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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Was ist der Bundesverkehrswegeplan?
Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) ist ein von der Bundesregierung erstellter und vom Kabinett verabschiedeter langfristiger Rahmenplan für die Verkehrswege des Straßen-, Eisenbahn- und Binnenschiffsverkehrs. Er besitzt keine Gesetzeskraft und muss erst durch die Ausgabengesetze für Bundesfernstraßen, Bundesschienenwege und jetzt auch Bundeswasserstraßen umgesetzt werden. Somit ist auch die hinterlegte Finanzierungsplanung rechtlich unverbindlich. Einen Bundesverkehrswegeplan gibt es in Deutschland seit 1973.
Welche Infrastrukturprojekte will der Bund bis 2030 vorrangig finanzieren?
Eisenkopf: Insgesamt sind im BVWP über 1.000 Projekte enthalten. Bemerkenswert ist, dass der neue BVWP einen Schwerpunkt auf die Erhaltung der Infrastruktur setzt (70 Prozent der Mittel fließen in den Erhalt). Außerdem werden die Mittel im Autobahnnetz so investiert, dass Stauschwerpunkte ausgebaut werden und bei der Bahn das interne Zielnetz 2030 umgesetzt werden könnte. Andererseits war der strategische Handlungsspielraum der Verkehrspolitik noch nie so gering wie heute: Nur rund 15 Prozent der Mittel sind im sogenannten vordringlichen Bedarf wirklich frei disponierbar.
Nach welchen Kriterien werden die Projekte ausgewählt?
Die Bewertung richtet sich nach dem Nutzen-Kosten-Verhältnis, bei dem die volkswirtschaftlichen Nutzen und Kosten einer Maßnahme gegenübergestellt werden, sowie nach Umweltkriterien und raumordnerischen beziehungsweise städtebaulichen Kriterien, die im Sinne einer multikriteriellen Bewertung genauso wichtig sind. Diese Bewertung ist sehr komplex und teilweise unübersichtlich, dabei erschwert die Vielfalt der Ziele eine klare Priorisierung.
Was bezweckt die Bundesregierung mit dem Bundesverkehrswegeplan?
Eisenkopf: Ziel der Bundesverkehrswegeplanung ist eine verkehrsträgerübergreifende Priorisierung von Infrastrukturprojekten anhand nachvollziehbarer Kriterien und Bewertungen, die eine rationale Verkehrsinfrastrukturpolitik ermöglicht. Die knappen Budgetmittel sollen so verausgabt werden, dass für die Gesellschaft der größte Nutzen entsteht. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Effekte, Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes und der Raumordnung werden keinesfalls vernachlässigt, sondern gleichberechtigt berücksichtigt. Damit ist klar, dass es sich nicht um ein reines „Anti-Stau-Programm“ handelt – umgekehrt ist der BVWP auch kein Instrument zur Umsetzung rein klimapolitischer Zielsetzungen.
Von den 269,9 Milliarden Euro stehen 132,8 Milliarden für Bundesfernstraßen zur Verfügung, 112,3 Milliarden für Schienenwege und 24,5 Milliarden für Bundeswasserstraßen wie Schleusen und Kanäle: Was halten Sie von dieser Verteilung?
Eisenkopf: Mit dieser Verteilung ist der Schienenverkehr bereits favorisiert, weil er lediglich 8 Prozent der Verkehrsleistung im Personenverkehr und 18 Prozent im Güterverkehr erbringt. Der Vorwurf, die Schiene würde benachteiligt, geht daher ins Leere. In der ganzen Diskussion um den BVWP war die Deutsche Bahn auch erstaunlich moderat unterwegs, da man dort weiß, dass deutlich höhere Investitionsmittel realistischer Weise kaum abgearbeitet werden können und zudem auch wieder höhere Eigenmittel erforderlich machen, die man nicht leisten kann.
Während die Grünen den Bundesverkehrswegeplan als unbezahlbare „Wünsch-dir-was-Liste“ kritisieren, spricht der BUND von einem „Anti-Klimaschutz-Plan“: Wie unerschwinglich und klimafeindlich ist der Plan tatsächlich?
Eisenkopf: „Klimaschutz“ ist nur eine der relevanten verkehrspolitischen Zielvorstellungen, die zudem in die Bewertung der einzelnen Projekte eingeflossen ist. Allerdings ist der BVWP kein Instrument zur Umsetzung der von einigen Institutionen propagierten „großen Transformation“ unseres Wirtschaftssystems, bei der einer Dekarbonisierung der Gesellschaft alles andere untergeordnet wird. Der BVWP wird allerdings eine „Wünsch-dir-was-Liste“ bleiben, wenn die budgetierten Investitionsetats nach 2018 nicht zumindest stabil bleiben.
Aus dem aktuellen Plan wurden nur rund die Hälfte der vom Bund als vordringlich eingestuften Projekte verwirklicht: Ist das nicht eine ernüchternde Bilanz?
Eisenkopf: Das ist in der Tat ernüchternd, aber der über Jahrzehnte herrschenden Investitionsschwäche im öffentlichen Infrastruktursektor geschuldet. In dieser Legislaturperiode wurden erstmals nachhaltig die Budgetansätze für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen gesteigert, was durchaus positiv anzumerken ist. Insgesamt scheint die Sensibilisierung von Gesellschaft und Politik für die Infrastrukturproblematik gelungen zu sein.
Was halten Sie von Dobrindts Vorschlag, die Verantwortung an eine Bundesfernstraßengesellschaft zu übertragen?
Eisenkopf: Grundsätzlich begrüße ich die Gründung einer solchen Gesellschaft, aber es stellt sich die Frage, welche Aufgaben sie übernehmen soll. Unstreitig gehören dazu die nachhaltige Finanzierung der Infrastrukturprojekte und eine institutionelle Stärkung der Bauherrenkompetenz des Bundes. Ich bin allerdings skeptisch, ob eine solche Gesellschaft auch konkrete Planungs- und Realisierungsverantwortung für einzelne Projekte tragen sollte.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm