamt 40 bunt gemischten Ländern, die das Reuters Institute aus Oxford in diesem Frühjahr untersucht hat. In den USA nimmt dieses Vertrauen schon seit den 1970er-Jahren fast kontinuierlich ab. Auch bei uns sehen wir es in den vergangenen Jahren nachlassen. Aber auf die Frage „Wie ist das, wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale. Wie sehr kann man da den Medien vertrauen?“ antworten 2019 immer noch fast drei Viertel der erwachsenen Deutschen (72 Prozent) zumindest mit „teils teils“ – 2008 waren es allerdings sogar noch 91 Prozent. Und vor allem unsere öffentlich-rechtlichen Medien profitieren von diesem Grundvertrauen.
Im Vergleich zu deutschen Medien scheint die US-Medienlandschaft hochpolitisiert. Woher kommt diese deutliche Differenz?
Schönbach: Die allermeisten Nachrichtenmedien sind wie bei uns politisch überwiegend „Mainstream“. Wovon wir allerdings immer wieder hören, sind ein paar nationale Gallionsfiguren mit eindeutiger politischer Richtung: Fox News, die Wochenzeitung Christian Science Monitor und die Breitbart-Website auf der rechten Seite, MSNBC, CNN, die New York Times und die Washington Post auf der linken – eigentlich ganz ähnlich wie früher mal bei uns. Bis in die 1980er-Jahre hinein durfte man ja als Linker Die Welt und die Zeitschrift Quick nicht lesen, und als CDU/CSU-Anhänger nicht die Frankfurter Rundschau, den Spiegel und den Stern – heute eher unwichtige Unterschiede.
In den USA aber hängt nicht nur das Vertrauen auf die genannten prominenten Zeitungen und Fernsehsender von der Parteineigung der Bürgerinnen und Bürger ab, sondern auch das Vertrauen auf „die“ Nachrichtenmedien ganz generell – und zwar heute mehr denn je. Ein richtiger Abgrund tut sich da zwischen den politischen Lagern auf: Mehr als doppelt so viele Demokraten (77 Prozent) als Republikaner (36 Prozent) vertrauen den Nachrichtenmedien wenigstens etwas. Das gilt auch für Urteile über die Qualität der Medienberichterstattung. Wir hatten in unserer Untersuchung gefragt, ob die Nachrichtengebung zum Beispiel über „amerikanische Politik“ oder „Korruption in der Regierung“ fair und unparteiisch sei. Auch hier zeigt sich die gleiche parteipolitische Kluft – und zwar in aller Schärfe.
Die hohe Politisierung der US-Medien zeigt sich auch in Ihrer aktuellen Studie: 41 Prozent empfinden die Medien als Feind des Volkes. Wie gefährlich ist eine solche Meinung für eine große Demokratie?
Schönbach: Sehr gefährlich, denn es ist ja noch schlimmer: 40 Prozent der Amerikaner stehen dem Präsidenten das Recht zu, Nachrichtenmedien zu schließen, die sich „schlecht benehmen“ – und noch konkreter: Dass der Präsident vor allem CNN, die Washington Post und die New York Times verbieten solle – damit sind fast ein Drittel (29 Prozent) einverstanden. Zugleich stimmen aber auch die allermeisten Befragten (89 Prozent) der Aussage „Pressefreiheit ist unabdingbar für die amerikanische Demokratie“ zu – und sehen hier offenbar keinen Widerspruch.
Sie haben ihre Umfrage in zwei „Wellen“ durchgeführt: Im Dezember 2019 und im Mai 2020. Wie hat sich das Medienverständnis der Amerikaner seitdem verändert?
Schönbach: Erstaunlicherweise kaum. Das ja schon geringe Vertrauen auf die Nachrichtenmedien ist in diesen Krisenmonaten nicht gestiegen, aber eben auch nicht weiter geschrumpft. Selbst das Vertrauen auf die Medienberichterstattung spezifisch über Gesundheit und das Gesundheitswesen – sicher wichtig in Corona-Zeiten – hat sich nicht verändert. Allerdings hat sich für beide Beurteilungen die Kluft zwischen Republikanern und Demokraten noch weiter geöffnet. Deshalb auch nicht überraschend: Republikaner sehen im Mai noch ein wenig häufiger Fox News als im Dezember und Demokraten lesen etwas öfter New York Times-Artikel.
Wie groß sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie, der „Black Lives Matter“-Bewegung und der nahenden US-Wahl im Vergleich – was beeinflusst das Medienverständnis stärker?
Schönbach: Wir finden keine wirklich bedeutsamen Auswirkungen auf das Medienverständnis – noch nicht mal einen generellen Anstieg der Nachrichtennutzung. Das hätte man in Krisenzeiten ja erwarten können. Einen ganz kleinen Rückgang (um vier Prozentpunkte) gibt es für soziale Medien als Nachrichtenquelle (wenigstens einmal pro Woche). Zugenommen hat das Vertrauen auf Krankenversicherungen und pharmazeutische Betriebe (das wir zum Vergleich mit dem Medienvertrauen miterhoben haben). Aber wirklich weniger Menschen als im Dezember vertrauen der Polizei – übrigens auch Republikaner, vor allem aber Afro-Amerikaner.
Gerade jetzt machen in sozialen Netzwerken besonders viele Falschnachrichten die Runde. Trotzdem beziehen 42 Prozent der Amerikaner ihre Nachrichten von dort. Warum – und wie gefährlich ist dieser Trend für etablierte Medien?
Schönbach: Vielleicht noch (!) nicht so dramatisch, denn wir fragten ja nur, ob das wenigstens einmal pro Woche geschehe. Und viele beziehen ihre Nachrichten nicht ausschließlich von dort. Das Fernsehen ist deutlich wichtiger. Unsere Studie kann aber nicht mehr als das aussagen. Auch die Forschung spezifisch zum Gebrauch von sozialen Medien als Nachrichtenquelle steckt noch in den Kinderschuhen. Sicher, es gibt Hinweise darauf, dass Nachrichten auf sozialen Medien oft eher zur Unterhaltung oder als Alarm genutzt werden – weil die Konsumenten sich ihrer Unzuverlässigkeit durchaus bewusst sind. Falls in sozialen Medien etwas wirklich Interessantes auftaucht, wird deshalb möglicher Weise auf den Websites seriöserer Medien nachgeschaut, ob was dran ist. Paywalls wie vor Bildplus oder FAZ+ machen das allerdings immer schwerer. Aber wie verbreitet so ein Verhalten ist und wie viele Menschen sich allein auf soziale Medien verlassen und für welche Nachrichten genau, wissen wir noch nicht.
Gibt es auch Erkenntnisse darüber, welche Bevölkerungsgruppen welchen Medienkanälen – etwa Zeitung, Fernsehen oder Social Media – und welchen Medien besonders vertrauen? Sprich: Glaubt der schlecht gebildete Republikaner vom Land eher Fox News und der gut gebildete Hauptstädter schaut CNN?
Schönbach: Soziodemographische Eigenschaften des Publikums spielen eine viel geringere Rolle, als wir erwartet hatten – eine echte Überraschung unserer Studie: Es galt ja fast als Binsenweisheit, dass vor allem alte, weiße, arme und ungebildete Männer den Nachrichtenmedien misstrauen und wirklich nur Fox News gelten lassen. Diese Merkmale spielen aber fast keine Rolle mehr, sobald man weiß, wer republikanisch und wer demokratisch wählt. Das heißt also: Die Kluft Republikaner vs. Demokraten – sowohl was das Vertrauen auf die Nachrichtenmedien insgesamt als auch die Vorliebe für bestimmte Medien betrifft – bleibt auch dann in ihrer Tiefe bestehen, wenn man in einer Feinanalyse, an der wir gerade arbeiten, die (natürlich vorhandenen) Unterschiede zwischen den Lagern in Bildung, Geschlecht, ethnische Herkunft, Alter und Einkommen berücksichtigt. In Deutschland dagegen musste man laut einer Bevölkerungsumfrage aus dem Jahre 2018 schon ein glühender Anhänger der AfD sein, um den Nachrichtenmedien auch nur ein klein wenig mehr zu misstrauen als alle anderen Bürgerinnen und Bürger.
Fest steht: Es wird durch die fortschreitende Digitalisierung immer leichter, schnell eigene Nachrichten und Meinungen zu verbreiten – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Was glauben Sie: Haben traditionelle Medien eine Zukunftschance oder wird das Vertrauen in bekannte Quellen weiter erodieren?
Schönbach: Trotz des vergleichsweise hohen Medienvertrauens in Deutschland nimmt die Bedeutung sozialer Medien als Nachrichtenquelle rasant zu – vor allem bei jungen Leuten –, auch wenn sie die traditionellen Medien noch als Prüfinstanz wichtiger Nachrichten nutzen mögen. Zugleich aber werden die Redaktionen genau dieser Medien bei uns ja mehr und mehr aufgelöst, die Zahl festangestellter Journalistinnen und Journalisten verringert. Das sind alarmierende Entwicklungen, die eine zunehmende Verschiebung auf andere – und weniger professionelle – Nachrichtenquellen nicht nur nachzeichnen, sondern sogar fördern.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm