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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Offenbar scheinen die wirtschaftlichen Probleme des angeschlagenen Staatskonzerns so drängend zu sein, dass der Bund eine Kapitalerhöhung um eine Milliarde Euro plant und seine Dividendenforderungen von 2017 bis 2020 um kumuliert 1,4 Milliarden Euro reduzieren will, auch um die Diskussion um eine ansonsten notwendige Teilprivatisierung der Tochtergesellschaften Arriva und Schenker zu vermeiden. Im Wahlkampf wären damit die Deutsche Bahn und das wirtschaftliche Versagen des Konzernmanagements zunächst einmal aus der Schusslinie, was aus Politikersicht erste Priorität hat.
Diese Rettungsaktion lenkt aber von der Tatsache ab, dass seit geraumer Zeit ein schlüssiges Konzept fehlt, welche verkehrspolitische Rolle die Deutsche Bahn in Zukunft spielen soll und wie das zu erreichen ist. Seit dem gescheiterten Börsengang 2009 führt die Deutsche Bahn sozusagen ein zweifelhaftes Eigenleben. Das Management hat in dem formell privatisierten Unternehmen in staatlichem Eigentum, das nur ungenügend über den Kapitalmarkt und nur bedingt durch Wettbewerb kontrolliert wird, diskretionäre Handlungsspielräume und Informationsvorteile. Diese können zur Sicherung umfassender Subventionen und Regulierungen, zur Befriedung der Mitarbeiter sowie zur Expansion in riskante Projekte genutzt werden, da letztlich der Staat die Spielregeln festlegt und als Eigentümer haftet.
Die zu erwartenden Fehlentwicklungen sind empirisch zu belegen. So hat die Deutsche Bahn es geschafft, dass die Zuschüsse für den Nahverkehr – die sogenannten Regionalisierungsmittel – von 7,3 auf 8,2 Milliarden Euro pro Jahr steigen und ab 2017 dynamisiert werden. Außerdem wurde geschickt darauf hingewirkt, zukünftige Regulierungsvorgaben auf europäischer und nationaler Ebene zu entschärfen. Ihre Mitarbeiter hat die Führung mit recht üppigen Lohnsteigerungen mit auf den Weg genommen. Dies hat auch dazu beigetragen, dass die Produktivität des Bahnbetriebes in Deutschland seit 2008 per saldo nicht gestiegen ist. Außerdem verfolgte der Konzernvorstand eine aggressive internationale Expansionsstrategie. Es ist nur wenige Jahre her, dass man bis 2020 einen Umsatz von 70 Milliarden Euro erreichen wollte.
Spätestens seit dem Milliardenverlust im Geschäftsjahr 2015 sollten bei der Politik die Warnlampen rot aufleuchten. In allen Sparten zeichnen sich seit Längerem Ergebnisprobleme ab, und die Verschuldung steigt dramatisch an. Die Expansion des Güterverkehrs in das internationale Geschäft ist gescheitert, und der interessanterweise noch relativ hohe ROCE (return on capital employed) im Fernverkehr wird mit der Indienststellung einer neuen Fahrzeuggeneration einbrechen. Das Logistikgeschäft wird offensichtlich nicht so geführt, dass es an die Margen der relevanten Wettbewerber anknüpfen kann. Einzig und allein der hochsubventionierte Nahverkehr zeigt noch stabile Ergebnisbeiträge. Hinzu kommt die nur schlecht kaschierte Tatsache, dass die Infrastruktur systematisch auf Verschleiß gefahren wird, da die öffentlichen Milliardenzuschüsse à fonds perdu gegeben werden und nicht als Abschreibungen in den Rechenwerken auftauchen.
Was es daher statt eines Rettungspaketes braucht, wären konstruktive Überlegungen zu einer Bahnreform II, welche eine realistische Vorstellung von der zukünftigen Rolle des Systems Eisenbahn in einer Welt der digitalisierten, vernetzten und autonomen Mobilität entwickelt und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen in aller Klarheit benennt. Solange der Bundesverkehrsminister sich aber vor allem Sorgen um das W-LAN in den Zügen und nicht um grundlegende Weichenstellungen der Bahnpolitik macht, können auch solche Rettungspakete den Niedergang nur weiter verschleppen helfen.
Titelbild:
| Wikimedia-User Jivee Blau (CC BY-SA 3.0)
Bilder im Text:
| lifeofpix.com / pexels.com (CC0 Public Domain)
| ubahnverleih / Eigenes Werk (CC0 Public Domain)
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm