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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just-in-Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Die Klimapolitik der Europäischen Union agiert schon seit längerem unter dem Paradigma des sogenannten 2-Grad-Ziels. Demnach ist es die zentrale Aufgabe, die CO2-Emissionen weltweit so weit zu drosseln, dass die Erderwärmung unter der magischen Grenze von 2 Grad bleibt. Wie bereits beim Kyoto-Protokoll, sieht sich die EU in einer Vorreiterrolle bei der Reduktion der Emissionen – unter der (unrealistischen) Annahme, dass andere Staaten sich diesem Vorbild anschließen werden.
Vor diesem Hintergrund plant die EU-Klimapolitik eine nahezu vollständige Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft bis zum Jahre 2050. Als konkrete Ziele für den Verkehrssektor werden eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 % bis 2030 (gegenüber dem Jahr 2008) und um 60 % bis 2050 (gegenüber 1990) formuliert. Letzteres entspricht nach Angaben der Kommission einer Minderung um 70 % gegenüber 2008, da die Emissionen zwischenzeitlich stark angestiegen sind.
Da es sich bei den CO2-Emissionen um eine globale Externalität handelt, erscheint es aus ökonomischer Sicht wichtig, international und intersektoral die Lösungen mit den geringsten Vermeidungskosten zu suchen. Angesichts dieses ökonomischen Prinzips spricht vieles dafür, dass die Klimapolitik der EU sich als irrational und wenig effizient erweist und der Gesellschaft viel zu hohe Kosten aufbürdet, ohne die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Dies soll am Beispiel der Grenzwerte für die CO2-Emissionen von Pkw aufgezeigt werden.
Traditionell werden Umweltziele politisch in Emissionsgrenzwerte übersetzt. In der ökonomischen Diskussion wird jedoch die Internalisierung über Standards und Regulierungen kritisch bewertet, da diese das Kriterium (statischer) ökonomischer Effizienz nicht erfüllen. Sie mögen aber in der Lage sein, leichter die Umsetzung politischer Ziele zu gewährleisten (ohne Rücksicht auf die verursachten gesellschaftlichen Kosten). Dagegen werden preispolitische Internalisierungsansätze (Standard-Preis-Ansatz, Pigou-Steuer oder auch Zertifikatelösungen) von Ökonomen aus Effizienzgründen bevorzugt.
Im Verkehrssektor findet sich zur Internalisierung von Externalitäten derzeit eine implizite Steuerlösung in Gestalt der Mineralölsteuer (Energiesteuer). Der Steuersatz beträgt in Deutschland derzeit 65,45 Cent je Liter Benzin (47,04 Cent für Diesel) bei Verwendung in Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Im Zuge der ökologischen Steuerreform ab 1999 wurde die Erhöhung der Steuersätze (Fünfmal 6 Pfennige = 3,07 Cent im Jahresrhythmus) sogar explizit mit einer beabsichtigten Reduzierung der CO2-Emissionen begründet (These von der „doppelten Dividende“). Interpretiert man die Mineralölsteuer als Abgabe auf die mit der Verbrennung von Treibstoffen verbundenen CO2-Emissionen, wird jede Tonne CO2 bei Superbenzin implizit mit ca. 280 Euro besteuert, für Diesel liegt der implizite Steuersatz bei ca. 180 Euro (Annahme: 1 Liter Super = 2,32 kg CO2; 1 Liter Diesel = 2,62 kg CO2).
Aus ökonomischer Sicht bedeutet dies, dass Autofahrer bereits heute einen hohen Schattenpreis für den Energieverbrauch und damit für die CO2-Emissionen zahlen. Für sie wären alle Investitionen in die Senkung des Benzinverbrauchs kostensenkend, deren Grenzvermeidungskosten kleiner als 280 Euro je Tonne sind (Effizienzgrenze bei Dieselfahrzeugen entsprechend 180 Euro).Da im Automobilsektor Wettbewerb herrscht, ist allerdings davon auszugehen, dass die relevanten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung weitgehend realisiert sind. Zusätzliche Anstrengungen zur CO2-Einsparung z.B. bei Dieselfahrzeugen dürften Grenzvermeidungskosten von mehr als 180 Euro aufweisen, ein Vielfaches des derzeit relevanten Börsenpreises für eine Tonne CO2.
Zusätzlich gibt es in Europa derzeit bereits Flottengrenzwerte für die CO2-Emissionen von Pkw; für Lkw sind solche CO2-Grenzwerte in der Diskussion. So soll der aktuelle Pkw-Flottengrenzwert von 130 g CO2/km bis zum Jahr 2021 weiter auf 95 g CO2/km abgesenkt werden. Derartige verschärfte Grenzwerte scheinen allerdings vor dem Hintergrund der oben errechneten Grenzvermeidungskosten ökonomisch ineffizient und unsinnig. Mit dem Geld, das die Gesellschaft auf diese Weise in die Vermeidung einer Tonne CO2 investiert, könnte man an anderer Stelle eine vielfache Wirkung entfalten.
CO2-Grenzwerte sind zudem auch deswegen kontraproduktiv, weil die Mess- und Evaluierungsverfahren so ausgerichtet sind, dass die theoretisch definierten und politisch gesetzten Bedingungen erfüllt werden. Dies muss aber nicht den praktischen Nutzungsbedingungen der Fahrzeuge entsprechen. Es kommt bereits heute zu erheblichen Anreizverzerrungen für die Pkw-Hersteller. So wird vielfach beklagt, dass die tatsächlichen Kraftstoffverbräuche von Pkw stark von den herstellerseitig angegebenen Normverbräuchen abweichen.
Ein umweltökonomisch besonders interessantes Instrument zur Internalisierung von CO2-Emissionen im Verkehr könnte der Emissionshandel sein. Um die gestellte Aufgabe der Reduzierung von CO2-Emissionen ökonomisch effizient zu erfüllen, müsste der Verkehr aber Teil eines umfassenden Regimes mit geringen Transaktionskosten sein. Dies wäre über einen Upstream-Ansatz relativ einfach möglich (Erwerb von Emissionsrechten durch Kraftstoffanbieter). Bei einem Zielpreis von 30 Euro je Tonne CO2 würde dies einem Preisaufschlag von 7 Cent pro Liter Benzin bzw. 8 Cent für Diesel entsprechen. Bei einem aktuellen Zertifikatepreis von rund 7 Euro reden wir über etwa 2 Cent je Liter.
Aber auch ein sektoral begrenztes Emissionshandelssystem auf EU-Ebene bleibt Stückwerk und Insellösung. Da globale Umweltprobleme sich per definitionem nur global lösen lassen, setzt dies die internationale Beteiligung aller relevanten Wirtschaftseinheiten (Staaten wie private Wirtschaftssubjekte) voraus. Diese scheitert an asymmetrisch verteilten Kooperationsanreizen, die prohibitiv hohe Kosten für Verhandlungslösungen nach sich ziehen. Daher ist das CO2-Problem weder durch das Kyoto-Protokoll noch durch das EU ETS in seiner jetzigen Form zu lösen.
Wenn andere Staaten sich nicht in dem Maße an der Bewältigung der Herausforderungen im Klimaschutz beteiligen, wie sich das die EU in ihrer Gutmenschenattitüde vorstellt, werden zum einen die angestrebten Klimaziele nicht erreicht werden. So spielt die Reduzierung der verkehrlichen Emissionen in Europa für das Klima letztlich keine messbare Rolle, verursacht aber hohe Kosten und bindet Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen, um günstige CO2-Einsparpotentiale zu erschließen. Zum anderen wird die ökonomische Effizienz einer so ausgerichteten Klimapolitik zunehmend in Frage gestellt. Laut einer Studie von Richard Tol aus dem Jahre 2012 kostet die 2020-Strategie der Europäischen Union jährlich 185 Mrd. Euro. Diese gewaltige finanzielle Anstrengung wird allerdings den globalen Temperaturanstieg voraussichtlich nur um 0,05 Grad Celsius reduzieren. Wichtig wäre daher eine Umorientierung der nationalen und europäischen Klimapolitik im Hinblick auf mehr Effizienz.
Titelbild: „Electric Car recharging“ von Elektroauto_1.jpg: Michael Movchinderivative work: Mueller felix - Diese Datei
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Bilder im Text: „NASA Apollo 17 Lunar Roving Vehicle“ von NASA - http://grin.hq.nasa.gov/ABSTRACTS/GPN-2000-001139.html.
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„Umweltzonen in Deutschland“ von Markus Baumer -
Deutschlandkarte basiert auf Grafik von David Liuzzo,
Informationen zu den Umweltzonen: Umweltbundesamt.
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„Elektrotankstelle Reykjavik 2“ von Reinhard Dietrich - Eigenes
Werk. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm & Alina Zimmermann