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Josef Wieland ist Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ und Inhaber des Lehrstuhls für Institutional Economics an der Zeppelin Universität.
Von 1995 bis 2013 war Wieland Professor für Allgemeine BWL mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) und dort Direktor des Kooperativen Promotionskollegs sowie des Konstanz Instituts für WerteManagement (KIeM). Daneben ist er wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Wirtschaftsethik (ZfW) und Gründer und Vorsitzender des Forums Compliance & Integrity – Anwenderrat für Wertemanagement. Seit 2012 ist Wieland Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE) sowie Mitglied im CSR-Forum des BMAS. 1999 wurde er mit dem Max Weber Preis für Wirtschaftsethik des BDI und im Jahr 2004 mit dem Forschungspreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Am kommenden Wochenende steht an der Zeppelin Universität alles unter dem Vorzeichen von Leadership. Herr Prof. Dr. Wieland, was ist das eigentlich?
Prof. Dr. Josef Wieland: Es ist die Bereitschaft und Fähigkeit eines Menschen, von anderen Menschen die Zustimmung zu erhalten, sie im Hinblick auf die Durchführung einer bestimmten Transaktion oder Aufgabe zu führen. Führung darf nicht verwechselt werden mit vertraglicher Weisungsbefugnis oder Status in einer Hierarchie. Führung gibt es auf allen Ebenen einer Organisation und die Rolle des Führenden und der Geführten wechselt. Führung basiert auf Persönlichkeit, das heißt auf Integrität und Professionalität, und auf der Fähigkeit, die gemeinsamen Interessen und Herausforderungen einer Gruppe von Menschen zu repräsentieren und zu kommunizieren, sie zueinander in Beziehung zu setzen. Dabei geht es am Beispiel eines Unternehmens nicht nur um die eigenen Mitarbeiter, sondern um alle Stakeholder. Das ist es, was wir am LEIZ als „Relational Leadership“ bezeichnen.
Auf dem Transcultural Leadership Summit wollen Sie verschiedene Typen von Leadership aus verschiedenen Kulturen zusammenbringen. Was für Unterschiede gibt es denn da? Führen Amerikaner ihr Unternehmen getreu des amerikanischen Traums, während Deutsche Wert auf Pünktlichkeit legen und Asiaten höfliche Umgangsformen wahren?
Wieland: Selbstverständlich ist die konkrete Bedeutung von Führung, also der Führungsstil, grundlegend abhängig vom kulturellen Umfeld. Dabei geht es allerdings weniger um die Punkte, die Sie erwähnen. In manchen Kulturen ist die Schätzung des Teamgedankens wichtig, in anderen geht es um die Harmonie in einer hierarchischen Struktur, in wieder anderen wird sogenannte „Strong Leadership“, eben eine klare Führungsrolle, geschätzt.
Gibt es denn trotz aller Unterschiede einen Idealtypus von Leadership, ein Musterbeispiel?
Wieland: Ihre Frage zielt letztlich darauf ab, ob es so etwas wie eine global akzeptierte, also in verschiedenen Kulturen anerkannte, Führungspersönlichkeit gibt. In globalen Wertschöfpungsketten von Unternehmen etwa ist dies eine der größten Herausforderungen in der Entwicklung von Führungspersönlichkeiten. Genau das wird das zentrale Thema des Transcultural Leadership Summit, und wir werden das an verschiedenen praktischen Beispielen diskutieren. Außerdem haben wir Studierende aus aller Welt zu einem Essay-Wettbewerb zu diesem Thema eingeladen.
Ich würde behaupten, dass neben dieser Suche nach einer global akzeptierten Führungspersönlichkeit die zunehmende Migration auf dem Arbeitsmarkt eine der größten aktuellen Herausforderungen ist. Welche Hilfe kann hier eine transkulturelle Auseinandersetzung mit Leadership leisten?
Wieland: Migration bedeutet auch eine Berührung, eine Interaktion zwischen verschiedenen kulturellen Erfahrungsräumen. Letztlich ist das, was wir heute ein „Migrations-“ oder „Flüchtlingsproblem“ nennen eine Völkerwanderung, in der das Thema der Transkulturalität von strategischer Bedeutung ist. Während die Begriffe der „Interkulturalität“ oder „Multikulturalität“ auf die Differenz zwischen den Kulturen abstellen und im besten Fall auf deren Kompatibilität und Synergie setzen, zielt das Konzept der „Transkulturalität“ auf das Herausfinden und Realisieren von Gemeinsamkeiten der Kulturen in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen. Interkulturalität oder Multikulturalität ohne die Perspektive der Transkulturalität, gerade im Hinblick auf die Migration, wird kaum gelingen.
Trotz aller Transkulturalität ist der Fokus auf ein bestimmtes Land eine Besonderheit der Konferenz. In diesem Jahr gilt es, China unter die Lupe zu nehmen. Warum ausgerechnet das Land, das dem Chef der EU-Handelskammer in China Jörg Wuttke zufolge den „schnellsten Schuldenaufbau der Weltgeschichte“ verzeichnet?
Wieland: Weil die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China in den letzten 40 Jahren dazu geführt hat, das wir es mit einer veränderten Landkarte globaler Relevanz zu tun haben. Es war und ist das Wachstum in den asiatischen Regionen, das die Konjunktur auch der westlichen Länder wesentlich angetrieben hat. Der Erfolg in diesen Märkten, auch und gerade für europäische Unternehmen, hängt eben auch davon ab, ob sie sich in diesem Kulturraum bewegen und mit den Risiken umgehen können, die es dort zweifelsohne gibt. Aber der Erfolg der chinesischen Wirtschaftsentwicklung – und ihr Erfolg bei der Schaffung von Wohlstand für die gesamte Bevölkerung – ist zugleich eine politische Herausforderung, eine Herausforderung für unsere Konzepte demokratischer Entwicklung. Da lohnt es sich schon mal genauer hinzusehen – und genau das wollen wir tun!
Sie haben sich das Ziel gesetzt, praktische Implikationen für die Herausforderungen globaler Wertschöpfung im 21. Jahrhundert zu geben. Haben Sie jetzt schon eine Kernbotschaft, welche die Teilnehmenden unbedingt mit nach Hause nehmen müssen?
Wieland: Neben konzeptionellen Aspekten werden wir uns sehr tief mit praktischen Fragestellungen beschäftigen, wie etwa mit Integritäts- und Compliancemanagement in Asien, Fragen der Finanzierung und ihre Risiken, neue Formen konfuzianischen Unternehmertums oder der Produktivität kultureller Inklusion im Personalmanagement. Auch wird die Praxis gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen in China eine wesentliche Rolle spielen. Was auch immer das Thema ist, es geht immer um die Fähigkeit, für alle Beteiligten erfolgreiche und akzeptable Lernprozesse zu initiieren.
Wie genau wollen Sie denn diese Lernprozesse initiieren und neuen Erkenntnissen auf die Spur kommen? Was erwartet die Teilnehmer?
Wieland: Der Summit beinhaltet verschiedene Veranstaltungsformate – Vorträge im Plenum, Diskussionen in thematischen Arbeitsgruppen, Präsentationen von Firmenerfahrungen, Rundgespräche und nicht zuletzt die Möglichkeit, direkt miteinander ins Gespräch zu kommen. Interessant für beide Seiten dürfte auch die Diskussion von Repräsentanten von Unternehmen mit Studierenden und Mitarbeitern der ZU sein. Da die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern dieser Erde kommen, wird der Summit auch eine Erfahrung transkulturellen Lernens sein.
Titelbild:
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Bilder im Text:
| Transcultural Leadership Summit / Homepage
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| Transcultural Leadership Summit / Homepage
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm