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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Wie funktioniert eigentlich ein Dieselmotor und was ist das Besondere daran?
Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: Der Dieselmotor arbeitet nach dem Prinzip der Selbstzündung, das heißt die zugeführte Luft heizt sich durch starke Kompression so stark auf, dass der in die heiße Luft eingespritzte Kraftstoff sich ohne eine externe Zündhilfe entzündet – außer zum Kaltstart sind daher keine Zündkerzen wie beim Ottomotor erforderlich. Das Besondere ist, dass der Dieselmotor aufgrund der höheren Verdichtung thermodynamisch einen besseren Wirkungsgrad hat.
In welchen Transportmitteln findet der Dieselmotor Anwendung?
Eisenkopf: Der Dieselmotor wurde und wird in Großmotoren von Schiffen, Lokomotiven und Lastkraftwagen eingesetzt. Heutzutage ist der Kraftstoff aber auch im Pkw Standard, wobei man dem Diesel mittlerweile die früheren Unpässlichkeiten – geringe Leistung pro Hubraum, starke Geräuschentwicklung und ruppige Laufeigenschaften – abgewöhnt hat. Beliebt ist der Dieselmotor insbesondere bei Vielfahrern, was auf den geringeren Verbrauch und den aufgrund der niedrigeren Steuerbelastung günstigeren Preis für Dieselkraftstoff zurückzuführen ist.
Wie hat sich der VW-Abgasskandal auf die Geschichte des Diesels ausgewirkt?
Eisenkopf: Der VV-Abgasskandal hat Autobesitzer und Autokäufer geschockt. Dieses Ereignis zusammen mit der Diskussion um mögliche Einfahrtsbeschränkungen oder-verbote für Dieselfahrzeuge in Städten hat dazu geführt, dass der Anteil des Diesels an den Zulassungen deutlich rückläufig ist und der jahrelange Trend zum Diesel ausgebremst wurde. Im Januar 2017 waren noch 45,2 Prozent und im Februar 45,1 Prozent der Neuzulassungen Dieselfahrzeuge, während im Jahre 2015 rund 48 Prozent der neu zugelassenen Pkw einen Dieselantrieb hatte. Zum Jahreswechsel lag der Anteil des Diesels am Gesamtbestand an Pkw dagegen nur bei 32 Prozent. Interessant ist auch, dass in vielen europäischen Nachbarländern der Anteil von Dieselfahrzeugen deutlich höher ist.
Mit dem Diesel wird der Ausstoß von gesundheitsgefährdenden Stickoxiden, aber auch ein deutlich günstigerer Kraftstoffpreis assoziiert: Ist das nicht ein wenig paradox?
Eisenkopf: In der Ökonomie sagt man: „There is no such thing as a free lunch.“ Der höhere Wirkungsgrad des Diesels, der schätzungsweise 10 Prozent gegenüber dem Benziner ausmacht, wird mit Partikelemissionen und höheren Stickoxid-Emissionen erkauft. Man benötigt aufwendige Technologien, um insbesondere die sehr kleinen Partikel zu eliminieren – zum Beispiel einen Katalysator mit Partikelfilter – und den Ausstoß von Stickoxiden auf ein erträgliches Maß zu senken. Hier hat die Automobilindustrie, aber auch die Politik versagt, da die Stickoxid-Emissionen im Realbetrieb der Fahrzeuge erheblich von den auf dem Prüfstand gemessenen Werten abweichen. Dies führt uns jetzt in das Dilemma, dass auch nach Recht und Gesetz zugelassene Dieselfahrzeuge tatsächlich so viel Stickoxid ausstoßen, dass die Grenzwerte in den Städten nicht eingehalten werden.
Was halten Sie persönlich von der Maßnahme, ab 2018 ältere Diesel aus dem vom Feinstaub geplagten Stuttgart zu verbannen?
Eisenkopf: Hier muss man zunächst zwei Dinge unterscheiden: Feinstaub und Stickoxid-Emissionen. Beim Feinstaub spielen Abgase des Verkehrs je nach Abgrenzung und Bezugsraum eigentlich nur eine untergeordnete Rolle, sogar im Verkehr entsteht der meiste Feinstaub durch Abrieb von Kupplungen, Bremsbelägen und Reifen. Problematischer sind die Stickoxid-Emissionen der Diesel-Pkw, die für rund zwei Drittel der Emissionen in den Städten verantwortlich sind. Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge sind wahrscheinlich der einzige Weg, um die von der EU vorgegebenen Grenzwerte für Stickoxid einzuhalten, können aber nur eine Ultima Ratio sein – hinsichtlich des Feinstaubes ist die Wirkung sogar eher kosmetisch. Problematisch ist in jedem Fall, dass alle vor 2015 zugelassenen Fahrzeuge nur die Euro V-Norm erfüllen und damit heute schon als Dreckschleudern gelten, was eigentlich völlig überzogen ist. Und bei den Euro VI-Fahrzeugen sehen die Emissionen im Realbetrieb ganz anders aus als im Prospekt angegeben.
Welche Technologien werden verstärkt eingesetzt, um dem Image des Diesels als Dreckschleuder entgegenzuwirken?
Eisenkopf: Zur Reduktion der Stickoxid-Emissionen werden alternativ die AdBlue-Methode oder Speicherkatalysatoren eingesetzt. Bei der AdBlue-Lösung werden durch das Einspritzen von Harnstoff Stickoxide gebunden und die Emissionen reduziert. Mit entsprechend aufwendigen Technologien lässt sich das Problem durchaus lösen, wie einzelne Automobilhersteller bereits vorexerzieren. Die entsprechenden Grenzwerte müssen dann allerdings auf den tatsächlichen Fahrbetrieb ausgerichtet sein (Real Driving Emissions), was in der EU ab September 2017 verbindlich vorgesehen ist. Dies alles wird aber nur langsam wirken, da die Fahrzeuge in der Regel sehr lange genutzt werden und nur langsam durch saubere Neufahrzeuge ersetzt werden.
Bleibt der saubere Diesel also ein Märchen?
Eisenkopf: Aus meiner Sicht ist der saubere Diesel kein Märchen, sondern wird bei einer sauberen Regulierung in den nächsten Jahren sehr wohl realisiert werden können. Allerdings gehen damit auch die Zeiten günstigerer Dieselmobilität für Vielfahrer dem Ende entgegen, da mehr in die Technik investiert werden muss.
Hat die Technik überhaupt noch eine Zukunft? Und wenn ja, in welchen Bereichen?
Eisenkopf: In jedem Fall, denn die Effizienz des Dieselmotors ist unerreicht, der Diesel trägt damit auch zur Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen bei. Bei den schweren Lkw wird er in den nächsten 25 Jahren kaum flächendeckend zu ersetzen sein, und auch für den Pkw stellt der saubere Dieselmotor eine wichtige Alternative dar. Zu bedenken ist auch, dass bei der Raffinierung von Erdöl immer Diesel und Benzin in bestimmten Fraktionen anfällt. Es würde also keinen Sinn machen, ganz auf den Diesel zu verzichten, wenn man generell Verbrennungsmotoren nutzt und nicht das gesamte Verkehrssystem auf Elektromobilität umstellt. Allerdings dürften die Zeiten des Dieselbooms bei Pkw vorbei sein.
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Redaktionelle Umsetzung: Alina Zimmermann