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Konkurrenz unter Frauen

Nicht gegen-, sondern miteinander!

von Dr. Angelica V. Marte und Ragna Hübner | Zeppelin Universität
19.07.2022
Nach gründlicher Literaturrecherche und Empirie kommen wir zu dem Schluss, dass sich Frauen nach jahrelangem Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung innerhalb der eigenen Reihen häufig selbst im Weg stehen und sich gegenseitig in Karriere und Erfolg behindern oder im Extremfall diesen sogar verhindern.

Dr. Angelica V. Marte und Ragna Hübner
Gastwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ und Alumna des Masterstudiengangs „Pioneering in Arts, Media and the Creative Industries“
 
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    Zur Person
    Dr. Angelica V. Marte und Ragna Hübner

    Dr. Angelica V. Marte ist ausgebildete systemische Beraterin, Wissenschaftlerin und Führungskräfteentwicklerin. Sie arbeitet seit 1996 mit internationalen Unternehmen und Universitäten als Expertin für die Themen „Global Leadership“, „Networks“ und „Diversity“ und als Executive Coach. Sie publizierte und forschte dazu unter anderem an der Universität Witten/Herdecke, der MIT Sloan School of Management und der Universität Zürich. Aktuell ist sie Unternehmerin sowie Gastwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ an der Zeppelin Universität und an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Sie engagiert sich als Beirätin an der Donau-Universität Krems (Department für Interaktive Medien), im Supervisory Board des Schweizer Beratungsunternehmens DOIT- Smart und seit 2013 als zertifzierte Lehrtrainerin für systemisches Coaching am Zentrum für systemische Forschung und Beratung (zfsb) in Heidelberg.


    Nach ihrem Bachelor der Kulturwissenschaften, Wissensmanagement und Logistik in Magdeburg studierte Ragna Hübner bis Anfang 2022 im Master an der Zeppelin Universität Pioneering in Arts, Media and the Creative Industries. Dabei interessierte sie sich zunehmend für Feminismus und Emanzipation. In ihrer Masterarbeit befasste sie sich mit der Thematik der Frauenkonkurrenz sowie mit der Frage, ob es diesbezüglich ein Tabu gibt. Dabei erarbeitete sie Gründe und Lösungsansätze, um dem negativen Konkurrenzverhalten unter einigen Frauen entgegenzuwirken und das Tabu zu brechen.

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Das bekannte Queen-Bee- oder Bienenkönigin-Syndrom – gibt es schon seit 1973 – mag zwar verstaubt sein, aber leider doch schockierend relevant. Könnte es folglich sein, dass ein Tabu dahintersteckt? Nach gründlicher Literaturrecherche und Empirie kommen wir zu dem Schluss, dass sich Frauen nach jahrelangem Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung innerhalb der eigenen Reihen häufig selbst im Weg stehen und sich gegenseitig in Karriere und Erfolg behindern oder im Extremfall diesen sogar verhindern. Naheliegende Frage: Warum? Mit dieser Frage und dazugehöriger Problemkonstellation sowie möglichen Gründen und Lösungsansätzen beschäftigt sich Ragna Hübner in ihrer interdisziplinären Masterarbeit und Dr. Angelica V. Marte als deren Supervisorin.

Beginnen wir am Anfang. Die Erziehung von Mädchen und Jungen wird seit Jahrhunderten und überraschenderweise immer noch nach geschlechtlichen Unterschieden praktiziert. Es werden unterschiedliche Verhaltensweisen erwartet und folglich anerzogen. Jungen finden im Wettkampf miteinander heraus, wer und wie man die Nase vorne hat – sie werden mithin schon früh ans Konkurrenzdenken herangeführt und entsprechend sozialisiert. Mädchen sollen sich zurückhaltend, „lieb“ und konfliktfrei verhalten – sie lernen demnach nicht Konkurrenz als Leistungs- und Konflikttraining für sich selbst zu nutzen und mit Konkurrenzsituationen produktiv umzugehen.


Sehen auch Sie Parallelen in Ihrer beruflichen Praxis? Was wird von Führungskräften erwartet? Durchsetzungsfähigkeit und Willensstärke. Dies wird Jungen von klein auf beigebracht. Das könnte ein Grund dafür sein, dass es vielen Frauen schwerfällt, ihre Rolle als Führungskraft zu finden, ohne dabei männliche Attribute anzunehmen und weibliche abzuwerten. Diese Weiblichkeitsverleugnungsstrategien zeigen sich zum Beispiel darin, dass Frauen verdeutlichen, sie wären nicht wie andere Frauen beziehungsweise sie wären schon immer besser mit Männern zurechtgekommen, da Frauen zum Beispiel zu emotional sind. „Run with the boys“ – als Mädchen ist es besser, bei den Jungs dabei zu sein.

Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen den Wettbewerb eher scheuen als Männer, was sich potenziell negativ auf Gehalts- und Karrierechancen auswirkt. Ein aktuelles Forschungspapier des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) belegt diesen Zusammenhang erneut und untersucht darüber hinaus, welchen Unterschied es macht, ob Männer und Frauen untereinander oder gegeneinander konkurrieren. Das an der Universität Essex durchgeführte Experiment bestand aus mehreren Runden mit insgesamt 444 Versuchspersonen, die am Computer eine Reihe von Aufgaben lösen mussten. Die Auswertung zeigt, dass sich Männer mehr ins Zeug legten, wenn sie eine personenbezogene statt eine willkürliche Leistungsvorgabe hatten. Vor allem aber versuchten sie diese Leistung noch deutlich zu übertreffen, wenn sie wussten, dass es sich bei der anderen Person um eine Frau handelte. Frauen hingegen reagierten im Schnitt gar nicht auf die veränderte Wettbewerbssituation und erzielten unabhängig vom Leistungsziel in jeder Runde etwa das gleiche Ergebnis. Die Forscher schließen daraus, dass Männer nicht nur einen größeren Wettbewerbseifer an den Tag legen, sondern durch die Gefahr einer Frau zu unterliegen besonders angespornt werden. Mit Blick auf die Gesamtproduktivität eines Unternehmens könne es daher von Vorteil sein, wenn sich der Frauenanteil in kompetitiven Arbeitsumgebungen erhöhe.
Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen den Wettbewerb eher scheuen als Männer, was sich potenziell negativ auf Gehalts- und Karrierechancen auswirkt. Ein aktuelles Forschungspapier des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) belegt diesen Zusammenhang erneut und untersucht darüber hinaus, welchen Unterschied es macht, ob Männer und Frauen untereinander oder gegeneinander konkurrieren. Das an der Universität Essex durchgeführte Experiment bestand aus mehreren Runden mit insgesamt 444 Versuchspersonen, die am Computer eine Reihe von Aufgaben lösen mussten. Die Auswertung zeigt, dass sich Männer mehr ins Zeug legten, wenn sie eine personenbezogene statt eine willkürliche Leistungsvorgabe hatten. Vor allem aber versuchten sie diese Leistung noch deutlich zu übertreffen, wenn sie wussten, dass es sich bei der anderen Person um eine Frau handelte. Frauen hingegen reagierten im Schnitt gar nicht auf die veränderte Wettbewerbssituation und erzielten unabhängig vom Leistungsziel in jeder Runde etwa das gleiche Ergebnis. Die Forscher schließen daraus, dass Männer nicht nur einen größeren Wettbewerbseifer an den Tag legen, sondern durch die Gefahr einer Frau zu unterliegen besonders angespornt werden. Mit Blick auf die Gesamtproduktivität eines Unternehmens könne es daher von Vorteil sein, wenn sich der Frauenanteil in kompetitiven Arbeitsumgebungen erhöhe.

Marte führt dazu aus, dass diese Abwertungen oft Reaktionen auf ein diskriminierendes oder patriarchales Arbeitsumfeld sind – also in den meisten Organisationen zu finden. Das menschliche Selbstbild wird vom sozialen Umfeld geprägt, daher oft eine Idealisierung des Männlichen und eine Abspaltung des Weiblichen. Die weibliche Wunde ist die Selbstabwertung der weiblichen Identität. Diese Erfahrungen können Frauen veranlassen, sich aktiv von weiblichen Stereotypen zu distanzieren, ergo andere Frauen ab- und damit die eigene Identität aufzuwerten.


Ein weiterer Erklärungsansatz für die Tabuisierung lässt sich in der Frauenbewegung der 80er Jahre finden. In dieser stand das „Wir“ in Form von Solidarität im Vordergrund, weshalb Kritik und Konkurrenz Tabus waren. Es scheint sich der Tabugedanke bei Frauen aber schon in der Kindheit zu verfestigen, eben durch fehlende und unterdrückte Konkurrenzerfahrungen. Viele Mädchen hören heute immer noch: „Es geht doch nicht ums Gewinnen, sondern darum, Spaß miteinander zu haben, solidarisch zu sein und zusammenzuhalten.“ Da offene Konkurrenz nicht stattfinden darf, kann man Machtspiele unter Mädchen und Frauen meist als Stichelei, Kommunikationsverweigerung oder leises Ausschließen aus Zugängen beziehungsweise Bevorzugung von Männern beobachten (siehe zum Beispiel Personalauswahl, Beförderungen, Podiumsbesetzungen oder Medienanfragen).

Im Rahmen ihrer Arbeit fragte Hübner ihre Interviewpartner*innen auch nach Lösungsansätzen. Dabei entwickelten sich zwei interessante Lösungsstränge, die sie überraschten:

  • Die Generation der 80er-Jahre-Frauenbewegung scheint Konkurrenz offener wahrzunehmen und anzusprechen – als die jüngere Generation der 1990er/2000er Jahre – und mit Konflikten auch offener umzugehen, ohne sofort persönlich beleidigt zu sein.
  • Diese ältere Generation ist in ihren Lösungsansätzen aktiver, die jüngere eher passiv. Während die älteren Frauen sagen, sie versuchen Konkurrenz offen zu thematisieren und auch einen Nutzen daraus zu generieren (z.B., dass sie und ihre Konkurrentin ihr Wissen vereinen), sehen die jüngeren die Verantwortung bei anderen wie dem Unternehmensmanagement – dieses sollte unter anderem Regeln und eine Null-Toleranz-Politik aufbauen.

„Mich begleitet das Thema Konkurrenz persönlich wie auch wissenschaftlich schon sehr lange“, bemerkt Marte. Ausgeschlossen, „,The elephant in the room‘ zu thematisieren, damit den Tabubruch zu wagen und selbstreflexiv – also auf sich und das eigene Werden bezogen – Veränderung anzustreben. Zusammen mit eigenverantwortlichem Handeln wäre das der wichtigste Schritt zu einem (,echten‘) Mit- statt Gegeneinander.“


Lösungsansätze sind gesellschaftlicher Natur und liegen in der Veränderung des Verhaltenskodexes für Mädchen und Jungen. So ein Umdenken und struktureller Umbau in Familien, Bildung und Politik dauert Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Unternehmen und Institutionen können schon heute ihren Teil dazu beitragen, indem sie für das Thema sensibilisieren und zum Beispiel eine Genderbalance auf allen Führungsebenen etablieren. Das trägt dazu bei, dass Frauen (und andere Genderidentitäten) sich nicht mehr männlichen Verhaltensmustern anpassen müssen, um Karriere zu machen, sondern ihre, manchmal sehr unterschiedlichen Perspektiven einbringen zu können.


„Konkurrenz als Leistungs- und Motivationstraining und als Auszeichnung zu verstehen und Konkurrentinnen als Leuchttürme, Messlatte oder sogar als Role Models für die eigene Karriere zu identifizieren und zu Verbündeten machen, das bringt uns alle weiter“, meint Marte. Als Fazit fordert Hübner auf: „Denken Sie nach, welche Konkurrentin Ihnen einfällt, die Sie morgen liken, ansprechen oder sogar weiterempfehlen können. Vielleicht passiert Ihnen übermorgen so etwas ähnliches!“

Titelbild: 

| Matteo Vistocco / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| UX Indonesia / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Dr. Angelica V. Marte und Ragna Hübner

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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