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Was wird mit dem politischen Instrument der Erbschaftsteuer geregelt und wer ist davon besonders betroffen?
Prof. Dr. Georg Jochum: Die Erbschaftsteuer ist kein politisches Instrument. Sie ist eine Steuer, die den unentgeltlichen Zugang von Einkommen, also die durch Erbschaft oder Schenkung verursachte Bereicherung besteuert. Sie betrifft vor allem die Kinder wohlhabender Eltern, die mehr als 400 000 Euro erben.
Wie ungerecht ist demnach die Erbschaftsteuer?
Jochum: Die Erbschaftsteuer ist nicht ungerecht, sie ist im Gegenteil eine der gerechtesten Steuern überhaupt und zudem auch eine der historisch ältesten. Sie existierte schon im antiken Rom, während beispielsweise die Einkommensteuer – die Steuer, die durch Leistung erworbenes Einkommen besteuert – erst Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt wurde. Die Erbschaftsteuer besteuert keine Leistung wie die Einkommensteuer oder die Umsatzsteuer, sondern leistungslos erworbenes Einkommen. Sie nimmt also dem Steuerpflichtigen nichts von seinem erarbeiteten Vermögen weg, sondern nur davon etwas, was er leistungslos erhält, das heißt zum Beispiel aufgrund seiner zufälligen Geburt. Die Argumentation, dass die Steuer leistungsungerecht sei, verkennt, dass der Erblasser oder Schenker gar nicht belastet ist.
Länder wie Österreich und Schweden haben es vorgemacht und die Erbschaftsteuer abgeschafft: Doch warum wird in Deutschland nicht darauf verzichtet?
Jochum: Die Erbschaftsteuer ist eine der umstrittensten Steuern. Dass dies so ist, ist nur psychologisch zu erklären. Insofern neigt die Politik dazu, solche Steuern abzuschaffen, zumal wenn ihr Aufkommen im Vergleich zum Aufwand der Erhebung und dem gesellschaftlichen Unmut groß ist. Der Sache nach bedeutet die Abschaffung der Erbschaftsteuer, dass der Zufluss leistungslos erworbenen Vermögens gänzlich steuerfrei gestellt wird. Eine derartige Privilegierung einer Einkommensquelle ist vom Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit kaum vermittelbar. Es wäre natürlich eine Möglichkeit, die Bereicherung durch Schenkung und Erbschaft bei der Einkommensteuer zu erfassen – dies würde dann allerdings regelmäßig zu einer Belastung von knapp 50 Prozent führen. So gesehen, stellt die Erbschaftsteuer bereits eine Privilegierung bestimmter Einkommensquellen dar, da die Steuersätze in der Regel niedriger und die Freibeträge höher sind.
Warum fällt es der Politik überhaupt so schwer, eine befriedigende Reform der Erbschaftsteuer durchzuführen?
Jochum: Lobbyverbände und auch die hohe psychologische Bedeutung, die Schenken und Vererben für die Menschen haben, führen dazu, dass die Steuer in irrationaler Weise – auch im Vergleich zur Tragweite – diskutiert wird. Es verwundert schon, warum nicht eigentlich mit gleicher Intensität beispielsweise die Absenkung der Umsatzsteuer gefordert wird, obwohl dies sehr viel mehr Menschen unmittelbar entlasten würde. Die Politik reagiert auf diesen gesellschaftlichen Druck und versucht, es allen ein wenig recht zu machen. Dies gelingt naturgemäß eher selten.
Was sind die wichtigsten Punkte des kürzlich erfolgten Kompromisses des Vermittlungsausschusses, der nun auch vom Bundestag und im Bundesrat abgesegnet wurde?
Jochum: Der Kompromiss betrifft im wesentlichen Details der Abgrenzung von steuerlich begünstigtem Betriebsvermögen. Außerdem wird die Bewertung von nicht börsennotierten Unternehmen nun mit einem einheitlichen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 auf den modifizierten Jahresgewinn geregelt.
Auch den jüngst verabredeten Kompromiss hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe erzwungen: Wie verhält es sich aber mit der neuen Regelung? Ist diese überhaupt verfassungskonform?
Jochum: Der Gesetzgeber hat sich bemüht, die vom Verfassungsgericht vorgenommene Überprivilegierung von sogenannten Familienunternehmen zu beseitigen. Ob das gelungen ist, ist zu bezweifeln. Das Grundproblem bleibt, dass die Begünstigung nicht konsequent an die Bedürftigkeit gekoppelt wird. Es ist sicher, dass die Reform wieder in Karlsruhe landen wird – was das Bundesverfassungsgericht dann daraus macht, lässt sich nicht vorhersagen. Die Regierung hofft wohl, dass die Reform ausreicht.
Eine persönliche Frage am Ende: Was halten Sie von der Erbschaftsteuer?
Jochum: Ich halte die Erbschaftsteuer für eine notwendige Privilegierung von leistungslos erworbenen Einkommen, weil dadurch ein generationenübergreifender Vermögensaufbau ermöglicht wird.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm