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Maximilian Nagel ist akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft und Verwaltungsmodernisierung. Im Rahmen seiner Promotion besuchte er unter anderem die University of Pittsburgh als Visiting Scholar. Zuvor absolvierte er sein Bachelor- und Masterstudium ebenfalls an der Zeppelin Universität. Für eine seiner Lehrveranstaltungen wurde er kürzlich mit dem universitätsinternen ZU|Teaching Award ausgezeichnet.
Kennen Sie den niederländischen Künstler und Grafiker Maurits Cornelis Escher? Geboren 1898 in der holländischen Provinz, erlangte er im 20. Jahrhundert Bekanntheit für seine Darstellung sogenannter unmöglicher Figuren. Dabei verarbeitete er in seinen Werken abstrakte geometrische Ideen und spielte mit dem Wechsel von verfärbten Flächen. 1941 schuf Escher Symmetriezeichnung 45. Im Wechselspiel von weißen und schwarzen Ausfüllungen sieht der Beobachter entweder schwarze Teufel oder weiße Engel. Erst bei genauerer und längerer Betrachtung offenbart sich die undefinierte Fläche als entsprechendes Gegenteil zum erst Erkannten. Eschers Symmetriezeichnung 45 ist in vielerlei Hinsicht übertragbar. Das vorschnelle Urteilen, binär codierte Meinungen, die entweder schwarz oder weiß sind, stehen sinnbildlich dafür. Dabei ist der Raum dazwischen, zwischen schwarz und weiß besonders interessant.
Beispielhaft für ein Entweder-Oder, für das Bild von Gut oder Böse, ist das freiwillige Engagement von Unternehmen. Von den einen verteufelt, von den anderen als Win-win-Situation für alle gesehen. Richtet man den Blick auf Deutschland, fallen einem vielleicht die Fugger in Augsburg oder hanseatische Kaufmannsfamilien im Norden ein. Auch in den USA hat das freiwillige unternehmerische Engagement eine lange Tradition. Andrew Carnegie verfasste gegen Ende des 19. Jahrhunderts das „Evangelium des Reichtums“, welches im Englischen als „Gospel of Wealth“ bekannt ist. Der Essay ist ein Plädoyer für das Spenden, es wird als moralische Pflicht beschrieben. Carnegie selbst finanzierte Bibliotheken, kulturelle Einrichtungen und baute Universitäten auf. Seinen eigenen Mitarbeitern gegenüber war er dagegen nicht ganz so großzügig. Hier kürzte er Gehälter, da zerschlug er Gewerkschaften.
Verlassen wir die Umstände des späten 19. und 20. Jahrhunderts, ist das freiwillige Engagement von Unternehmen auch heute noch wichtig, es gewinnt sogar an Relevanz. In den USA wird ein neues goldenes Zeitalter diskutiert. Akteure formieren sich, allerdings wird ihr Engagement zwiespältig gesehen. Im Kontext deutscher Großstädte beobachten wir dagegen schrumpfende Budgets für freiwillige kommunale Aufgaben, das heißt unter anderem für Kultur, Kunst, öffentliche Parks, Sportstätten, Jugendhilfe und Altenpflege. Vereinfacht gesagt: Es sind gerade die Dinge, die eine Stadt lebenswert und schön machen. Dabei stehen Städte vor vielen Herausforderungen. Sie befinden sich im internationalen Wettbewerb, sind mit einem Legitimationsdruck konfrontiert und noch immer von den Folgen des neuen Steuerungsmodells betroffen.
Auf der einen Seite steht somit ein Schrumpfen von Budgets für freiwillige kommunale Leistungen, auf der anderen Seite professionalisieren Unternehmen ihre Tätigkeiten und investieren verstärkt in Kultur, Kunst, Bildung, Jugendhilfe und Sport in ihrer Region. Die Bedeutung des freiwilligen unternehmerischen Engagements für Kommunen wird mit Blick auf die skizzierten Herausforderungen immer wesentlicher, jedoch ist das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Kommune ungeklärt, was zu Friktionen und Missverständnissen führen kann. Wie können sich Politik und Verwaltung vor dem Vorwurf des Lobbyings schützen und wie weit darf das finanzielle Sponsoring von kommunalen Leistungen reichen? Welche Legitimation hat ein solches Handeln und ab welchem Punkt steht die Legitimation des politisch-administrativen Systems in Frage? Welche Ziele und Interessen verfolgen die Akteure und welche Friktionen entstehen, wenn diese unterschiedlich sind? Wer sieht eine von der Bundesregierung skizzierte Win-win-Situation, wer spricht sich dagegen aus und worin gründen sich diese Neigungen? Welche Mitte kann gesehen werden? Das Potential für Konflikte, Missverständnisse und Unsicherheiten ist auch deswegen hoch, weil es keinen rechtlichen Regulierungsrahmen oder Modelle aus der geübten Praxis gibt.
Dennoch: Mit Blick auf die kommunalpolitische Bedeutung bietet Corporate Social Responsibility vielfältige Chancen für die Kommunalentwicklung, wenn Friktionen, Missverständnisse und Konfliktpotentiale aufgezeigt und durch entsprechende Reformmaßnahmen in kommunaler Politik und Verwaltung adressiert werden. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die Forschung am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft & Verwaltungsmodernisierung in einem Untersuchungsprojekt mit dem freiwilligen kommunalen Engagement von Unternehmen am Beispiel einer deutschen Großstadt.
Dabei rücken insbesondere die Werte, Einstellungen und Rollenverständnisse kommunaler Akteure aus Politik und Verwaltung in das Blickfeld. Zum Projektende werden Transferveranstaltungen mit Praxisvertretern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft initiiert, welche die Kooperationsbeziehung professionalisieren und auf diese Weise eine bessere Kommunalpolitik in Deutschland ermöglichen.
Titelbild:
| QuinceMedia / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link
Bilder im Text:
| Radosław Drożdżewski (Zwiadowca21) / Eigenes Werk (CC BY-SA 4.0) | Link
Beitrag (redaktionell unverändert): Maximilian Nagel
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm