ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.
Prof. Dr. Franziska Peter ist seit 2016 Inhaberin des Lehrstuhls für Empirische Kapitalmarktforschung und Ökonometrie an der Zeppelin Universität. Nach ihrem Studium in „International Economics“ in Tübigen und Newcastle führte sie ihr Weg zunächst an das Department of Statistics, Econometrics and Empirical Economics ihrer Alma Mater in Baden-Württemberg. 2011 promovierte sie sich mit einer Dissertation mit dem Titel „Where is the Market? Three Econometric Approaches to Measure Contributions to Price Discovery“. Nach postdoktoraler Forschung in Tübingen zog es Peter 2016 schließlich nach Friedrichshafen.
Was genau ist der DAX?
Prof. Dr. Franziska Peter: Der Deutsche Aktienindex (DAX) bildet die 30 umsatzstärksten und der Marktkapitalisierung nach größten Aktien – die sogenannten Blue Chips – der Frankfurter Börse ab. Zugleich ist der DAX das bekannteste Börsenbarometer und repräsentiert rund 80 Prozent der Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften. An sich ist er ein mathematisches Konstrukt und wird mithilfe der Indexformel nach Étienne Laspeyres berechnet – basierend auf der Gewichtung der einzelnen DAX-Titel nach der Marktkapitalisierung der sich im Streubesitz befindlichen Aktien.
Mittlerweile wird der DAX als sogenannter Real-Time-Index sekündlich von der Deutschen Börse AG während der regulären Handelszeiten und basierend auf den aktuellen Kursen des elektronischen Handelssystems XETRA herausgegeben. Der DAX wurde am 31. Dezember 1987 auf 1000 Indexpunkte normiert und am 1. Juli 1988 mit 1163,52 Punkten zum ersten Mal veröffentlicht, wobei tägliche Rückrechnungen bis 1959 existieren. Seine Zusammensetzung unterliegt dabei einer quartalsweisen Anpassung, die heutzutage rein quantitativ und voll automatisch nach klaren Regeln durchgeführt wird. Dabei spielen die bereits erwähnte Marktkapitalisierung und der Umsatz an der Frankfurter Wertpapierbörse die größte Rolle.
Welche Gründe haben zu seiner Entstehung geführt?
Peter: Vor der Einführung des DAX herrschte eine gewisse Unübersichtlichkeit im Börsenhandel, da verschiedene Indices mit abweichender Methodik für den deutschen Markt berechnet wurden, unter anderen der Index der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ-Index) und der Börsen-Zeitung (BZ-Index). Die Entstehung des DAX geht maßgeblich auf den Börsenjournalist Frank Mella zurück, der als Redakteur der Börsen-Zeitung in Frankfurt am Main einen Index für den Handelsplatz Deutschland entwickeln sollte – dieser wiederum sollte handelbar sein und somit als Basiswert für Terminkontrakte herangezogen werden können.
Mit dem Aktienhype der 1990er-Jahre nahm der DAX seinen Einzug in die tägliche Berichterstattung und festigte seinen Status als deutsches Börsenbarometer. Mittlerweile gibt es eine ganze DAX-Familie, das heißt Indices, die ähnlich dem DAX aber nach anderen Auswahlkriterien oder für spezifische Branchen berechnet werden wie der TecDAX, der 30 der größten Technologiewerte beinhaltet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der VDAX, der DAX-Volatilitätsindex, welcher die in DAX-Optionen implizierte, erwartete Preisschwankung des DAX misst und somit die Risikoneigung der Anleger widerspiegelt.
In manchen börsennahen Medien kursiert die Kritik, dass uns der DAX zu einer verzerrten Wahrnehmung verleitet: Können Sie diese Kritik näher erläutern?
Peter: Es wird oft ignoriert, dass der DAX ein Performance-Index ist. Das bedeutet, dass Dividendenausschüttungen und sonstige Auszahlungen an die Aktionäre in das fiktive Portfolio reinvestiert werden. Da diese in der Regel zu Kursabschlägen führen, misst der DAX nicht die reine Kursentwicklung, sondern überzeichnet diese tendenziell. Dadurch spiegelt der DAX im Grunde genommen ein verzerrtes Bild des tatsächlichen Zustandes der deutschen Wirtschaft wider. Wer internationale Vergleiche anstellen möchte, sollte daher vorsichtig sein. Betrachtet man den DAX zusammen mit anderen Leitindices wie dem US-amerikanischen Dow Jones Industrial Average, dem europäischen EURO STOXX 50 oder dem französischen CAC 40, vergleicht man Äpfel mit Birnen, da diese als Kursindex berechnet werden. Wer solch einen Vergleich anstrebt, sollte auf den DAX-Kursindex zurückgreifen, der in identischer Zusammensetzung zum DAX konzipiert ist, dessen Berechnung aber ohne Berücksichtigung von Dividenden und Boni erfolgt.
Ein weiterer möglicher Kritikpunkt liegt darin, dass der DAX nur die größten 30 Titel enthält. Auch wenn er damit einen Großteil der Marktkapitalisierung abbildet, lässt er kleinere Unternehmen außen vor. Da mittelständische Unternehmen aber gerade in Deutschland für den Arbeitsmarkt eine wesentliche Bedeutung haben, stellt sich die Frage, inwiefern der DAX tatsächlich die gesamte Wirtschaftslage abbildet. Durch die Gewichtung der Titel in der Berechnung des DAX ergibt sich zusätzlich eine Dominanz der größten Konstituenten. So kann es passieren, dass Kursschwankungen von wenigen Unternehmen den DAX maßgeblich schwanken lässt, obwohl der größere Teil der Titel friedlich vor sich hindümpelt.
Wer sich ein breiteres Bild über die Marktlage machen möchte, sollte daher weitere Indices aus der DAX-Familie in die Analyse mit einbeziehen wie den MDAX oder den SDAX, welche auf Basis der Aktienkurse von Unternehmen mittlerer (Mid Cap) oder kleiner (Small Cap) Marktkapitalisierung berechnet werden.
Wie anfällig ist das deutsche Börsenbarometer für einen erneuten Börsencrash?
Peter: Der DAX ist wie bereits erwähnt ein mathematisches Konstrukt. Er dient als Instrument, das eventuelle Crash-Tendenzen widerspiegeln kann. Doch die internationalen Verflechtungen auf politischer, realwirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Ebene bilden ein hochkomplexes Konstrukt an möglichen Auswirkungen auf den Aktienmarkt. Neben solchen Fundamentaldaten spielen auch technische und menschliche Faktoren eine große Rolle: So verstärken panische Reaktionen der Anleger bei jedem Zucken des DAX nach unten und systematische Handelsstrategien meist insbesondere negative Kursschwankungen. Dafür kann der DAX an sich nichts.
Auch wenn gerüchteweise mittlerweile einige Hedgefonds durch Leerverkäufe von DAX-Titeln auf einen DAX-Crash wetten, gibt es keine eindeutigen Anzeichen für einen Crash, jedoch herrscht eine gewisse Unsicherheit vor insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Konjunktur, Inflation und Zinsen in den USA. Aber auch die Unsicherheit über diese Unsicherheit ist unsicher.
Warum stehen die DAX-Unternehmen besonders bei ausländischen Investoren hoch im Kurs?
Peter: Viele der DAX-Titel sind multinationale Unternehmen mit einer großen Bedeutung für den globalen Markt. Diese erzielen einen beachtlichen Teil ihres Umsatzes im Ausland und sind daher sichtbar und interessant für ausländische Anleger. Tatsächlich übersteigt der Anteil der ausländischen Investoren in den DAX-Titeln den der heimischen Aktionäre um Längen, wobei es sich hier meist um institutionelle Anleger, wie Pension- und Investmentfonds oder Kreditinstitute, handelt. Privatanleger haben eine geringere Bedeutung.
Insbesondere die heimischen Anleger machen ihrem Ruf als Aktienmuffel nach wie vor alle Ehre. Der deutsche Anleger trägt sein Geld lieber auf die Bank, wo es langsam aber sicher durch niedrige Zinsen und Inflation an Wert verliert. Über die Gründe für dieses verhalten lässt sich nur spekulieren. Ein wesentlicher Grund könnte in der Tatsache liegen, dass Aktien traditionell wenig in den Investitionsentscheidungen der Deutschen verankert sind. In den USA oder auch in den Niederlanden und Schweden spielen Aktien eine substantielle Rolle in den Pensionsplänen und haben damit auch im Alltag der privaten Haushalte ihren Platz. Durch das Fehlen dieser Tradition im deutschen Markt findet wenig Wissenstransfer im Hinblick auf Aktien als Investitionsinstrument statt, so dass sich der motivierte deutsche Privatanleger mit recht hohen Informationsbeschaffungskosten konfrontiert sieht, die bei dem einen oder anderen die Motivation wieder schrumpfen lassen.
Welche Möglichkeiten der Aktienanlage gibt es und was empfehlen Sie dem blutigen Anfänger?
Peter: Diese Frage lässt sich ohne Kenntnisse der Risikoeinstellung und Investitionsziele eines Investors im Grunde genommen nicht beantworten. Wer nach einer hohen Rendite strebt, muss in der Regel ein hohes Risiko in Kauf nehmen. Wer sein Geld sicher anlegen möchte, erzielt meist eine geringe Rendite und sollte auf ein gut diversifiziertes Portfolio setzen. Grundsätzlich gelten die DAX-Titel als recht solide und eignen sich für den unerfahrenen Investor durchaus, setzen aber bei einer Investition in einzelne Aktien voraus, dass sich der Anleger über die Eckdaten des Unternehmens informiert und auf dem Laufenden hält.
Kleinanleger, die in die DAX-Titel investieren möchten, können dies im Rahmen von sogenannten DAXETFs (Exchange Traded Funds) tun. Das sind auf der Börse gehandelte Indexfonds mit geringen Mindestkapitalanforderungen, die den DAX gemäß der Gewichtung aus den einzelnen Aktien nachbauen. Diese sind meist passiv gemanagt, so dass Anleger mit geringen Abschlägen und/oder Spesen rechnen müssen und verhältnismäßig kostengünstig und ohne substantiellen Zeitaufwand in den DAX investieren können.
Titelbild:
| PIX1861 / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link
Bilder im Text:
| Pythagomath / Eigenes Werk (CC BY-SA 4.0) | Link
| Rick Tap / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm