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Mark Mietzner studierte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Betriebswirtschaftslehre. 2008 promovierte er an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel über „Changes in Corporate Governance and Corporate Valuation“. Vor seinem Wechsel an die ZU war er an der Technischen Universität Darmstadt tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Themen aktivistische Aktionäre, Corporate Governance sowie die sogenannten „Special Purpose Acquisition Companies (SPACs)“, also börsennotierte Gesellschaften ohne eigenes operatives Geschäft mit dem Ziel von Unternehmensübernahmen, und „Credit Default Swaps (CDS)“, die Kreditderivate zum Handel von Ausfallrisiken von Krediten.
Eines der spektakulärsten Beispiele für ein Aktienrückkaufprogramm ereignete sich im Sommer 2012, als der Vorstand des Technologiekonzerns Siemens beschloss, eigene Wertpapiere im Wert von knapp drei Milliarden Euro einzuziehen. Dabei handelte es sich noch nicht einmal um eines der größten aufgelegten Programme dieses Jahres: Damals kündigte auch die US-Firma Exxon an, eigene Aktien im Wert von knapp 15,8 Milliarden Dollar zurückkaufen zu wollen, während das US-Unternehmen Johnson & Johnson ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von rund 13 Milliarden Dollar auflegte.
„Das bemerkenswerte an diesen Transaktionen ist neben ihrer beachtlichen Größenordnung, dass die Unternehmen sie zum Teil sogar durch die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapitel finanzieren“, sagt Prof. Dr. Mark Mietzner, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzierung am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen. Aber warum nutzen die Unternehmen das für diese Transaktionen vorgesehene Kapital eigentlich nicht, um es etwa in Form einer Dividende an die Aktionäre ausschütten oder gar zur Schuldentilgung?
„An dieser Stelle vermutet die wissenschaftliche Literatur, dass Manager Aktienrückkaufprogramme gezielt einsetzten,“ erklärt Mietzner, „um dem Kapitalmarkt eine Unterbewertung des eigenen Unternehmens anzuzeigen“. Die Unternehmen betrieben damit letztendlich eine Form der „Kurspflege“. Aber auch aus einer Corporate-Governance-Perspektive könnte laut Mietzner die Ankündigung eines Aktienrückkaufs als ein positives Signal gewertet werden: „Manager könnten diese Programme nämlich dazu nutzen, um überschüssiges Kapital an die Aktionäre auszuschütten und damit die Kapitalstruktur des Unternehmens gezielt verändern.“ In jedem Fall bedeute ein Aktienrückkauf einen Abfluss von liquiden Mitteln für das jeweilige Unternehmen und damit eine Erhöhung des Verschuldungsgrades, „wodurch der häufig bei überdurchschnittlich hoher Liquiditätshaltung auftretende Prinzipal-Agenten Konflikt hinsichtlich der Verwendung der vom Unternehmen erwirtschafteten finanziellen Ressourcen vermieden wird“. Weitgehende Unterstützung für diese beiden Hypothesen liefern die Ergebnisse bisheriger empirischer Studien, die zu der Erkenntnis gelangen, dass die Ankündigung eines Rückkaufs eigener Anteilsscheine an den Kapitalmärkten zu kurzfristig positiven Wertentwicklungen und somit zu einer Steigerung des Aktionärsvermögens führt.
„Manche Wissenschaftler bezweifeln allerdings, dass die vermutete Signalwirkung für die beobachteten Kursreaktionen verantwortlich ist“, sagt Mietzner. Denn ein solches Signal sei nur dann glaubhaft, wenn das Management sich auch glaubhaft an die Erfüllung des Programms binden könne. „Dieses Bindungsvermögen ist aber bei Aktienrückkaufprogrammen nicht gegeben“, erklärt Mietzner, „da das Management von der Hauptversammlung lediglich die Ermächtigung zum Rückkauf eigener Aktien bekommt – jedoch nicht verpflichtet ist, das Rückkaufprogramm auch durchzuführen“. Eine Ankündigung eines Rückkaufprogramms stelle somit eine Option für Management dar, die es nach eigenem Ermessen ausüben könne. Dies ist laut Mietzner vielleicht auch ein Grund dafür, warum viele Programme zum Rückkauf eigener Anteilsscheine angekündigt, aber nicht umgesetzt werden.
„Vom Management wird neben einer wahrgenommenen Unterbewertung des eigenen Unternehmens insbesondere ein Mangel an attraktiven internen Investitionsmöglichkeiten als weiterer Hauptgrund für das Auflegen eines solchen Programms angeführt“, führt Mietzner aus. Obwohl es intuitiv erscheine, das Kaufen eigener Anteilsscheine an die Investitionsmöglichkeiten (Realoptionen) eines Unternehmens zu koppeln, habe die Wissenschaft einen solchen Zusammenhang bisher bestenfalls indirekt überprüft. Zurückzuführen ist dieser Mangel an empirischer Evidenz nach Mietzners Ansicht darauf, dass Investitionsmöglichkeiten nicht direkt gemessen werden können. Daher bedarf es auch einer Theorie, aus der sich empirisch klar überprüfbare Hypothesen ableiten lassen.
„Mit Hilfe der Realoptionstheorie lassen sich Sachinvestitionen und Wachstumsoptionen mit dem für den Kapitalmarkt bewertungsrelevanten Risiko verknüpfen“, sagt Mietzner. Dabei zeigten insbesondere die Untersuchungen führender nordamerikanischer Finanzwissenschaftler, dass ein Rückgang des Wertes und/oder der Anzahl der Wachstumsmöglichkeiten – entweder weil sie ausgeübt wurden oder aber weil sie schlichtweg an Wert verloren haben – zu einem Rückgang des systematischen Risikos führt. Erklären, so Mietzner, lasse sich dieser Effekt durch eine zunehmende Bedeutung des Risikos der Sachanlagen für das Gesamtrisiko. Entsprechend der Realoptionstheorie seien Sachanlagen weniger riskant als noch nicht ausgeübte Wachstumsmöglichkeiten. Da ein Ausüben einer Realoption – also das Tätigen einer Sachinvestition – den Wert des Realoptionsportfolios reduziere, vermindere sich folglich auch das Unternehmensrisiko. „Dieser Zusammenhang kann nun auf den Kauf eigener Anteilsscheine übertragen werden“, meint Mietzner: „Denn auch durch ein Aktienrückkaufprogramm kann das Unternehmensrisiko insgesamt nachhaltig beeinflusst werden, wenn nämlich werthaltige Investitionsmöglichkeiten bestehen, diese aber nicht genutzt werden, da das hierfür benötigte Kapital für den Kauf eigener Aktien eingesetzt wird.“
Auf Basis eines Datensatzes von 818 durchgeführten und abgeschlossenen sowie 101 angekündigten aber letztlich abgebrochenen Aktienrückkaufprogrammen zeigte Mietzner auf, dass Manager dann solche Programme auflegen, wenn attraktiver interne Investitionsmöglichkeiten fehlen. „Im Detail ist zu beobachten, dass das systematische Risiko im Vorfeld der Ankündigung eines Aktienrückkaufprogramms rückläufig ist“ stellt Mietzner fest. Dies sei ein klarer Hinweis darauf, dass der Kauf eigener Aktien im Vergleich zu alternativen Sachinvestitionen attraktiver sei. Was aber machen Manager, wenn sich nach der Ankündigung eines Aktienrückkaufprogramms unerwartet interessante Investitionsmöglichkeiten auftun? In diesem Fall, so zeigt Mietzners Analyse, kommt dem Management die Flexibilität der Programme zugute und sie stoppen den Erwerb eigener Aktien, um die dadurch frei werdenden Mittel für reale Investitionen zu verwenden.
Titelbild: Travel Aficionado / flickr.com (CC BY-NC 2.0)
Bilder im Text: Mike Mozart / flickr.com (CC BY 2.0)
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Artikel: Rainer Böhme (Zeppelin Universität)
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm & Alina Zimmermann