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Niedrigzinsphase

Mobil bleiben!

Die privaten Haushalte sollten ihre Anlagestruktur ändern. Es sollte auch in Deutschland mehr direkt oder indirekt in Aktienmärkte und natürlich auch, wenn möglich, in Wohnimmobilien investiert werden.

Prof. Dr. Marcel Tyrell
Gastprofessur für Economics of Financial Institutions
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Marcel Tyrell

    Seit 2009 leitete Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er zu Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro- und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften. 2017 übernahm er den Lehrstuhl Banking and Finance an der Universität Witten/Herdecke und blieb der Zeppelin Universität als Gastprofessor für Economics of Financial Institutions erhalten.  

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Mehr als zehn Jahre dauert nun schon die Niedrigzinsphase – und ein Ende ist nicht abzusehen. So hat gerade die amerikanische Federal Reserve die Zinswende gestoppt und die Öffentlichkeit zudem darauf vorbereitet, dass es in naher Zukunft wieder zu Zinssenkungen kommen wird. Auch in Europa liegen die Zinsen für sichere Staatsanleihen wie beispielsweise zehnjährige deutsche Bundesanleihen auf einem historischen Tiefststand bei etwa minus 0,2 Prozent. Was bedeutet das für Sparer? Gibt es neben der Zinspolitik der Zentralbanken noch andere Gründe für diese langanhaltende Niedrigzinsphase? Müssen wir uns darauf einstellen, dass ein solches Zinsniveau auch in der Zukunft noch auf absehbare Zeit erhalten bleibt? Und wie kann man in solchen Zeiten auf sein Sparkapital noch Renditen erwirtschaften?


Für Sparer verheißt eine solche Niedrigzinsphase zuerst einmal wenig Gutes. Sofern der Privathaushalt mehr spart als er ausgibt – also Zahlungsüberschüsse im Zeitablauf generiert, die er anzulegen gedenkt – bedeutet ein solches Zinsniveau, dass er bei relativ sicheren Finanzanlagen kaum positive Renditen erwirtschaften kann. Selbst bei der heutzutage niedrigen Inflationsrate von ungefähr 1 Prozent hat dies dann zur Folge, dass real – also nach Abzug der Inflationsrate – es sehr wahrscheinlich ist, dass sich ein solcher Privathaushalt mit der Zeit „entspart“: Seine Finanzanlagen verlieren real in Kaufkraft gerechnet über die längere Frist an Wert. Auf der anderen Seite sind solche Niedrigzinsphasen für Haushalte, die sich verschulden, weil sie beispielsweise eine größere Anschaffung wie eine Immobilie erwerben wollen, gute Zeiten. Die Hypothekenzinsen sind ebenfalls auf historischen Tiefstständen angelangt. Für Immobilienkredite mit 15-jähriger Zinsbindungsfrist zahlt der Kunde bei einigermaßen guter Bonität und hinreichend Eigenkapital in der Finanzierung kaum mehr als 1 Prozent Zinsen pro Jahr.


Es hängt also zuerst einmal auch von der Finanzposition des privaten Haushaltes ab, ob er von der Niedrigzinsphase profitieren kann. Im Schnitt sparen die privaten Haushalte in Deutschland jedoch mehr als sie ausgeben. So hat zum Ende des Jahres 2018 das Geldvermögen der privaten Haushalte einen neuen Rekordwert von etwas mehr als 6 Billionen Euro erreicht. Damit steigt das Geldvermögen bereits im zehnten Jahr in Folge trotz der Niedrigzinsphase.

Die Europäische Zentralbank, hier ihre Zentrale in Frankfurt am Mainufer, ist eine der Übeltäterinnen für die Zinsmisere der deutschen Sparer – und wird es vorerst auch bleiben. Denn erst in der vergangenen, ersten Juni-Woche erklärte die EZB, den Leitzins in Europa länger als bislang geplant auf dem historischen Tiefststand von 0,0 Prozent zu belassen. „Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Leitzinsen der EZB mindestens bis zur ersten Jahreshälfte 2020 auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben“, sagte ein Sprecher nach der Sitzung der Notenbankchefs der Eurozone, die in diesem Jahr im litauischen Vilnius stattfand. Auf diesen Tiefstwert hatte die Zentralbank den Leitzins im März 2016 gesenkt, um mit günstigem Kapital Konjunktur und Inflation anzukurbeln. In den vergangenen Monaten verschlechterten sich aber angesichts des Handelstreits der USA mit China, des Brexit sowie weiteren geopolitischen Risiken die Wachstumsaussichten für die Wirtschaft – und fesseln den Leitzins damit vorerst weiter im Keller.
Die Europäische Zentralbank, hier ihre Zentrale in Frankfurt am Mainufer, ist eine der Übeltäterinnen für die Zinsmisere der deutschen Sparer – und wird es vorerst auch bleiben. Denn erst in der vergangenen, ersten Juni-Woche erklärte die EZB, den Leitzins in Europa länger als bislang geplant auf dem historischen Tiefststand von 0,0 Prozent zu belassen. „Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Leitzinsen der EZB mindestens bis zur ersten Jahreshälfte 2020 auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben“, sagte ein Sprecher nach der Sitzung der Notenbankchefs der Eurozone, die in diesem Jahr im litauischen Vilnius stattfand. Auf diesen Tiefstwert hatte die Zentralbank den Leitzins im März 2016 gesenkt, um mit günstigem Kapital Konjunktur und Inflation anzukurbeln. In den vergangenen Monaten verschlechterten sich aber angesichts des Handelstreits der USA mit China, des Brexit sowie weiteren geopolitischen Risiken die Wachstumsaussichten für die Wirtschaft – und fesseln den Leitzins damit vorerst weiter im Keller.

Müssen wir in absehbarer Zukunft weiterhin mit einem ähnlich niedrigen Zinsniveau rechnen? Die meisten Ökonomen gehen davon aus. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu Ende des vergangenen Jahres in einer Studie dargelegt, dass Niedrigzinsen auch in Zukunft ein Dauerthema sein werden. Die Wirtschaftswissenschaftler des IW prognostizieren bis zum Jahre 2050 ein dauerhaft niedriges Realzinsniveau um die 0 Prozent. Und sie stehen mit dieser Prognose nicht allein.


Wichtig ist zu erkennen, dass verantwortlich für das langanhaltende Niedrigzinsumfeld nicht in erster Linie die Geldpolitik der führenden Zentralbanken dieser Welt ist, sondern strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft eine ausschlaggebende Rolle spielen. Ökonomen der Bank of England haben im Jahre 2017 die Gründe ausführlich analysiert. Zum einen hat eine globale Sparschwemme aufgrund hoher weltweiter Sparquoten das Zinsniveau stark nach unten gedrückt. Dann hat sich fundamental die Investitionsstruktur in vielen Unternehmen und Branchen aufgrund der digitalen Transformation der Wirtschaft verändert: Unternehmen investieren weniger in Maschinen und Gebäude, stattdessen mehr in Daten, Lizenzen etc. Die nominalen Kapitalvolumina der Unternehmen gehen zurück, sie können ebenfalls mehr sparen. Weiterhin hat sich der Preis für Produktionsgüter in Relation zu Konsumgütern in den vergangenen 20 Jahren halbiert. All dies reduziert die Investitionsquote. Und nicht zuletzt der demographische Wandel hatte einen starken Einfluss: Die Lebenserwartung der Menschen steigt, sie sparen mehr für das Alter und dies lässt die Zinsen ebenfalls sinken. Nicht unerwähnt bleiben soll zudem die zunehmende Ungleichheit in Einkommen und Vermögen sowie der Rückgang der staatlichen Investitionen, die ebenfalls zum Zinsverfall beigetragen haben.


Diese strukturellen Gründe sind, so die fast einhellige Meinung der Ökonomen, verantwortlich für die langfristige Entwicklung des Zinsniveaus. Denn wenn die Sparquote insgesamt steigt und die Investitionsquote sinkt, dann muss der Zinssatz, der Sparen und Investitionen zum Ausgleich bringt, zwangsläufig fallen. Das haben wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten beobachtet, und es gibt keine auf der Hand liegenden Gründe, die eine Umkehr dieses Trends in der näheren Zukunft erwarten lassen. Sparer sollten sich also auf weiterhin niedrige Zinsen einstellen.

Was bedeutet das nun insbesondere für die Privathaushalte? Sie sollten ihr Sparverhalten ändern. Gerade in Deutschland sparen die Privathaushalte immer noch einen Großteil ihres Geldvermögens, indem sie die Gelder sicher, aber niedrig verzinst auf Sparkonten bei Banken halten beziehungsweise in relativ sichere Anleihen investiert sind. Dies ist nicht sinnvoll. Ökonomen aus der Forschergruppe um Moritz Schularick haben in einer groß angelegten Studie für 16 Industrieländer untersucht, wie die Rendite und das Risiko verschiedener Anlageformen in der langen Frist waren. Ihre Daten für die jeweiligen Länder reichen zurück bis ins Jahr 1870 und umfassen typischerweise einen Zeitraum von nahezu 150 Jahren. Sie zeigen auf, dass über die Frist von fast 150 Jahren (1870-2015) eine reale Rendite auf Aktien von im Durchschnitt 7 Prozent pro Jahr erwirtschaftet werden konnte, während sichere Anleihen eine Rendite von gerade mal 1 Prozent pro Jahr erbracht hatten. Natürlich geht die höhere Rendite auf Aktien mit einem höheren Risiko im Vergleich zu den Anleihen einher. Auch für den Nachkriegszeitraum 1950-2015 sind die Relationen ähnlich. Noch interessanter sind jedoch die Ergebnisse in Bezug auf Wohnimmobilien. Hier zeigt sich eine ähnlich hohe Rendite von mehr als 7 Prozent pro Jahr über beide Fristen, jedoch verbunden mit einem im Vergleich zu Aktienanlagen sehr viel geringeren Risiko.


Hieraus kann nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die privaten Haushalte ihre Anlagestruktur ändern sollten. Es sollte auch in Deutschland mehr direkt oder indirekt in Aktienmärkte und natürlich auch, wenn möglich, in Wohnimmobilien investiert werden. Bezüglich der Finanzanlagen gibt es heutzutage auch bedingt durch das Eindringen von FinTech-Unternehmen gerade für Privathaushalte mit niedrigeren Einkommen hervorragende Möglichkeiten, diversifiziert zu niedrigen Kosten über Finanzprodukte an der Wertentwicklung von Aktienmärkten zu partizipieren. Dies sollte mehr genutzt werden. In Bezug auf die Wohnimmobilien ist die Sache allerdings schwieriger. Hier sind die durch die Wertentwicklung der Immobilien bedingten hohen direkten Kosten eines Immobilienerwerbs in Verbindung mit den Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbssteuer und Notariatskosten ein Hauptgrund, warum gerade auch in Relation zu vielen anderen europäischen Ländern es in Deutschland relativ wenige Privathaushalte mit Immobilienbesitz gibt. Hier könnte die Politik durch veränderte Rahmenbedingungen zumindest etwas Abhilfe schaffen. Auch in Niedrigzinszeiten ist es somit möglich, Sparrenditen zu erwirtschaften.

Titelbild: 

| Fabian Blank / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| ProfessionalPhoto / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Marcel Tyrell

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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