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Ramona Maria Kordesch wurde 1986 in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Nach dem Studium der katholischen Theologie und der angewandten Relgionswissenschaften in Graz und Tübingen, fokussierte sie sich im Rahmen ihrer Promotion auf den interdisziplinären Dialog zwischen Theologie und Wirtschaft. Zusätzlich analysierte Kordesch im Rahmen ihrer Arbeit aktuelle wirtschaftsethische Fragen der Kirche. Ab Mai 2013 arbeitete Kordesch an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forschte dort als Mitglied des CiSoC zusammen mit Prof. Dr. Stephan A. Jansen über innovatiove Systeme für Wohlfahrtsorganisationen im Rahmen einer Projektkooperation mit dem Diözesancaritasverband Rottenburg-Stuttgart. Heute arbeitet Kordesch als Senior Research Fellow am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ der Zeppelin Universität.
Im Kern eine religiöse Erneuerung, setzte die Reformation enorme Energien für Kultur, Politik, Recht, Wirtschaft und Sozialgestaltung frei, sodass sie nicht allein als ein religiöser Paradigmenwechsel gedeutet und in diesem Sinne theologisch interpretiert werden kann. Die Reformation ist vielmehr auch soziologisch-gesellschaftspolitisch zu betrachten, als Teilbereich der Säkulargeschichte, die von der funktionalen Ausdifferenzierung als eine Errungenschaft der späteren Aufklärung noch unberührt bleibt, aber ihr zugrunde liegt. Einerseits kam es zur Ausbildung arbeitsasketischer Haltungen, die sich später mit dem kapitalistischen Geist vermählten, andererseits wurde dem mittel- und nordeuropäischen Sozialstaat ein erster Anfang bereitet. Eine wahre Revolution war die Begründung eines Berufs als Konkretisierung einer Berufung Gottes für alle, und Armut galt nicht länger als religiös erstrebenswerte Haltung, sondern als Fingerzeig zur aktiven Kooperation in der Ökonomie zum Wohl aller.
Damit liegen in der Reformationsbewegung die Anfänge einer bürger- oder zivilgesellschaftlichen Politikkultur in Form eines frühmodernen subsidiär organisierten Städterepublikanismus begründet. In diesem ursprünglich zivilgesellschaftlichen Bezugsrahmen gilt der Geist der Reformation als Innovator des öffentlichen und privaten Lebens, der kulturellen Wahrnehmung und des künstlerischen Ausdruckes. Zusammenfassend gilt: Die Geburt der Moderne in Europa basiert auch auf protestantischen Ressourcen!
Die zentrale Gestalt des Zeitalters der Reformation und theologischer Urheber derselben ist der zu den Augustiner-Eremiten gehörende Theologieprofessor Martin Luther (1483-1546). Er verlieh den Streitfragen seiner Zeit eine neue Kraft, die durch seinen Charakter und sein Temperament die entscheidende, revolutionäre Dynamik erlangten. Dem heutigen Betrachter bleibt die Frage offen, ob Luther selbst schon „modern“ war. Wir wissen es nicht, aber die Folgen seiner Positionierungen waren es auf jeden Fall!
Luthers Beiträge zu Politik und Wirtschaft, die zum einen die Herausbildung eines kapitalistischen Geistes bewirkten und zum anderen Elemente marktwirtschaftlicher Handlungsorientierung bereits vorwegnahmen, ohne deren primäre Triebkraft zu sein, gilt es gesondert hervorzuheben. Auch seine Auseinandersetzungen mit der Berufstätigkeit des Bürgers und der Betrachtung des bislang in die Gesellschaft eingebetteten Wirtschaftssystems haben zweifelsfrei dazu beigetragen, dass sich Politik und Wirtschaft als Denkkategorien ausbilden und zueinander verhalten konnten. Angesichts der aktuellen Krisen der Finanzmärkte kann vor allem seine scharfzüngige Kapitalismuskritik prophetisch aktualisiert werden, obwohl sie nicht als normatives Wirtschaftswissen in theologischer Verklärung begriffen werden darf, sondern als Handlungsorientierung im Vollzug des Wirtschaftens gelten muss, die den dauerhaften Bezugspunkt zur christlichen „οἰκονομία“ als Alternative stets offenhält und als eine Provokation auf Ethik hin zu begreifen ist.
Vor allem aber begann mit Luthers Gedanken und der damit nicht mehr aufzuhaltenden Reformbewegung etwas entscheidend Neues: ein ziviles, liberales Ethos entwickelte sich – die Selbstorganisation freier Bürger war letztlich nicht mehr zu bremsen. Vor allem aus diesem Grund bleibt der Protestantismus mit der ersten Moderne aufs engste verknüpft.
Titelbild:
| sharonang / pixabay.com (CC0 Public Domain)
Bilder im Text:
| klausdie / pixabay.com (CC0 Public Domain)
| Wittenberg, Melchior Lotter / Martin Luther (Gemeinfrei)
Beitrag (redaktionell unverändert): Dr. Ramona M. Kordesch
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm
Luthers Reformimpulse sind weitgehend abgearbeitet. Welche Ressourcen für eine nächste Moderne der globalen Welt bietet der Protestantismus? Dieser Frage stellen sich Professor Dr. Josef Wieland und Dr. Ramona M. Kordesch in einem Kooperationsprojekt des Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD und der Evangelischen Akademie.
Aus der Perspektive interdisziplinär und intersektoral angelegter Forschung soll auf einem internationalen Symposium, das am 27. und 28. Oktober 2016 in der Friedrichsstadtkirche in Berlin stattfindet, erörtert werden, welche Impulse für Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – ausgehend von der Reformation – bis in unsere heutige Zeit reichen und in welcher Form diese vor dem Horizont einer globalisierten Marktwirtschaft weiterentwickelt werden können. Auf Basis der vielseitigen Ressourcen der Reformationsbewegung möchte das Symposium unterschiedliche Referenzrahmen zukünftiger Handlungsorientierung in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft erörtern. Einschlägige Perspektivierungen klären das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft, denken die Welt der Organisationen der Wirtschaft neu und untersuchen die Vitalität individueller religiöser Ressourcen in aller Welt.
Die Veranstaltung richtet sich an Wissenschaftler und Interessierte sowie an gesellschaftliche Akteure und Stakeholder. Die Teilnehmer erwarten herausragende Keynote-Sprecher und internationale Referenten.
Konferenzprogramm und Anmeldeinformationen finden Sie auf der Homepage der Zeppelin Universität.